tag:blogger.com,1999:blog-58316130496211830202024-03-05T21:28:56.242+14:00apiculturaChristoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comBlogger136125tag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-26891167511973828562014-09-02T17:00:00.001+14:002023-04-15T04:59:26.244+14:00"all answers are answers to all questions" (Cage)<br />
<div style="text-align: center;">
Ein Vortrag</div>
<br />
<br />
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Vor einigen Jahren machte ich einen
Termin mit einer älteren Journalistin. Sie war unvermittelt auf mich
zugekommen, wollte mich gleich sprechen und am nächsten Tag über
Bienen interviewen. Wir trafen uns im Rosengarten, standen inmitten
der farbigen Vielfalt im Rosenquartier und unterhielten uns über die
geplante Befragung. Sie kündigte an, dass für sie mein anfängliches
Anliegen wichtig sei und die zentrale Frage lauten würde: „Warum
haben Sie angefangen zu imkern?“ Anschließend stieg sie in einen
weißen BMW, was mir unverhältnismäßig schnittig vorkam, und
brauste davon. Und ich stand da mit dieser monumentalen Frage. Ich
fühlte mich ohnehin schon überrumpelt, aber jetzt war ich es erst
recht.</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Abgesehen davon, dass ich die
folgende Nacht nicht schlafen konnte, weil ich keine Antwort wusste,
ging es mir wie häufig: Ich beschloss, mir etwas zusammen zu reimen.
Ich musste mir irgendeinen stimmigen Grund, der zu meinem
Lebenslauf passte, aus den Fingern saugen. Ich glaubte, dass eine
Frage nur eine Antwort haben kann. Und zu sagen, dass ich keine
Ahnung hätte, kam für mich damals noch nicht in die Tüte.</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Zu dieser Zeit hatte ich die
plastischen Grundformen im Blick: das Sechseckige in der wächsernen
Zelle, die von den Bienen gebaut wird; das Taschenförmige der Wabe
entsprechend der hängenden Form und Ausrichtung der Bienen; das
abgeflacht Kugelförmige des lebenden Bienenkörpers. Der Mensch
bringt, soweit er ihm dient, den rechten Winkel hinzu. Für die
Nennung dieser Grundformen hatte ich mich schließlich
entschieden.<br />
<br />
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi5iFLvKskrNTc-TllipeCwLOJONuXNQTEVZlvd5H9za9LLYmC0U7ik5s32z4UMDzjqx-9Euzq53kpj4WPBkVJwURGj5lPAuYbTeugYYaaP5dKNlPxZfp92CwIFxfjIiFrPczWlYU9G134/s1600/Kulturjurte.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" height="179" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi5iFLvKskrNTc-TllipeCwLOJONuXNQTEVZlvd5H9za9LLYmC0U7ik5s32z4UMDzjqx-9Euzq53kpj4WPBkVJwURGj5lPAuYbTeugYYaaP5dKNlPxZfp92CwIFxfjIiFrPczWlYU9G134/s1600/Kulturjurte.jpg" width="320" /></a></div>
</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
<span style="font-size: x-small;"><br /></span>
<span style="font-size: x-small;">Die sogenannte Kulturjurte. Das ist ein Nomadenzelt, das in München umher wandert und unbebaute oder ungenutzte Flächen vereinnahmt. Es ist eine Plattform für allerlei Veranstaltungen.</span><br />
<br /></div>
Heute möchte ich mich der nach wie
vor offenen Thematik von der konzeptuellen Seite her anfreunden. In einer Erzählung, die ich für
meine Tochter geschrieben habe, reproduzierte ich ein erfundenes
mathematisches Universum, das ich den Bienen und ihren nächsten
Verwandten, den Hummeln, zuordnete und in dem sich die Bienen
von Blüte zu Blüte bewegen und dabei ständig diskutieren. Die
Wissenschaftler wissen heute, durch Zuhilfenahme winziger digitaler
Kameras, als befänden wir uns in einem modernen Spionagefilm, dass
Bienen nie geradeaus ein Ziel anfliegen. Sie bewegen sich in
Schleifen und Kurven. Das mathematische Universum, das ich den Bienen
zuwies, ist der konjunktivische Zahlenraum. Zwei plus zwei ergibt
nicht zwingend vier, es ergibt meistens vier, manchmal aber auch fünf
oder drei. Es ist kein schlampiges Universum, wie man gleich als
Verdacht äußern könnte, sondern eines, in dem es heißt:
möglicherweise. „Zwei und zwei wäre gleich vier.“ „Wäre,
wenn?“, fragt man. „Eben“, lautet die Antwort, „ohne wenn.“
Jedem herkömmlichen Mathematiker stehen jetzt die Haare zu Berge.
<br />
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
<br /></div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Die Aufstellung der Bienenstöcke im Städtischen Rosengarten am Schyrenbad, Stationierung habe ich es anfangs genannt, war von
Anfang an eine plastische Arbeit und nie etwas anderes. Inzwischen
habe ich viel darüber nachgedacht, wie bei mir eine
künstlerische Arbeit zustande kommt. Natürlich trägt das stark
konzeptuellen Charakter, beschränkt sich aber nicht darauf. Und
es veränderte sich mit den Jahren. Früher war die Ausführung
strenger. Heute bestehe ich auf einem konzeptuellen Grundgerüst und
lasse dann persönlichem Belieben, was von außen erscheint wie
Willkür, größeren Raum.</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
In diesem Fall ist die Zeitachse
wichtig. Zuerst hatte ich Blütenformen betrachtet und gezeichnet und
alles, was bei uns wächst, über einen Jahreszyklus hin beobachtet.
Man kann daher behaupten, ich stamme von der Pflanzenkunde her.
Anschließend hatte ich einen Gemüsegarten angelegt, wenngleich ich damit gescheitert war. Schließlich verlängerte ich das Gärtnern in die Bienenhaltung
hinein. Diese Flugbahn berechnete ich.
Bevor ich Bienen hielt, las ich viel darüber und fragte unentwegt
und spielte meine gesamte Kraft als Nervensäge aus. Dann stellte
mein damaliger Lehrer, Hausmeister in der Akademie, mir drei Völker
in den Garten dort. Damit wurde ein neues Betriebselement in Gang
gesetzt. Ich begann, mich mit den Bienen anzufreunden und zu
erspüren, ob da etwas drin wäre zwischen denen und mir. Denn selbst
das Imkern im Garten der Akademie trug noch, wenn man so will,
Skizzencharakter. Und ich übereilte nichts. Man passiert immer
wieder Schwellen, die zunächst unüberwindbar erscheinen. Jede wirkt
wie die erste, weil sie wichtig fürs Ganze ist. Hat man es im Kreuz
mit den Bienen und traut es sich zu? Oder springt man nur auf einen
fahrenden Zug, weil viele das gegenwärtig tun? Glücklicherweise
verflüchtigen sich alle Theorien und Philosophien nach den ersten
Stichen. Dann steht man allein den Bienen gegenüber. Im weiteren
Anschluss verschwindet das Gegenüber. Ich will nicht kitschig werden
und es Verschmelzung nennen. Eher passt man sich dem natürlichen
Rhythmus an. Doch das dauert und ich bin nicht sicher, ob ich dieses
Stadium bereits erreicht habe. Heute ändern sich die natürlichen
Gegebenheiten von Jahr zu Jahr, mal stürmt es monatelang, dann
herrscht Dürre, dann regnet es unmäßig. Danach verläuft ein
Bienenjahr regelmäßig. Für mich fühlt sich das an wie eine
Schlinge, die mir um den Hals gelegt wird. Sie zieht sich noch nicht
zu, aber ich bin sicher, dass der Schein trügt. Heute mit der
Bienenhaltung zu beginnen, ist in dieser Hinsicht mutiger. Dennoch
muss man sich verantworten. Hat man nämlich das Ganze nur begonnen,
weil es gerade hip und modern und in aller Munde ist, oder sogar weil man
sich verantwortlich für die entgleiste Natur fühlt, werden die
Bienenkästen binnen kurzem verwaist dastehen. Die Bienenhaltung ist
ein Aufwand, der über diese Gefühle, selbst wenn sie tief empfunden
sind, hinaus geht. Um es ein wenig zu salopp auszudrücken: Man lernt
nicht drei Jahre lang Schreiner, wenn in der Wirtschaft der Tisch
wackelt. Dafür gibt es Bierfilzl.</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Erst nachdem all diese ersten Hürden
übersprungen waren, nachdem ich im einen Bereich gescheitert
war und im anderen einen gangbaren Pfad gefunden hatte und nachdem
ich es als plastische Arbeit gründlich durchgedacht hatte und
nachdem ich sicher genug war, es mir zuzutrauen, in einem öffentlich
zugänglichen Raum überhaupt Bienen halten zu können, stellte ich
die Stöcke in den Rosengarten. Das war im Jahr 1995. Vor
fünfundzwanzig Jahren startete das Projekt apicultura, das sich
dann zu meinem Label entwickelte. Welchen Umfang es annehmen und wie
weit es reichen und welche Bedeutung es für mich gewinnen
würde, ahnte ich nicht. Wie sollte ich auch? Doch davon ist heute
nicht die Rede.</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Zur damaligen Zeit gab es sehr wohl
Imker in der Stadt. Doch mein Interesse ging über flüchtige
Bekanntschaft nicht hinaus. Sie taten sich nicht hervor und zeigten
mit dem Finger auf sich, sondern besetzten eine verborgene Nische,
von der sie hofften, dass sie den Blicken entzogen bleiben würde.
Sie fühlten sich nicht in der Lage zu vermitteln, dass Bienen und
Stadt blendend miteinander auskommen. Für Kunst im Weiteren
fehlte ihnen der Aufschluss. Ihr Verständnis von Malerei endete beim
Blauen Reiter. Für plastische Arbeit kamen gerade noch Rodin oder
Lehmbruck in Frage.</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
In Bezug auf Bienen existierten weder
Initiativen, noch Plattformen, noch plastische Ansätze. Es gab kein
Internet und keine Vernetzung. Die Imkerei lag, anders als heute,
vorwiegend in der Hand alter Männer, die sich in verstaubten
Imkervereinen zusammen fanden mit der dort üblichen Vereinsmeierei,
wie man sie beispielsweise in einem Tennisclub oder sonst, wo
Menschen mit außergewöhnlichen Interessen sich sammeln,
vorfindet. Sobald ich auftrat und die Bienenhaltung mit der Kunst
verband, wurde ich belächelt oder von anderen Studenten als
Beuysianer und Anthroposoph abgekanzelt. Dabei hatte ich, ohne es zu wissen, mehr mit Heiner Kirchner zu tun. Der hatte die Gießereiwerkstatt an der Akademie geleitet und das Wachsausschmelzverfahren beim Bronzeguss wiederentdeckt, anschließend war er Professor an der Akademie gewesen war und zudem der Professor meines Professors. Ich hatte ihn als junger
Mann, etwa im Alter von 18 Jahren, flüchtig kennen gelernt, war in seinem Atelier in Pavolding gestanden, war einem freundlichen, verständnisvollen alten Mann begegnet. Der war mir als ein großartiger Handwerker erschienen. Damals wusste ich noch nichts von der Linie, die sich von ihm zu mir erstrecken würde. Kirchner war im Jahr 1984 gestorben. Ich bekam ich aus
seinem Fundus die vierte Auflage von Enoch Zanders
bienenkundlichen Werken geschenkt. Sie stammt aus den Fünfziger Jahren. (Das Original des Buches war jedoch im Jahr 1922 erschienen.) Zander hatte in seinem Buch mit Feder gezeichnet. Damit will ich sagen, dass die Kunst häufig bis an die Bienenhaltung
heran reicht, kurz davor aber Halt macht. Selbst Beuys, der
einen Schritt weiter gegangen war, hielt dennoch nie selbst Bienen, sondern suchte im
kritischen Augenblick das Wesenhafte und so weiter. Die Bienenhaltung, die alles ändert, kam für ihn nicht in Frage. Doch er war mit Günther Mahnke
befreundet, einem Anthroposophen, der in der Eifel lebte und die
sogenannte Weissenseifener Beute entwickelte. Sie besteht aus einem
kugelförmigen, aus Stroh geflochtenen Korpus, der die Bienen unten
ausfliegen lässt. Zwanzig Jahre blieb es mein künstlerisches Merkmal, die Bienenhaltung als plastische Arbeit
aufzufassen.</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Gelegentlich ärgere ich mich deshalb
über das Wort „Stadtimker“, das andere jetzt ein wenig zu dreist
für sich reklamieren. Denn es wurde im Jahr 1998 über mich
und mit mir in Bayern2Radio eine halbstündige Sendung
ausgestrahlt, die genau diesen Titel trug. Sie lässt sich hier anhören. Doch über den flüchtigen Ärger, dass
eine Gruppe etwas für sich beansprucht, das ihr nicht allein
zusteht, geht das nicht hinaus. In der Kunst begibt man sich dort auf
den wackligen Untergrund, der subsumierend in großer Geste als
Diebstahl von geistigem Eigentum bezeichnet wird. Doch im Einzelfall
wird es sofort unklar und die Stadtimker kämen in arge Bedrängnis,
wenn ihnen ihr großartiger Name fehlte. Zudem gilt im Internet ein
anderes Recht. Wer zuerst einen Stuhl für sich reserviert, besitzt
ihn. Der Makel, dass es längst vorher von anderen geprägt und
beansprucht worden ist, haftet dennoch an dem Wort. Hier liegt das
einzige Moment, an dem eine konkurrative Situation entsteht. Ich will
darauf nicht herum reiten, da <i>apicultura</i> mein Label geworden ist
und ich unter diesem Oberbegriff den von meinen Bienen hergestellten
Honig als Stadthonig vertreibe.</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Ansonsten kann man auf das gemeinsame
Tun schauen, auf das Halten der Bienen, oder auf die Beweggründe,
die dazu geführt, und die unterschiedlichen Haltungen, die sich
daraus entwickelt haben. Ob man gleichzeitiges, aber nicht
gemeinsames Handeln erblickt oder Konkurrenz, fasse ich nicht als
autoritären Belang auf, sondern diese Frage ist an jeden Zuhörer,
mich eingeschlossen, überstellt.</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Das beleuchtet einen grundsätzlichen
Parameter meiner Anschauung. Meine Bienen sind kein Schild, auf dem
steht: „Ihr müsst euer Denken ändern.“ Kein bedeutsamer
Zeigefinger winkt und sagt: „Seht nur, hier auf dem Dach des
Gasteig (oder anderswo an gewichtigen Stellen in der Stadt) stehen
wir, um euch hinzuweisen auf die Katastrophen, die ihr in der
„Natur“ angerichtet habt.“ Diese Trennung gibt es in meinem
Denken nicht. Ich bin nicht einer der „Guten Jungs“, wie es im
amerikanischen Spielfilm heißt, die die Welt retten. Ich bin nicht
Bruce Wayne, der hinter der Kulturjurte sein Batman-Kostüm
überstreift. Zwischen dem Betrachter und dem
Betrachteten gibt es keinen Unterschied, wenn man es nur tief genug
fasst.</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Für meinen Ansatz stellte sich
binnen kurzem heraus, dass mehr Kriterien galten als städtisch und
öffentlich, wodurch sich die Anzahl der möglichen Orte drastisch
reduzierte. Die Bienen, da ich Paletten und offene Aufstellung
für sie vorgesehen hatte, mussten in einem Schutzraum stehen. Den
findet man nur in Parks, die nachts abgesperrt werden. Der Ort musste
zwar in der Stadt, dort aber mitten im Grünen liegen, da ich sie
fern von Abgasen halten wollte. Weiter sollte ein Teil des Bodens
tagsüber bewirtschaftet sein. Die Pflanzen sind mit den Bienen
verwoben. Daher mussten sich nicht nur der Freizeitcharakter, sondern
auch der Arbeitsaufwand gespiegelt finden. Das verlangte nach einem
öffentlichen Kultur- und Anzuchtgarten. Schließlich blieb mir der
Rosengarten am Schyrenbad. Für diesen Ort fragte ich in der
Gartenbaubehörde nach und erhielt von der Stadt die Erlaubnis, drei
Quadratmeter für einen Preis von dreißig Euro im Jahr zu pachten.</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Die Menschen, die sich meinen Bienen
nähern, erwerben leibliche Erfahrung mit ihnen. Das ist das Juwel.
„Habe ich Angst“, fragen sich die Besucher? „Traue ich mich
näher?“ „Kann ich in Anwesenheit des Imkers, der mit Rauch
hantiert, etwa den Wabensitz betrachten oder einen Blick in den
brummenden Stock riskieren?“</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Ursprünglich drehte sich mein
Handeln einzig um das Wohlergehen der Bienen. Die Ernte blieb
zweitrangig. Inzwischen ist der Honig als zweiter zentraler Baustein
hinzu gekommen. Denn der, so wurde mir vor zwei oder drei Jahren
klar, ist ein Botenstoff. Er ist sozusagen ein Neurotransmitter.
Durch ihn erfolgt ein entscheidender Aufschluss, der den Menschen mit
den Bienen verbindet. Aus dem Glas heraus über den Gaumen entwickelt
der Mensch Interesse.</div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
<br /></div>
<div align="LEFT" style="widows: 1;">
Die betagte Journalistin mit dem BMW,
die ich anfangs erwähnte, und ich habe das schon an anderer
Stelle erzählt, kam am nächsten Tag zur verabredeten Zeit und hielt
mir ihr Mikrophon unter die Nase und stellte völlig andere Fragen.
Ich war übermüdet und perplex und antwortete ohne zu Zögern.
Vielleicht ist das ein Journallistentrick, dachte ich nebenbei. Das
Interview wurde jedoch nicht ausgestrahlt, da sie sich vorher am Bein
verletzte, und danach ging sie in den Ruhestand. Ich telefonierte
gelegentlich mit ihr, aber so direkt wollte ich nicht fragen, da mir
das indiskret vorkam.<br />
<br /></div>
Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-36151462320209751932014-09-05T00:56:00.001+14:002023-04-15T04:42:48.120+14:00Magnetfeldorientierung<br />
<br />
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Im Lauf der Zeit entwickelte ich
besonderes Interesse an der Orientierung der Bienen. In Bezug auf die
außergewöhnlichen Sinnesleistungen, dachte ich, kann die
Orientierung am Sonnenlicht beziehungsweise auch am polarisierten
Sonnenlicht, die ihnen seit geraumer Zeit explizit zuschrieben wird,
nicht die einzige Möglichkeit sein, die ihnen bei der Bewegung durch
den offenen Raum behilflich ist. Es wurde nachgewiesen, dass Bienen
nichts hören, jedoch das Zittern ihrer Härchen den Schall
wahrnehmen. Im Flug orientieren sie sich zudem an Farben und an
landschaftlichen Besonderheiten, die sie sich gemerkt haben. Sie sind
nicht nur blütentreu, was bedeutet, dass sie die Blüten einer
Pflanzenart so lange anfliegen, bis diese gänzlich verblüht ist.
Sie besuchen die entsprechenden Pflanzen jeweils um eine bestimmte
Uhrzeit, dann, wenn am meisten Nektar ausgeschieden wird. Das lässt
natürlich auf einen Zeitsinn schließen. Weiter sind sie in der
Lage, bei gänzlich bedecktem Himmel auszufliegen. Sie orientieren
sich am Magnetfeld.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br />
</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Der geografische Nordpol und dessen
Gegenüber, der Südpol, richten sich nach der Achse, um die sich die
Erde dreht. Von dort gehen die Linien aus, die als Gitter über die
Erdkugel gelegt werden und Ortsbestimmungen in Länge und Breite
zulassen. Der magnetische Nordpol jedoch liegt vom geografischen
entfernt, teilweise um die 1000 km. Es heißt, ginge man der
Kompassnadel nach Richtung Norden, käme man unweigerlich zu diesem
Pol, jedoch nicht auf dem kürzesten Weg. Das magnetische Gitter,
soweit man davon sprechen kann, liegt seitlich verzogen über dem
Erdball. Nahe der Pole beispielsweise macht es noch eine starke
Krümmung. Es gibt zusätzlich innerhalb des Feldes eine Reihe von
örtlichen Abweichungen, beispielsweise wenn man über einem Flöz
aus Magnetit steht oder wenn man die Kompassnadel einfach durch einen
starken Magneten, den man in deren Nähe bringt, ablenkt. Mitunter
wird behauptet, Überlandleitungen erzeugten eine weithin spürbare
magnetische Abweichung, ebenso Handies. Die Deklinatination ist
übrigens nicht statisch. Im November des Jahres 2016 betrug sie in
München genau 3°. Das gesamte Magnetfeld wandert im Laufe der
Jahrhunderte Richtung Osten.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Zu diesem Feld gibt es Forschung seit
dem Jahr 400, das geschah in China. Besonders die europäischen
Seefahrer des Fünfzehnten und Sechzehnten Jahrhunderts, die diverse
Karten anlegten und sich auf deren Genauigkeit verlassen mussten,
waren auf die Messungen angewiesen. Im Übrigen sieht das Feld
beiderseits, wie man heute weiß, völlig chaotisch aus, wie ein Hund
mit strubbeligen, zu langen Haaren. Der magnetische Strom tritt nicht
nur am Ende der Kugelenden aus, sondern weit vorher, als handle es
sich um einen stark verkürzten Stabmagneten, der im Inneren der Erde
stecke.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Die entsprechenden Sinnesorgane der
Tiere begann man erst ab den Sechziger Jahren zu erforschen, und das
geschah, obwohl sich Züchter von Brieftauben längst über die
Navigationsleistungen ihrer Schützlinge im Klaren waren. Bei den
Zugvögeln, den Fischen, den Walen, den Honigbienen und so weiter,
bei den meisten Tieren, die sich ohne Sonnenlicht orientieren können,
entdeckte man nach allen Seiten hin beweglich gelagerte Plättchen,
die sich am Ermagnetfeld ausrichten. Deren Stellung wird vermutlich
durch Nervenenden aufgespürt und umgerechnet. (Übrigens sind auch
bestimmte Bakterien zur Orientierung am Magnetfeld in der Lage.) Als
ich letztes mal darüber las, konnte ich nicht heraus bekommen, wie
weit die Forschung bezüglich der Rezeptoren gelangt war. Bei Tauben
beispielsweise, dachte man, liege das Sinnesorgan oberhalb des
Schnabels. Bei Bienen wurde seine Lage in dem schmalen Steg zwischen
dem mittleren und dem hinteren Körperteil vermutet.</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
<br />
</div>
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Über Näheres war ich nicht
informiert, bezüglich zahlreicher Informationen bin ich nicht auf
dem neuesten Stand. Jedoch lag ich im Frühling abends nach der
Dämmerung im Bett und hörte den Singvögeln zu, wie sie einen
gewaltigen akustischen Raum aufspannten. Meine Gedanken gelangten zur
klassischen Skulptur, die man betrachtet, indem man sie umschreitet.
Und von dort kam ich zur Fortbewegung im Raum. und über welche
Orientierungshilfen beispielsweise die Bienen verfügen.</div>
<br />Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-89123338845311219752015-09-12T15:00:00.001+14:002023-04-15T04:07:49.672+14:00Erbe<br />
Franz überließ mir im Lauf der Jahre eine Reihe von Kästen. Sie
waren alle auf das Zandermaß ausgelegt und bestanden meistens aus
einfachen Brettern oder Pressspanplatten, die zusammen genagelt waren. Die Böden und
Deckel waren löchrig und im Vergleich zu den Seiten mit noch weniger
Aufwand hergestellt. Den Deckel beispielsweise bildete in der Regel
ein Brett, auf den eine zweite, dünne Holzplatte, durch deren
Anwesenheit sich ein Falz ergab, mit ein paar Nägelchen festgeheftet
und aufgeleimt war. Das machte es schwer, die Kästen ohne eine
schützende Eindeckung, beispielsweise eine Aluhülle darüber, im
Freistand einzusetzen. Im Sommer ging es gerade noch hin, doch nach zwei Jahren waren sie herunter gewirtschaftet. Für den Winter musste man die Bienen in eine wetterfeste
Beute umsiedeln. Im Grunde waren diese Kästen natürlich für ein
Imkern im Bienenhaus ausgelegt. Für Franz passten sie nicht mehr
zum Rest. Er sonderte sie aus, da er auf Einheitlichkeit bedacht war.
Überhaupt warf er ständig etwas weg. Ich wusste manchmal nicht, wo
in seinem Herzen das sentimentale Festhalten angebracht war. Franz
war sozusagen ein Zen-Lehrer, der auf dem Weg zu den Bienen an der
Mülltonne vorbeigeht. Bevor er die Kästen also zerschlug, nahm ich sie
eben. Besonders empfindlich sind natürlich solche aus mitteldichter
Faserplatte. Der zweistöckige Ablegerkasten ist ein Beispiel. Franz
hatte natürlich alles mit Abtönfarbe angepinselt und dadurch
leidlich geschützt. Aber die Ecken und Kanten sind bestoßen, und
die Platten saugen sich mit Feuchtigkeit voll und geben sie ab, fast
wie ein Schwamm.<br />
Für sein Bienenhaus hatte Franz etwa 50 einzelne Zargen gebaut.
Die passten alle zueinander. Und die Böden und Deckel waren mit
Finesse geschreinert. Die Seitenteile bestanden zu den Bienen hin aus dünnen
Hartfaserplatten. Innen, unsichtbar liefen offenbar
hölzerne Verstrebungen, ein Gerüst aus Fichtenholz. In die freien
Räume hatte er passgenau Platten aus Styropor gefügt. Außen dann
saßen Weichfaserplatten. Auf den Falzen, wo man mit dem Stockmeißel
hineinfährt, lagen Streifen harter Buche. Seitlich waren die Kästen
ganz glatt gehalten, damit man sie im Winter aneinander rutschen
konnte. Vorne und hinten saßen je ein aufgeschraubter Eisengriff,
jedoch klappbar und mit barock geschwungener Grundplatte. Offenbar
verliefen darunter hölzerne Streben. Die Griffe, ehrlich gesagt,
bildeten den Traum jedes Eisenwarenhändlers. Diese Kästen waren in
Hellbraun gestrichen.<br />
Im Haupthaus imkerte Franz überschlagsweise mit 15 Völkern,
die im Winter auf zwei und im Sommer, zur Honigernte, auf drei Etagen
saßen. Was dann noch übrig blieb, war als Reserve gedacht.<br />
Weiter besaß Franz zwei Unterstände und dafür Styroporkästen.
Die waren zugekauft und bestanden aus dem System „Spessartbeute“,
und er pinselte sie in dunklem Braun an. Das ergab nochmal etwa 10 Völker. Überhaupt diese Streicherei
mit Abtönfarbe, sie war sein Merkmal. Es war, als wollte er einen
Vorbildlichkeitswettbewerb gewinnen. Nicht nur waren ja alle
Bienenkästen gleich gestrichen, sondern auch alle hölzernen Flächen
innen und außen. (Zusätzlich ging ihm nie die Arbeit aus.) Als
einzige bunt übrigens waren die Anflughilfen für die Bienen. In
seinem neuen Bienenhaus, das er gegen Ende zu besaß und wo er seine
Nachmittage verbrachte, baute er viel um. Dort sah ich zum ersten
mal, dass er, um Gerätschaften zu verbergen, einen Vorhang genäht
hatte. Darauf liefen, in endloser Reihe, dunkelblaue Elefanten dahin.<br />
<br />
<br />
Übrigens besuchten wir einmal, als wir uns bei ihm draußen im
Schweizerholz aufhielten, den Lehrbienenstand in Hochmutting.
Eigentlich hatte ich darauf gedrängt. Denn wir mussten dazu nur über
einen Acker stapfen und über einen Zaun linsen. Der Platz war
ordentlich, sehr aufgeräumt, aber farblos. Die Kästen waren in
stumpfem, dunklem Militärgrün gestrichen. Das berührte mich
unangenehm. Es hielt sich niemand dort auf, aber Franz wurde unruhig,
er scheute den Kontakt mit Personen, die in entsprechenden Vereinen
oder dem Imkerverband organisiert waren.<br />
<br />
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhDm9v3TcrvKAij15ONyh-AC3-wn7BZzTFYIYd69gze8kgv_j0t-j6w7hNpmyHXoIpyE4BZTi35gc1SDkaJ293ifQ0apT4n121tpIwc99EDBbmMLAaUBvHKdWl1E24eJTVXzZ9vwCPaomo/s1600/Ablegerkasten+%252806%2529.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1600" data-original-width="1493" height="320" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhDm9v3TcrvKAij15ONyh-AC3-wn7BZzTFYIYd69gze8kgv_j0t-j6w7hNpmyHXoIpyE4BZTi35gc1SDkaJ293ifQ0apT4n121tpIwc99EDBbmMLAaUBvHKdWl1E24eJTVXzZ9vwCPaomo/s320/Ablegerkasten+%252806%2529.jpg" width="298" /></a></div>
<br />
Während ich an einer Vereinheitlichung aller Kästen arbeite,
jeder soll beliebig mit den anderen kombinierbar sein, trennte Franz
die älteren Kästen, die er selbst gebaut hatte, von den neuen, die
er gekauft hatte. Sie passten daher auch nicht zusammen. Sie bildeten zwei unabhängige Kreisläufe. Deshalb vermutlich
sonderte er alle weiteren Formen aus. Für mich sind diese Kästen,
die ich von ihm bekam, Erinnerungsstücke. Sie helfen mir,
Franz im Sinn zu behalten. Insbesondere den bunten Ablegerkasten,
obwohl er ja auf den Aspekt der Nützlichkeit hin gebaut worden ist und ich daran weiter arbeitete, sehe ich eher als
folkloristisches Stück.<br />
Der Ablegerkasten ist mit einem breiten, mehrfach gefalteten
Zeitungsstreifen umwickelt. Er hält die beiden Teile zusammen. Der
darauf gestempelte Satz stammt aus den Pisaner Cantos von Ezra Pound:<br />
<br />
What thou lov´st well<br />
is thy true heritage<br />
<br />Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comEdlingerstraße 10, 81543 München, Deutschland48.195387408333389 11.601562546.82559340833339 9.0197755 49.565181408333387 14.1833495tag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-4016833965240656512015-09-22T23:52:00.001+14:002023-04-15T03:59:19.874+14:00VEB Bienenkultur<br />
Im Frühjahr des Jahres 1990, unmittelbar nach den verheerenden Stürmen, die
riesige Schneisen in den westdeutschen Fichtenwald schlugen und
manchmal ganze Gebiete davon einfach umlegten, fuhren meine damalige Freundin und ich in die DDR.
Das Wort verwende ich bewusst. Denn sie hatte zwar im November des
Vorjahres offiziell aufgehört zu bestehen, doch sie existierte noch
in den Köpfen der Bewohner, und in unseren. Es wurde mit einem Schlag still in den
Gaststätten, wenn man herein kam. Die Tische waren alle gleich groß
und standen ausgerichtet in Reih und Glied. Man
bekam eine Speisekarte vor sich hin geklatscht, darauf stand als Vorspeise
Soljanka, was wir in Westdeutschland nicht kannten und für
eine ostdeutsche Spezialität hielten. Das Hühnchen hieß Broiler und man
passierte VEB Broilergaststätten. In den Läden lagen kaum westdeutsche Produkte in den Regalen, und wenn, dann nur vereinzelt
und keiner konnte sie sich leisten. Es gab nicht zehn Sorten
Zahnpasta, sondern nur eine. Die Verpackungen bestanden hauptsächlich
aus grauer Pappe, wie in den <i>Wirtschaftswerten</i> von Beuys. Wir
stempelten abends mit Buchstaben, die ich mitgebracht hatte, auf
weiße Karteikarten, die ich ebenfalls mitgebracht hatte, unsere Tageseindrücke
in einzelnen Worten. Drüben kaufte ich einen Haufen Karteikarten im Format
DIN A5, da es andere nicht gab. Sie waren liniert, bestanden aus
einem weichen graugrünen Karton, waren holzig. Wir benutzten sie
nicht.<br />
Manchmal übernachteten wir bei fremden Leuten, bei denen wir
uns einbettelten wie Bienen in fremde Völker. Bei denen saßen wir
in seltsam überfrachteten Wohnzimmern und diskutierten die halbe
Nacht, während wir Vodka tranken. Sie alle wollten zunächst die CDU
wählen, sagten sie. Später käme vielleicht die SPD, darauf wollten
sie sich noch nicht festlegen. Der Wein war zu süß und wurde aus
Bulgarien bezogen; einzig das Bier und wie gesagt den Schnaps bekamen
wir hinunter. Auf einem winterlichen Stadtplatz hatte sich ein feister
Mann aus dem Westen postiert, mit einem dunkelblauen, protzigen, neuen Achtzigerjahre-Merzedes. Er schenkte aus seinem Kofferraum Underberg aus und zog dazu
haufenweise Schnapsgläser aus Kisten. Hinter dem Wagen hatte
sich eine Menge versammelt. Er erwartete, dass das Stimmvieh
entsprechend des Schnapses mindestens CDU wählen ging, wenn nicht
rechter. „Auf die Freiheit“, sagte er bei jedem Glas, nickte und
erwartete ein bestätigendes Nicken.<br />
Mit Gleichaltrigen kamen wir gar
nicht ins Gespräch. Sie redeten einfach nicht mit uns. Saßen wir in
der Wirtschaft nebeneinander, drehten sie sich weg.<br />
Wir besuchten
Buchenwald.<br />
Diesen graugrünen Karton bedruckte ich später mit einem
dunkelgelben sechseckigen Raster. Ich hatte eine Wabe zurecht
geschnitten und sie mit Linoldruckfarbe eingewalzt. Der Druck erfasste genau den Bereich unter
der oberen Trennlinie, im Textblock, wo der Karton schwach liniert
ist. Darüber stempelte ich mit alten, in eine
Plastikschiene gesetzten Buchstaben <i>VEB Bienenkultur</i>.
VolksEigenerBetrieb. Die Idee war natürlich, dass das gegenseitige
Protzen und Wettrüsten aus dem Kalten Krieg sich nicht auf die
Bienen erstreckt haben konnte. Durch das geteilte Deutschland war
zwar die Grenze zwischen Westen und Osten verlaufen, doch die
Wabengröße musste in beiderlei Deutschland gleich gewesen sein. Im
Gegensatz zu den Menschen hatte ein im Osten gestarteter Bienenschwarm
durchaus im Westen ankommen können.<br />
Später erfuhr ich aus einem Artikel, dass zur Zeit der DDR drüben hauptsächlich in Wägen geimkert worden war.<br />
<br />
Im Jahr 2011, als ich einen Raum im Atelierhaus Baumstraße
zwischengemietet hatte, genau um die Zeit, als die Arbeit f<i>innegans
bees</i> langsam entstand, konnte jeder Mieter den scan eines Motivs
einreichen. Davon sollten 1000 Stück auf einen starren,
leicht glänzenden Karton im Format DIN A5 gedruckt werden. Die
Rückseite war reinweiß und enthielt den Titel und den Namen. Ich
gab meinen damaligen Druck ab. Ich arbeite im Grunde nie exakt auf
diesem Format, selten einmal auf DIN A4, und nur, wenn es nicht
anders geht.<br />
Nachdem ich die schwere Kiste erhalten
hatte, schob ich sie mit dem Fuß unter den Tisch und wusste nicht, was ich
damit anfangen sollte.<br />
<br />
Erst im Jahr 2015 begann ich Texte zu suchen,
die Dichter oder Wissenschaftler über Bienen verfasst hatten. Die
Palette reichte von Hölderlin bis Darwin. Ich stellte meine
mechanische Schreibmaschine so ein, dass sie den roten Teil des
Farbbands verwendete, tippte Zitate, die ich mir heraus geschrieben
hatte und suchte neue. Die Schreibmaschine hatte große
Schwierigkeiten, den starren Karton einzuziehen und alle Buchstaben
musste ich doppelt anschlagen, damit sie sich überhaupt von dem
dunklen Untergrund abhoben.<br />
<br />
<br />
Im Jahr 2015 entwarf ich außerdem eine Arbeit, die nicht über das
Anfangsstadium hinaus kam. Ich bemühte mich, aber es wurde nichts
draus und sie ist hier nicht aufgenommen. Es ging um
Blumenbriefmarken, die die Deutsche Post ungefähr vom Jahr 2014 bis
zum Jahr 2016 heraus gegeben und von denen ich einen Haufen in einer Schachtel gesammelt
hatte. Die wollte ich verwenden. Allerdings wollte ich unter
Umständen auch die vorher erwähnten Bäckereibienen einbauen und
auf jeden Fall noch einen Poststempel erstellen, der anstatt des
Briefzentrums und dessen Nummer den Schriftzug APICULTURA trug.
Obwohl die Arbeit weit gediehen schien, versandete sie doch. Selbst
als ich die Bienen wegließ, kam ich nicht weiter. Es öffneten sich
die verschiedensten Wege, aber keiner führte zu einem Ergebnis. Womöglich
springt eines Tages ein haltbarer Entwurf hervor, aber dafür, wie lange ich
mir den Kopf zerbrochen und daran gearbeitet hatte, einen gesamten
Sommer durchgehend, war der Ertrag spärlich. Jetzt noch nicht,
dachte ich, als ich aufgab. Einige der Blumenbriefmarken und auch ein
wunderschönes Gedicht von Heinrich Heine und Textzeilen aus
Finnegans Wake baute ich später in besondere Honigetiketten für
drei Editionen ein. Das ist natürlich dokumentiert.<br />
<br />Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-63118635106781475402015-10-12T02:53:00.001+14:002023-04-15T03:48:20.987+14:00buch in der au<br />
<span style="color: #222222;"><span style="font-family: "times new roman" , serif;">Lustig
ist übrigens eine Geschichte aus dem Buchladen, wo der Stadthonig
vertrieben wird. Da kam (der schwarze) Mann wütend herein gestapft
und plärrte, dass mein Honig zu günstig verkauft werde. Das gehe
nicht. Man müsse mindestens zwölf Euro verlangen. Die Damen dort,
weil kaufmännisch hart gesotten, nahmen ihm ein Glas zu 250 Gramm
ab. Das verstaubte dann ein halbes Jahr im Regal, während der Absatz
von Stadthonig aus dem Rosengarten florierte. Nach der besagten Zeit
holte er es murrend wieder ab, ließ sich jedoch nicht entmutigen,
sondern brachte 500 Gramm-Gläser, auf deren Etikett plötzlich "Stadthonig" zu
lesen stand. Das Etikett war aber fahl, die Farben wirkten gedeckt, ein bisschen wie mit Wasserfarben von einem Kind gemalt, und
das Ganze war selbstgestrickt. „Seids ihr wahnsinnig?“, fragte ich. Aber die
Buchhändlerinnen antworteten trocken: „Das Zeug will eh keiner.</span></span><span style="color: #222222; font-family: "times new roman" , serif;">“</span><span style="color: #222222; font-family: "times new roman" , serif;"> Die Gläser standen ewig herum, ohne dass einer Notiz von ihnen nahm. Tatsächlich hatten die Schlauen seine Gläser im Regal hinterm
Verkaufstresen nach hinten und in eine Ecke gerutscht, als handle es
sich um eine unliebsame Bucherscheinung (Sarazzin), die leider nicht
fehlen durfte. </span><span style="color: #222222; font-family: "times new roman" , serif;">Der Wüstling benutzt inzwischen Imkerbund-Gläser. Das sind die mit dem geprägten Glas. Ein Adler beschützt einen Bienenkorb. Früher war darauf, so las ich es, wohl noch ein Hakenkreuz geprägt. Sein Name steht da nur noch klein in einem Kästchen auf einem ansonsten wirren Etikett und auf den Deckel führt eine Lasche, so dass man gleich erkennt, ob er geöffnet wurde. </span><span style="color: #222222; font-family: "times new roman" , serif;">Den </span><i style="color: #222222; font-family: "times new roman", serif;">echten</i><span style="color: #222222; font-family: "times new roman" , serif;"> Stadthonig aus dem Rosengarten
betreffend, führten sie hingegen eine Liste der Personen, die sich
namentlich angemeldet hatten, weil sie unbedingt ein Glas kaufen
wollten. Der Engpass tritt vor allem im Frühjahr auf. Da will jeder Erster sein, wenn der frische Honig auf den Markt geworfen wird. Und
die Gläser stehen ohnehin vorne auf dem Tresen.</span><br />
<span style="color: #222222;"><span style="font-family: "times new roman" , serif;"><br /></span></span>Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-42300731163326525512016-07-21T00:30:00.001+14:002023-04-15T03:13:08.019+14:00sugar loaf<br />
Die Strukturformeln bilden eine Arbeit, die zwar bis zum Ende durchdacht, jedoch nicht gänzlich ausgeführt worden ist. Da sie aber provisorisch und in Form von vorbereitenden Stempelarbeiten vorhanden ist, wurde sie in den Katalog aufgenommen. Sie veranschaulicht übrigens, wie die meisten meiner Arbeiten entstehen. Ich nähere mich ihnen im
Krebsgang. Die Anordnung wirkt, vom Ende her betrachtet, mühelos und logisch. Allerdings brauche ich meistens geraume Zeit, um sie zu entwickeln. Die assoziative Versammlung englischer Ausdrücke,
die Zucker in sich enthalten, ist Beiwerk. Meistens beginnt die Arbeit damit, das Material aufzubieten und zu ordnen.<br />
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEglun4yIoNVEHAZcfCVGeMxuBbxf3IWe2E7Zue1ysa9kgA4abnu1-Q6xT-sz6mPXENJ18bRwBIh73f_bv5GePmwkcAUfLQ__WmDvpSJFRd79TZ-JK1jG8Z1L7fBhRb3ZMJTJUuofeZ7U-0/s1600/CIMG0445.JPG" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1200" data-original-width="1600" height="480" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEglun4yIoNVEHAZcfCVGeMxuBbxf3IWe2E7Zue1ysa9kgA4abnu1-Q6xT-sz6mPXENJ18bRwBIh73f_bv5GePmwkcAUfLQ__WmDvpSJFRd79TZ-JK1jG8Z1L7fBhRb3ZMJTJUuofeZ7U-0/s640/CIMG0445.JPG" width="640" /></a></div>
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<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi5zq4f8ssjFXmZbGmC_8pjc3mUVLbscdLWSdTZf0-DdZ46-6LzN4HhOHRSa1UQuluKORYkSzidYQRLkj8kzFuQgECpj82pmkqo1Etm0Cdxfdf7Jeoh_dIbMQ8x7DaOt_laHQW0GS1jyos/s1600/Strukturformeln+1.JPG" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"><br /></a><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEi5zq4f8ssjFXmZbGmC_8pjc3mUVLbscdLWSdTZf0-DdZ46-6LzN4HhOHRSa1UQuluKORYkSzidYQRLkj8kzFuQgECpj82pmkqo1Etm0Cdxfdf7Jeoh_dIbMQ8x7DaOt_laHQW0GS1jyos/s1600/Strukturformeln+1.JPG" imageanchor="1" style="clear: right; float: right; margin-bottom: 1em; margin-left: 1em;"> </a><br />
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Die Blätter mit Kopien der Strukturformeln liegen noch immer herum. Natürlich beziehen
sie sich nicht metaphorisch oder symbolisch, sondern direkt auf die verschiedenen Arten von Zucker, die im Nektar
vorkommen. Hier musste ich mich zwischen zwei Arten der Darstellung innerhalb der Chemie entscheiden, zwischen der Fischer-Projektion und der Haworth-Projektion. Beide betrachte ich als Bilder. Fischer gebraucht eine Art Baum als Figur, Haworth nimmt Fünfecke und Sechsecke, die in den Raum hinein perspektivisch verzerrt sind. Mithilfe des Fünfecks ist die Fructose dargestellt, mithilfe des Sechsecks die Glucose. Auch wenn der Baum sinnfälliger ist, neigte ich der Haworth zu. Doch hatte ich keine Zeit, die Moleküle zu stempeln.<br />
<br />
Wikipedia weiß: Die Fischer-Projektion ist eine Methode, die Raumstruktur einer linearen, chiralen chemischen Verbindung eindeutig zweidimensional abzubilden. Sie wurde von Emil Fischer entwickelt und wird häufig für Moleküle mit mehreren, benachbarten Stereozentren wie Zuckern verwendet. Er gilt als Begründer der klassischen organischen Chemie und erhielt 1902 den Nobelpreis für Chemie.
Und es weiß weiter: Die Haworth-Formel ist eine nach dem Chemiker Walter Norman Haworth benannte Darstellungsweise für ringförmige fünf- und sechsgliedrige Moleküle, z.B. Glucose und Fructose in ihrer cyclischen Form. Haworth erhielt 1937 den Nobelpreis für Chemie
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: right;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEggv_lilCdSsgIvGOeSJNx4GwxokcRWlhsXzxGQo8RvnxV9Y482QCNY9ppb_X1nLrFmX0NRocvQ2UeRnE0buV35wt5L8N5PTcCv7LmyAAoJvCI713mbNOi4S7bEDnq6AXdgxKDwd18tsgY/s1600/strukturformeln+gescannt+06.tif" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1600" data-original-width="1132" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEggv_lilCdSsgIvGOeSJNx4GwxokcRWlhsXzxGQo8RvnxV9Y482QCNY9ppb_X1nLrFmX0NRocvQ2UeRnE0buV35wt5L8N5PTcCv7LmyAAoJvCI713mbNOi4S7bEDnq6AXdgxKDwd18tsgY/s200/strukturformeln+gescannt+06.tif" width="141" /></a><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjEtmk9l-da2VSOcceTnOVXwuA05Py55ebKTag67CviEaL2pepDG66le2bOAnw91okdY7taM58Jd1rD5hsghsw0L1M5wb1ROqEcVrbpl5W2vvvbyIIBENKU39ehF36V1hngFAczQ_EMGJY/s1600/Strukturformeln+1.JPG" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="900" data-original-width="1600" height="180" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjEtmk9l-da2VSOcceTnOVXwuA05Py55ebKTag67CviEaL2pepDG66le2bOAnw91okdY7taM58Jd1rD5hsghsw0L1M5wb1ROqEcVrbpl5W2vvvbyIIBENKU39ehF36V1hngFAczQ_EMGJY/s320/Strukturformeln+1.JPG" width="320" /></a></div>
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Man unterscheidet fünf oder sechs verschiedene
Hauptzuckerarten, danach nennt man sie Vielfachzucker. Davon ist jede
noch einmal in einzelne Sorten unterteilt. Am Schluss, aber das habe
ich nicht nachgezählt, könnten es so um die zwanzig werden. Am
Anfang stehen als Einfachzucker Glucose und Fructose. Das sind die
sogenannten Fruchtzucker, die der Körper sofort aufnimmt. Sie machen
den größten Bestandteil jeden Honigs aus. Ich kann mich täuschen, aber auf sie scheint alles zurück zu laufen. An zweiter Stelle
beispielsweise, unter den Zweifachzuckern, steht Saccharose. Das ist
eine simple Molekülkette, die aus Fructose und Glucose zusammen
gesetzt ist. Um alles aufzuspalten und bei den einfachen Bestandteilen zu landen, ist ein Enzym nötig und die Bienen
tragen davon eine Menge, die ihnen etwa für zehn Tage reicht, im
Magen. Die Melezitose ist Honigtauzucker. Sie ist der typischeste Dreifachzucker und wandert zunächst durch das Enzymsystem der Pflanzensauger. Der berüchtigte Waldhonig besteht daraus, man nennt ihn auch Zementhonig, da er, wenn man ihn nicht sofort schleudert, in der Wabe aushärtet. Melezitose ist eine Kette aus Saccharose und Glucose.<br />
Nektar ist in der
Regel zusammengesetzt aus zahlreichen Zuckern. Er wird von den Bienen
an den Nektardrüsen der Pflanzen geholt und im Honigmagen fermentiert. Daher wahrscheinlich ist sich die Wissenschaft nicht
einig, ob die Bienen bereits die Honigmachende genannt werden muss
oder ob sie noch Nektar befördert. Fest steht hingegen, dass manche
der zahlreichen Kombinationsmöglichkeiten aus den Zuckersorten, aus
denen der Nektar einer Pflanze besteht und die dann ein überaus
komplexes Molekül bilden, die Bienen weniger anziehen. Volkstümlich
kann man sagen: Sie schmecken ihnen nicht so gut. Daher hält es sich die Pflanze offen, ihre Palette aus den zahlreichen
einzelnen Zuckern leicht zu verändern, wenn dann die Bienen lieber
kommen. Wie diese Vorliebe der Bienen den Pflanzen mitgeteilt wird,
ist mir unklar.<br />
Ich beschäftigte mich seit dem Jahr 2014 damit, doch kam mir etwas
Schwerwiegendes dazwischen, das mich daran hinderte, im Atelier zu
sitzen. Danach drängte eine Reihe neuer Arbeiten herein wie Flugzeuge in der Warteschleife. Jedesmal, wenn ich das Atelier betrat, bemerkte ich, wie ich zunächst unentschieden, ob ich die Arbeit daran aufnehmen sollte, um die Blätter mit den Strukturformeln herum schnürte. Dann wendete ich mich Anderem zu.</div>
<br />Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-75863060527900471372018-10-03T01:44:00.002+14:002023-04-15T00:53:37.586+14:00"Ein Satz fürs Leben"Ende September wurde von Laura Selz, einer Mitarbeiterin bei Bayern2Radio, eine Sendung vorbereitet, die hieß: Ein Satz fürs Leben. Laura traf ich gelegentlich im Cafè und sie hatte mich angesprochen, ob mir nicht so ein Satz einfiele. Tja, dachte ich. Es gibt einige Sätze, die die Mutter mir in der Kindheit um die Ohren geschlagen hat. Aber es ist nichts darunter, was man gern weitergeben möchte. Also entschied ich mich für einen Ausspruch von Franz. Er hat stets eine ganze Reihe von Sprüchen auf Vorrat gehalten. Die meisten sind mir im Gedächtnis geblieben oder ich habe sie sogar aufgeschrieben. „Christoph, lass mich dir eines sagen:“ „Schmarrn das Ganze“ und so weiter.
Auf die lange Sicht ist an mir ein seltsamer Ausspruch haften geblieben, den ich anfangs womöglich als etwas schrullig abgetan hatte, der sich jedoch bestätigt gefunden hat. „Man kann Bienen auch in einem Gummistiefel halten.“ Natürlich erkennt man die Übertreibung darin. Doch mir fiel auf, dass Bienen jedweden Bau annehmen, wenn er sich halbwegs für ihre Zwecke eignet. Deshalb nisten sie auch in Rollladenkästen und fühlen sich dort nicht weniger wohl als in einer wiederaufgelegten anthroposophischen (wesensgemäßen) Beute, die eigentlich aus dem Slowenien des Neunzehnten Jahrhunderts stammt.
Hat der Ausspruch mein ganzes Leben geprägt oder mich zumindest lebenslang begleitet? Das nicht. Doch er wurde zu einem Rätsel, das ich auflösen wollte. Er gewann mit den Jahren an Bedeutung. Mir fiel auf, dass die Form des Gebäudes, das wir den Bienen bieten, unseren Bedürfnissen entspricht. Glaubt jemand beispielsweise daran, dass „wesensgemäß“ überhaupt eine Kategorie ist, versucht er, die Umhüllung entsprechend zu gestalten. Das ist aber ein menschlicher Wunsch. Meine Absicht besteht zunehmend darin, die Sache von den Bienen her zu denken.
Als es zur Aufnahme meines Textes kam, auf den ich mich nicht gut genug vorbereitet hatte, standen wir direkt hinter den Bienenkästen im Rosengarten. Seltsam kam mir vor, wie wir da angeordnet waren, nämlich beinahe voreinander, so dass man das Mikrophon bequem hin und her schwenken kann, jedoch die Blicke abgewandt. Laura wusste, dass es nicht funktioniert, wenn man seinem Gegenüber direkt in die Augen sieht. Das bringt einen aus dem Konzept. Sie fragte gelegentlich etwas und hielt mir ansonsten das Mikro unter die Nase und ließ mich reden. Ich erzählte ein wenig, schmückte hier und da ein Detail aus und versuchte möglichst wenig Unsinn zu schwafeln. Auf den Freiheitsaspekt kam ich womöglich zu sprechen. Ich erinnere mich nicht genau. Tatsächlich hat der Satz ja die Aufgabe eines Rätsels. Erst hebt man ihn auf. Er krallt sich womöglich sogar mit Widerhaken in einem fest wie ein Bienenstachel. Er begleitet einen so lange, bis man es aufgelöst hat. Danach lässt man ihn gehen. Diese Wirkung verstand ich aber erst später.
Alles in allem ist es ein prägnanter Satz. Für mich ist er zudem eine Erinnerung.
Anfang Oktober wurde die Sendung geschnitten und ausgestrahlt. Und als sie dann kam, versendete ich den link dafür, als hätte ich eine Ausstellung. Tatsächlich war das ja auch so.Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-79825972433639034302020-04-05T00:24:00.003+14:002023-04-15T00:49:10.721+14:00Näheres
Der Katalog wurde Anfang des Jahres 2020 gedruckt, gebunden und ausgeliefert. Während der Druck stattfand, was sich über zwei Tage hinzog, wurde ich sogar nach Bozen mitgenommen. Also konnte ich zusehen und stellte fest, dass die Drucker weitaus genauer hinsahen, eher eine winzige Unregelmäßigkeit bemerkten und nicht für tolerierbar hielten, als ich. Lustigerweise holten sie mich auch, wenn eine neue Runde begann, also ein neues Druckblech eingespannt wurde, und breiteten einzelne Andruckbögen vor mir zur Unterschrift aus. Ansonsten saß ich meistens in einem Aufenthaltsraum und trank Cafè. Dort lernte ich auch einen der beiden Chefs kennen, einen freundlichen älteren Herrn, und ich dachte, dass er genau so mit seinen Mitarbeitern umgeht, wie es nötig ist. Denn er weiß – entgegen dem üblichen Klischee, – dass er sie genauso dringend braucht, wie sie ihn.
Das Prozedere schien mir ein wenig absurd, da ich ja am folgenden Tag nicht mehr vor Ort sein würde, sie also ohne die Unterschrift ebenso drucken würden. Aber wahrscheinlich zählt die Geste.
Nachdem der erste Schwung des Katalogs geliefert war, nicht am folgenden Tag, aber bald darauf, begann die Corona-Krise. Wie seltsam, dachte ich. Denn ich hatte mich fast zweieinhalb Jahre bemüht, um ihn zuwege zu bringen, entgegen aller Widerstände, und schon wieder wurde er ausgebremst. Frau Metzel von der edition metzel erzählte, dass kaum jemand Geld für Kunst ausgebe. Zu Anfang der Krise machten sich viele darüber lustig, wie rücksichtslos und egoistisch die Leute in die Supermärkte stürzten und die Regale leerkauften, als müssten sie sich jahrelang in Atombunkern einschließen. Vor allem natürlich ist den meisten die gähnende Leere in den Fächern mit Klopapier in Erinnerung – fast jeder kann eine persönliche Geschichte dazu erzählen. (Nun ist die Frage, ob sich die Krise- oder noch mehr der Virus – sich wirklich gewandelt haben oder nur die öffentliche Wahrnehmung und der Umgang damit. Doch das führt hier zu weit.)
Mein persönliches Leben hat sich kaum geändert. Weder arbeite ich im HomeOffice, noch muss ich viele Videokonferenzen abhalten. Ich radle zu meinen Bienen und wir sind diesen Sommer gut miteinander ausgekommen. Im Atelier geht es etwas zu zäh vorwärts.Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-37086487852422023512021-05-07T01:42:00.038+14:002023-04-15T00:44:18.393+14:00bei: WurzelspitzenDie Ausstellung unter dem Titel Wurzelspitzen wurde von Katharina Heider und Michael von Brentano im Jahr 2021 verwirklicht und sie soll bis in den März des Jahres 2022 hinein reichen. Der Ort ist die ehemalige Gärtnerei Demel. 30 Künstler sind beteiligt. Das Gelände wurde etwa 100 Jahre lang als Gärtnerei genutzt, schließlich auch 18 Jahre lang verpachtet. Nun liegt es vorübergehend brach. Katharina Heider ist Architektin und hat einen komplexen Bebauungsplan für das Gelände entwickelt. Zugleich sind zahlreiche Fotos ehemaliger Angestellter gezeigt, die eine Widmung an diese Menschen und die von ihnen geleistete Arbeit sind.
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgWiBi0t2ZEOuJ_TGZb8Snvx5zZPS3nSJyvZ8n1sBvXpqM0wQ1tBUdJ6MhxbY5onIpgqBkB35et1LVu7Didq8KenrrogaL1tinnyw8IAX9hGDlBf_kQiduAVCyfhpNGIFkzI4DhSMSLlQE/s4000/IMG_20210521_145039.jpg" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="320" data-original-height="1846" data-original-width="4000" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgWiBi0t2ZEOuJ_TGZb8Snvx5zZPS3nSJyvZ8n1sBvXpqM0wQ1tBUdJ6MhxbY5onIpgqBkB35et1LVu7Didq8KenrrogaL1tinnyw8IAX9hGDlBf_kQiduAVCyfhpNGIFkzI4DhSMSLlQE/s320/IMG_20210521_145039.jpg"/></a></div>
Nachdem ich bei der Ausstellung Wurzelspitzen in Seeshaupt eine monumentale Arbeit mit Kies und Gartenerde hingestellt hatte, die aber in diesem Zusammenhang nicht gezeigt werden kann, wurde mir von Michael von Brentano noch ein zweiter Raum zur Verfügung gestellt. Darin verwirklichte ich eine Wachsarbeit. Sie wirkt im Verhältnis klein, vielleicht sogar weniger ausgeklügelt. Aber das ist sie nicht. Sie erscheint mir ebenso umfangreich, nicht nur was ihre Lage im gesamten Raum und in eben jenem Kabinett, das aussieht, wie eine große Vitrine, betrifft, sondern auch wegen des Zusammenspiels der verwendeten mit den vorgefundenen Materialien und deren Möglichkeiten.
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Ein paar Tage später, als ich meine Unzufriedenheit zu ergründen versuchte, kam mir der Einfall, einen Vortrag bis auf seine einzelnen Bausteine, auf das atomos, die Antike nennt es: das kleinste Element, herunter zu brechen. Dadurch kann ich ihn gemäß dem Bedarf umformen. Ich begann, einzelne Karteikarten anzulegen: Bienenkunde, Interviews mit Künstlern, Pflanzenkunde, diverse Schriftsteller, Systemtheorie, Klimafragen und inzwischen gibt es sogar noch ein paar Karten über Pilze. (Es gibt übrigens auch eine Abteilung über Bienenkommunikation, worin es hauptsächlich um das neue dreistufige Erklärungsmodell geht. Dem liegt die einfache, wunderschöne Frage zugrunde: Wie findet die Biene die Blume?) Mittlerweile ist das Ganze auf etwa 2000 Karteikarten angewachsen, aber die Anzahl ist natürlich nicht begrenzt. Ich ging zunächst einfach alle Bücher durch, die bei mir im Regal stehen, sowie einiges, das ich im Netz fand, und entnahm einzelne Stücke. Dazu kommen natürlich auch eigene Texte. Letztlich kommt es auf mein völlig subjektives Urteil an, was ich für wichtig halte.
Zusätzlich müssen eigene Sätze auch die Funktion haben, die starren Elemente wie Gelenke zu verbinden. Kupplungsstücke.
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Über Bienen gibt es inzwischen haufenweise Bücher, daraus kann man gar nicht genug zitieren, aber ich wollte es auch nicht übertreiben und beschränkte mich auf ein paar populäre Themen wie beispielsweise den Bautrieb oder das Stechen.
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Nicht vergessen werden darf die Pflanzenkunde. Die stand für mich am Anfang. Sie kam in meiner persönlichen Entwicklung vor den Bienen und sie hängt allgemein mit ihnen eng zusammen. Das Eine kann ohne das Andere nicht existieren. Der pflanzenkundliche Teil ist noch im Aufbau. Aber genau darum handelt es sich: um eine dynamische Kartei, und ich muss mich als so etwas wie einen DJ verstehen. Pflanzenkundliches kann ich präsentieren zu Klee, Veilchen und Orchideen. Zu mehr bin ich noch nicht gekommen.
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Als ich mit einer befreundeten Künstlerin über den Vortrag sprach, sagte sie gleich, dass die Karten mit Schreibmaschine beschrieben sein müssten. Diese Auffassung teile ich im Grunde, aber mich schreckt die pure Menge des Textes ab. Ihn mit Schreibmaschine zu schreiben bedeutet zusätzlich, dass es ungleich mehr Karten werden. Dennoch ist der bedeutsame Unterschied zwischen Schreibmaschine und Drucker der, dass man im einen Fall die Typen sieht, die aufs Papier einschlagen, man sieht schon allein, wie die Hände die Walze drehen, wie diese das Papier einzieht und es in die richtige Position bringt. Das alles ist beim digitalen Drucker natürlich nicht der Fall. Andererseits ist es auch ein Druck. Nur findet dabei alles im Verborgenen statt. Auch das Aufnehmen des Textes und das Umsetzen in geschriebene Schrift oder das „Herauskopieren“ aus Texten und das Formatieren und so weiter sind digitale Vorgänge, die am Rechner geschehen. Insofern haben sie sich vom Handwerklichen stark entfernt. Und die Rückkehr dazu zu fordern ist natürlich für einen bildhauerischen Ansatz. Mir selbst war das Drucken via Laserdrucker und Rechner bislang ein Dorn im Auge und nur die arge Menge des Stoffs zwang mich dazu und ich sagte: zunächst. Doch dann überzeugte mich eben die Menge und ich fragte mich, ob ich damit so großzügig umgegangen wäre, wenn nicht das Digitale zur Verfügung stünde.
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Sie werden hören, dass ich dauernd auf Bienen zu sprechen komme. An ihnen arbeite ich mich entlang. Sie träufeln es in mein Ohr, wie Joyce sagt. Vor allem in letzter Zeit werden viele Texte zu ihnen geschrieben, besonders übrigens Romane. Manche habe ich gelesen. Gelegentlich wird die Organisation des Bienenstaates auf die Gesellschaft übertragen. Das ist falsch. Das ganze Volk ist – wie ein gegenwärtiger Bienenforscher schrieb – ein Säugetier ehrenhalber.
Bienen seien heute ein Politikum, heißt es. Aber nicht für mich.
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Zur Abrundung des Einstiegs und um ein Leitmotiv zu installieren, zitiere ich John Cage: „Ob man durch Träume, den Lotussitz oder Atemübungen zu sich findet (…), immer kommt man zum selben Ergebnis: Man darf kein Konzept haben. Sicherlich zielen alle Kōans des Zen-Buddhismus darauf ab, jedes Konzept zu Staub zu zermahlen, bis nichts mehr übrig ist.“
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<i>02 Wissenschaft:</i> Als ich mich mit Bienenkunde beschäftigte, fiel mir auf, dass man das gesamte Feld immer in Segmente unterteilte. Innerhalb dieser Abschnitte, die man einzeln sozusagen unters Mikroskop legte, ergaben sich Einsichten. Etwas wurde erklärbar. Und dieses Wissen lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Wenn ich übrigens nachlese, beachte ich, wie die Fragestellungen aussahen. Denn Ergebnisse erhält man je nach den Fragen.
In der wissenschaftlichen Aufschlüsselung fehlt mir meistens etwas. Das hat damit zu tun, dass es – ich gebrauche den Begriff mit aller Vorsicht – in spiritueller Hinsicht keine Rolle spielt, ob ein Bereich wissenschaftlich aufgeschlossen ist oder nicht. Ich will noch grundsätzlicher und provokativer werden. Wissenschaftliche Entdeckungen ändern nichts an der Rätselhaftigkeit der erforschten Objekte. Denn sie wird nicht beeinflusst, indem jemand heran tritt und uns erklärt, wie es sich verhält.
Es könnte so erscheinen, als wollte ich hier die Wissenschaft abwerten oder sie als das Gegenteil der Kunst darstellen.
Wie Sie in meinem Katalog sehen, sind die naturwissenschaftlichen Darstellungsweisen für mich als Künstler oft interessanter als die Forschungsergebnisse. Das hat damit zu tun, dass fast jede Art davon ins Bildnerische hinein reicht. Selbst eine mathematische Formel ist zugleich eine Grafik. Dort sind aber wir zuhause. Wird etwas aufgedeckt, frage ich: Wie ist es gezeichnet? Als Beispiel nenne ich hier die komplexen grafischen Modelle der Enzyme, die an sich derartigen Bildcharakter haben, dass ich sie nur noch aus dem Zusammenhang lösen musste, um sie als vielfarbige Bilder auf Papier zu drucken.
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<i>03 Diskussion:</i> Ich will Ihnen von einer Diskussionsrunde erzählen. Das Ganze ist 18 Jahre her. Wir saßen zu fünft in einem Raum. Einer hielt sich heraus, was ich im Nachhinein interessant finde. Denn worin bestand seine Rolle? Einer experimentierte beruflich mit Genmanipulation bei Amseln und bezeichnete das Zusammenbringen einer männlichen und einer weiblichen Zelle als Schöpfungsakt. Er hatte ja den Beweis unter dem Mikroskop. Er schob die eine Zelle in die andere hinein und sie fingen an, sich zu teilen. Es war ihm unmöglich, etwas Zusätzliches wahrzunehmen. Seine Frau unterstützte ihn argumentativ. Ein Freund und ich sprachen gegen diese Sicht. Wir sagten: Du kannst die Voraussetzungen schaffen, aber das, was man früher oder anderswo als göttlichen Funken oder als den Lebenshauch bezeichnet hat und wofür wir kein Wort haben, kann der Mensch nicht leisten. Sie erinnern sich an das Fresko von Leonardo mit den zwei Fingern, die sich fast berühren. Es heißt: „Die Erschaffung Adams.“ Das habe ich vor Augen. Und ich sprach dann eine gewagte These aus, die ich Ihnen nicht ersparen will: „Es ist die Urkränkung des Menschen. Denn er ist nicht in der Lage, Leben zu erschaffen. Womöglich ist der Mensch deshalb abhängig davon geworden, Lebendes zu zerstören.“
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<i>04 Sinnesempfindungen:</i> Von diesem Verzweigungspunkt an kann es in verschiedene Richtungen weitergehen. Man könnte eine religiöse Debatte anstrengen und ethische Fragen aufwerfen. Anstatt dessen bekunde ich meinen Respekt vor sinnlicher Wahrnehmung. Damit meine ich nicht nur unsere Sinnlichkeit, sondern vor allem die der Tiere und Pflanzen bis hinunter zu den Bakterien.
Hunde beispielsweise wittern feinste Gerüche und können mittlerweile darauf trainiert werden, elektronische Speichermedien zu erschnüffeln. Auf diese Weise konnte bei jenem gewaltigen Missbrauchsskandal Lügde in der Wohnwagensiedlung ein USB-Stick entdeckt werden, der vom Täter in eine Sofaritze gesteckt worden war. Darauf hat man dann kinderpornographische Fotos gefunden. Ich erinnere mich nicht, wie stark man den Täter bereits belastet hatte, aber ich möchte gern glauben, dass der USB-Stick eine wichtige Rolle gespielt hat. Bienen, bei denen ebenfalls der Geruchsinn extrem ausgeprägt ist, riechen <i>plastisch</i>. Menschliche Nasen hingegen sind so geformt, dass sich die Luftströme darin verwirbeln. Dadurch sind wir nicht in der Lage, Düfte exakt zu lokalisieren und von anderen, ebenfalls vorhandenen, zu trennen.
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Bereits früh im letzten Jahrhundert wurde der größte Teil der Bienenanatomie erschöpfend bearbeitet. Das alles steht in einem Buch mit dem Titel <i>Der Bau Der Biene</i> aus einer siebenteiligen Reihe, die der Erlanger Bienenforscher Enoch Zander seit dem Jahr 1911 heraus gegeben hat. Dabei entdeckte er das Magnetfeldorgan, das bei den Bienen in der schmalen Brücke zwischen dem mittleren und dem hinteren Leib sitzt. Dort liegt auch das Gleichgewichtsorgan.
Ich nahm die Abbildungen, zeichnete sie nach und arbeitete mich auf diesem Weg ein. Dabei bemerkte ich, dass ich Zeichnungen abzeichnete, und zwar entsprechend der frühen Jahre des vergangenen Jahrhunderts solche mit Feder und Tusche. Sie stammten von Zander. Folglich trat ich einen Schritt zurück und nahm die Federzeichnungen selbst, indem ich mithilfe von Tipp-Ex alle wissenschaftlichen Zuweisungen, Pfeile, Zahlen und zuvorderst den Text hinaus warf. Es war, als ob ich Fäden zerschneiden würde. Ich löste die Einbettung. Herr Zander hatte auch Ergebnisse anderer Forscher in sein Buch aufgenommen. Deshalb erkennt man, sobald die Zeichnungen allein stehen und somit in den künstlerischen Bereich vordringen, augenblicklich die Spur der Hand.
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Für Bienen spielen die Sinne eine erhebliche Rolle, wenn es um die Orientierung im Raum geht. Sie haben zwei Facettenaugen seitlich am Kopf und drei Punktaugen oben, mit deren Hilfe sie das Sonnenlicht interpretieren. Von den Bienen ist uns bekannt, dass sie nichts hören. Aber sie lösen diesen Mangel, indem sie die feinen Luftvibrationen wahrnehmen, die durch akustische Signale erzeugt werden. Zugleich spüren sie das Magnetfeld. Im Flug orientieren sie sich an Landschaftsmarken, an Düften, an Farben und so weiter. Sie merken sich die Silhouette eines Waldes. Sie verfügen nicht nur über einen Zeitsinn, mit dessen Hilfe sie berechnen, wie weit die Sonne gewandert ist, während sie sich im Stock aufgehalten haben oder wo das Magnetfeld, das ja schwingt, in Bezug auf die Tageszeit steht. Sie haben ein Mittelzeitgedächtnis. Nach etwa einer Woche haben sie zwar das Meiste vergessen. Vieles, das innerhalb dieses Rahmens liegt, bleibt jedoch gespeichert. Im Übrigen gestalten sie Räume. Die Blütenpracht beispielsweise, die Gestalt der Pflanzen oder die der Landschaft, die wir sehen, wenn wir spazieren gehen, verdanken wir bestäubenden Insekten.
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Die Menschen haben zwei Hauptsinne, das sind Hören und Sehen. Indem das Fernsehen genau diese beiden bevorzugt anspricht, kann es die anderen ausklammern. Weniger hoch bewertete Sinne wie Riechen, Schmecken, Berühren, Zeitsinn, Gedächtnis, Wärme-Kälte, Schwere, Gleichgewicht und so weiter liefern uns unterschiedlich bewertete Informationen. Besonders den Gleichgewichtssinn benutzen wir unbewusst. Wir stehen in gerader Linie zum Erdmittelpunkt. Das betrifft ebenso das Gehen. Zu sehr feinen Informationsströmen haben wir eingeschränkten Zugang. Unsere Wahrnehmungsfähigkeit ist entweder abgekoppelt oder ins Unbewusste abgerutscht. Die Kunst ist nicht dazu da, entfernte Sinne zu beleben. Aber manchmal bedient sie sich ihrer, lockt sie hervor, spricht sie an und reinstalliert sie.
Das ist hier kein Ort für Kunsttherapie.
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Darüber hinaus will ich dorthin gehen, wo wir mittelbar wahrnehmen. Mir wurde mitgeteilt, dass wir kein Organ haben, um das Magnetfeld zu fühlen. Dafür haben wir den Kompass erfunden. Bei Pferden gibt uns ein Röntgenbild des Knies Auskunft, ob eine Knochenabsplitterung vorliegt. Das kommt relativ häufig vor, wenn die Pferde dazu gezwungen werden, über Hindernisse zu springen, wie es bei Turnieren der Fall ist. Diese Absplitterungen wandern entlang der Knochen und verursachen dem Pferd erhebliche Schmerzen. Pferde können Schmerz nicht äußern, sie können nicht weinen. Sie sind Fluchttiere. Ließe man sie, würden sie davon rennen. Der Mensch hat das Röntgenbild in der Hand und müsste Schlüsse ziehen.
Vor kurzem habe ich übrigens gelesen, dass Bienen mit voller Geschwindigkeit, das sind etwa 30 km/h ein Unterholz durchfliegen können. Das verlangt ihnen erhebliche Navigationsfähigkeiten ab. Und obwohl man ihnen längst Sender auf den Rücken geklebt hat, ist es wissenschaftlich nicht entschlüsselbar, was da geschieht.
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<i>05 Das System:</i> Ob Bienen Schmerz empfinden, ist zweifelhaft. Ich vermute, dass es nicht der Fall ist.
Bei den Bienen gibt es die Möglichkeit, dass ein Volk plötzlich als Ganzes reagiert. Nehmen wir an, dass giftige Gase in den Stock gelangen. Ich hatte das einmal am Stand. Im Spätherbst hatte jemand einen vollen Benzinkanister von vorn unter die Paletten gesteckt, auf denen sie stehen. Aus dem Behälter entwichen unablässig feine Dämpfe und im Frühjahr war keine einzige Biene mehr da. Sie waren nicht gestorben, sondern einfach ausgezogen. Natürlich hätten sie <i>wissen</i> können, dass sie draußen keine Chance haben, zu überleben. Aber die Bedingungen waren für sie unannehmbar.
Wenn ich die Bienenstöcke öffne, spüre ich Zuneigung. Doch ich fühle bei den Bienen, und das werden sie unmittelbar nachvollziehen können, auch Distanz. Bienen sind keine Kuscheltiere. Ein Bekannter gab nach einem Jahr die Bienenhaltung auf, da ihm das System zu komplex war.
Im Bienenstock herrscht so etwas wie pure Energie. Vor kurzem mutmaßte ich, dass diese reine Energie nur durch Lebewesen fließen kann, für die Leben und Tod nicht wichtig sind. Was uns auffallen muss, wenn wir die Bienen betrachten, ist Folgendes: Sie haben sich im Laufe von ein paar Hunderttausend Jahren nicht verändert. Das zugrunde liegende System hat sich nicht gewandelt. Und das ist – wie ich meine – aus einem ganz bestimmten Grund geschehen. Es ist seit langer Zeit perfekt.
Dieses System beugt sich auch nicht, wenn die Bienen weg sind. Wenn ein Volk stirbt, stoppt der Energiefluss. Ziehen aber neue Bienen in den Kasten ein, so folgen sie auf <i>absolute</i> Weise demselben System. Das besteht aus eineindeutigen Postulaten, sowie aus offenen Stellen, wo der Mensch regulierend eingreifen kann. Das Gewebe aus verschlossenen und offenen Systemgliedern existiert jedoch unabhängig von den Bienen. Zum Beispiel kann es nur eine Königin pro Volk geben. Eines, in dem sich zwei Königinnen aufhalten, ist in eine Schieflage geraten. Womöglich wird die eine Königin die andere abstechen oder die ältere kann mit den älteren Bienen den Stock verlassen. Es besteht unbedingter Handlungsbedarf. Falls wir die alte Königin, die entfernt werden soll, fänden, könnten wir sie einfach aus dem Stock pflücken und ins Gras schmeißen. Sie würde dort zwar von ein paar Arbeiterinnen gesucht, aber irgendwann aufgegeben.
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„Man kann Bienen auch in einem Gummistiefel halten.“ Diesen Satz prägte Franz Wagner, mein Bienenlehrer. Der Satz bezieht sich darauf, dass sich das System trotz der vollständigen Wandlung ihrer Lebensräume nicht im Geringsten geändert hat. Wir haben die riesigen Wälder mit dicken Bäumen gerodet und die Bienen in unsere Abhängigkeit gebracht. Im städtischen Raum wird manchmal noch ein Rollladenkasten besiedelt. Das ist aber auch alles. Doch ihr System sagt weiterhin entweder ja oder nein. Nullen und Einsen. Dazwischen gibt es nichts. Darin liegt – wie ich glaube – ein Teil dessen, was wir als die Intelligenz der Bienen bezeichnen.
Nun tritt aber der Mensch heran. Die Wissenschaft leiht ihm zwar eine Hand, aber die Intention ist allgemein. Er hätte beispielsweise gern, dass zwei Königinnen nebeneinander im Volk leben. Denn es ist nun einmal so, und das ist schon sehr lange der Fall, dass wir etwas, das sich gar nicht ändern lässt, am allerliebsten ändern möchten. Je größer der natürliche Widerstand ist, desto größer ist unser Anliegen.
Auch ich dachte, natürlich in viel kleinerem Rahmen, ich müsse handeln. Ich muss aber nicht. Daher habe ich mir angewöhnt, den Bienen möglichst viel selbst zu überlassen. Und es hat sich heraus gestellt, obwohl es sich manchmal nur um Feinheiten handelt, dass sie es besser können.
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<i>06 Informationen:</i> Ein bedeutender gegenwärtiger Bienenforscher namens Jürgen Tautz hat im Jahr 2021 in seinem Buch <i>Die Sprache der Bienen</i> neue Ergebnisse vorgestellt. Er hat erweitert, was Karl von Frisch bis zum Jahr 1927 heraus gefunden hatte. Das Buch des Herrn von Frisch heißt <i>Aus Dem Leben Der Bienen</i> und ist populärwissenschaftlich. Es geht dabei unter anderem um die Übermittlung von Informationen mithilfe der Tanzsprache. Für deren Erforschung hat von Frisch im Jahr 1973 den Nobelpreis bekommen. Als er das Farbspektrum erforscht hat, zu dem Bienen Zugang haben, ist er darauf gestoßen, dass sie Ultraviolett sehen können. Von Frisch bezeichnete die Mischfarbe von Gelb und Ultraviolett poetisch als <i>Bienenpurpur</i>. Bienen sehen Farben anders als wir. Grün – soweit ich das verstanden habe – ist für sie ein lichtes Grau und kommt dem nahe, was uns farblos erscheinen würde. „Wo für uns die weißen Sterne der Gänseblümchen in der Wiese stehen, da leuchten den Bienen blaugrüne Sternchen entgegen.“ So schreibt von Frisch. Die Blüten strahlen für sie insofern aus einem beinahe farblosen Feld heraus. Die Gärtner und Naturbeobachter unter Ihnen kennen vermutlich im blauen Vergissmeinnicht den gelben Ring. Das ist das <i>Saftmal</i>. Bienen sehen diesen inneren Kreis in zahlreichen Blüten zwischen dem Pollenkranz und dem äußeren Blütenrand.
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Wie die im Stock übermittelten Informationen außerhalb des Stockes eingesetzt werden, hat von Frisch ausgespart. Bezüglich des Bienentanzes haben sich die Forschungsmethoden weiterentwickelt. Man sitzt nicht mehr mit Zirkel und Stoppuhr vor der Wabe. Es gibt Videoaufzeichnungen, die man minutiös auswerten kann. Daher war lange nicht klar, dass die unerfahrenen Sammlerinnen durch die Tänze nicht in eine exakte, sondern in eine grobe Richtung geschickt werden und dass ihnen eine nur etwaige und kürzere Entfernung vorgetanzt wurde. Außerdem erhalten die Bienen im Stock auf vier unterschiedlichen Kanälen jeweils dieselbe Information. Im Stock ist soviel Trubel, dass die Nachricht unbedingt ankommen muss. Diese Redundanz spricht – wie ich meine – für deren Wichtigkeit. Die Information breitet sich auch nicht über weite Strecken aus, sondern verbleibt innerhalb eines räumlich begrenzten Feldes, das etwa die Größe meiner Handfläche hat. Es soll ja nur eine kleine Gruppe von Bienen benachrichtigt werden. Die Vortänzerinnen zupfen beispielsweise auch am Tanzboden, der Wabe, und bringen sie zum vibrieren als übermittelten sie einen Morsecode.
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<i>07 Unbestimmtheit:</i> Die neuen Entdeckungen zeigen also, dass unerfahrene Bienen von erfahrenen Sammlerinnen in einen Bereich geschickt werden, der vor den Nektarquellen liegt. Sobald die neu informierten Bienen den Bestimmungsort erreichen, suchen sie dort und werden wahrscheinlich durch Düfte zu den Futterplätzen gelockt. Zwischen dem Schicken und dem Locken liegt ein eigener, von dem Bienenforscher Tautz erstmals eingeführter Raum, der mich als Künstler natürlich bevorzugt interessiert. Denn gerade in den kann man mit den gegenwärtig verfügbaren wissenschaftlichen Methoden noch nicht hinein schauen. Er ist bis auf weiteres undefiniert, wodurch er zu einer künstlerischen Möglichkeit wird. Ich verwende das Wort <i>Unbestimmtheit</i>. Und ich verweise dadurch erneut auf John Cage. Denn in seiner Arbeit spielt er eine zentrale Rolle. In seinem ersten Buch <i>Silence</i>, erschienen im Jahr 1939, gibt es zahlreiche eingeschobene Texte, die als Ganzes diesen Titel tragen: <i>Indeterminacy</i>. Er schrieb weiter daran bis es hundert wurden und verwendete den Rest in einem späteren Buch. Das erschien im Jahr 1963 unter dem Titel <i>A Year From Monday</i>. Ich kann nicht widerstehen und gebe Ihnen ein Beispiel: „In Darmstadt, während ich nicht mit Musik beschäftigt war, war ich in den Wäldern, um nach Pilzen zu suchen. Eines Tages, während ich einige Hypholamas sammelte, die nicht weit von der Konzerthalle entfernt um einen Baumstumpf herum wuchsen, kam eine Dame aus dem Sekretariat von den Ferienkursen für Neue Musik heran und sagte: Alles in allem ist die Natur besser als die Musik.“
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<i>08 Honig:</i> Auf das Thema Honig bin ich während einer Lesung im Jahr 2011 eingegangen. Sie finden den Text im Katalog. Im Jahr 2017 wurde ich eingeladen, über Honig als Nahrungsmittel zu sprechen. Ich nannte diese Lesung „in bocca al lupo“, was wörtlich übersetzt hieße: Im Maul des Wolfes. Doch es ist genau anders herum gemeint: Nirgendwo ist man sicherer als im Rachen des gefährlichsten Tieres. Man könnte auch sagen: Hals- und Beinbruch. Da in den Vorträgen alles gesagt ist und sie nachlesbar sind, will ich nur ein paar Stichpunkte erwähnen. Auf Honig habe ich lange von oben herab geschaut. Ich folgte darin der Meinung meines Bienenlehrers. Wir hielten Honig für überbewertet in Anbetracht der schwerer wiegenden Themen. Damals gab es viele Imker, die ausschließlich der Ausbeute wegen Bienen hielten. Das kam uns verwerflich vor. In dieser Hinsicht hat sich in Zusammenhang mit der Stadtimker-Bewegung einiges verändert. Im Jahr 2011 kam ich ins Nachdenken und legte mir das Ergebnis so zurecht: Honig ist ein Botschafter. Er gibt Auskunft über die Pflanzen. Er führt die Menschen an die Bienen als Lebewesen heran. Stadthonig verbindet den Stadtbewohner mit dem städtischen Raum. Honig bildet zwischen uns eine Mitte. Der Text trägt den angeberischen Titel <i>missing link</i>.
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<i>09 Kommunikation:</i> Sie kennen womöglich das Buch <i>Phänomen Honigbiene</i> von dem vorher erwähnten Jürgen Tautz. Es ist fesch aufgemacht, doch am Schluss steckt weniger dahinter, als man erwartet. Es ist gedacht für den staunenden Anfänger. Lassen Sie uns – sozusagen als Arbeitshypothese – von Sinnesorganen und den entsprechenden Sinnesempfindungen bei allen Lebewesen ausgehen, die an der Honigproduktion beteiligt sind. In jenem weiteren Buch, auf das ich bereits eingegangen bin, <i>Die Sprache Der Bienen</i>, verspricht Herr Tautz uns Entscheidendes. Doch schließlich erklärt er uns nur den Weg der Biene vom Bienenstock zur Pflanze und den nicht einmal ganz. Was ich in Augenschein nehmen möchte, geht darüber hinaus. Denn ich will die Verständigung der Bienen mit den Pflanzen betrachten oder den Informationsaustausch verschiedener Völker untereinander oder den verschiedener Insektenarten und/oder Pflanzenarten und so fort. Weiter will ich den Menschen dazu nehmen. Der hält eine Sonderrolle. Einerseits muss man ihn für einen Augenblick entfernen. Denn er tritt als Betrachter auf und kann sich distanzieren. Und wir müssen fragen, was sich verändert, wenn wir uns aus der gesamten Gleichung heraus nehmen. Aber wir müssen uns auch einbeziehen. Denn wir sind selbstverständlich als Kommunikatoren beteiligt. Mein Anliegen ist, möglichst viele Formen dieser Verständigung auf die Schnur zu fädeln und <i>keine</i> Theorie zu entwickeln.
Das Thema Kommunikation ist so komplex, dass selbst die Wissenschaft nicht weiter als bis zu den Ausläufern des Gebirges gelangt ist. Als Laien gingen wir davon aus, dass Menschen kommunizieren – oder auch Beziehungen zerbrechen, weil nicht geredet wird – oder dass gelogen wird, was einen wichtigen Platz einnimmt. Es gibt zahllose Bücher darüber. Die kann ich nicht alle gelesen haben. Doch selbstverständlich habe ich im Vorfeld recherchiert und die fünf gängigsten Modelle betrachtet. Meistens werden darin die gleichen Faktoren aufgebracht. Beispielsweise das, was der Sender sagen will, was er sagt und wie sich alle möglichen Zusatzbotschaften in das Gesagte hinein drängen, unter anderem Selbstoffenbarung und Selbstbekundung, und was der Empfänger schließlich versteht. Ich könnte jetzt ein Referat halten, vielleicht vor einer zehnten Klasse. Doch die meisten greifen bei Tieren und Pflanzen nicht. Wir müssen uns aber daran gewöhnen, nicht im Mittelpunkt zu stehen.
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Erst 2,5 % aller Lebewesen auf dieser Erde sind bisher identifiziert worden, heißt es. Im Jahr 1995 fand man das bis dahin älteste Lebewesen der Welt. Es war ein 25 Millionen Jahre altes Bakterium, das man im Hinterleib einer Biene aufgespürt hatte, die in Bernstein eingeschlossen gewesen war. Von Bakterien wissen wir, dass sie den Boden aufbereiten und tonnenweise Abfall zersetzen und sich am Erdmagnetfeld ausrichten.
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<i>10 Flora:</i> Was die Pflanzen betrifft, ist jetzt eine neue Forschungsmethode in. Diese Einschätzung hörte ich von einem amerikanischen Botaniker. Entsprechend dem allgemeinen Trend wird an die Pflanzen beinahe esoterisch heran gegangen. Ein Buch, das ich dazu nennen möchte, heißt <i>Die Intelligenz Der Pflanzen</i> von dem Florentiner Professor Stefano Mancuso. Ein zweites heißt <i>Was Pflanzen Wissen</i> von dem Israelischen Biologen Daniel Chamovitz. Beide sind populärwissenschaftlich. Man darf dabei die ungenannten Leute nicht vergessen, die überall auf der Welt in Forschungsgruppen sitzen und arbeitsteilig helfen.
Ich zitiere Stefano Mancuso, der in seinem Buch <i>Die Pflanzen Und Ihre Rechte</i> Folgendes referiert: „Berühmt ist die erstmals von den deutschen Biologen Ernst Haeckel und Carl Vogt propagierte Geschichte, wonach ausgehend von Darwin das Schicksal Englands von den Katzen abhänge. Da sie Mäuse fraßen, erhöhten sie damit die Überlebenschancen der Hummeln, die den Klee bestäubten, der an die Ochsen verfüttert wurde, die das Fleisch produzierten, das die britischen Seeleute ernährte, was es der britischen Marine - der eigentlichen Machtbasis des Empires - erlaubte, ihre ganze Kraft zu entfalten. Thomas Huxley trieb den Scherz noch weiter, indem er anführte, dass nicht die Katzen, sondern die beharrliche Liebe englischer Spinner zu ihnen die wahre Stärke des Empires repräsentierten.“
Jener gegenwärtige Zweig der Biologie bemüht sich um das Auffinden von Sinnesorganen bei den Pflanzen. Wir möchten gerne glauben, dass es sie gibt. Wir wünschen uns buchstäblich das Ohr an einen Baum hin. Aber wir wissen, dass wir scheitern werden. Das bedeutet indessen nicht, dass akustische Reize vernachlässigt werden dürfen. Wenn verschiedene Baumarten, meinetwegen eine Eiche und eine Weißbuche eine gemeinsame Krone bilden, muss das als Zusammenleben genommen werden. Ein gesamter Wald ist als Koexistenz von Lebewesen zu sehen. Sie kommunizieren mithilfe komplexer chemischer Prozesse über die ineinander verflochtenen Wurzeln. Hier ist die Rolle der Pilze umfassend zu denken. Sie erstrecken sich unterirdisch über riesige Felder. Ich vermute, sie verbinden entfernte Wurzelwerke und transportieren Informationen.
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Damit lande ich erneut bei John Cage. Ich zitiere aus <i>A Year From Monday</i>: „Als Valerie Bettis in den Kinofilmen ankam, wurde sie von jemandem, der sie interviewte, gefragt, wie es sich anfühlte, erfolgreich zu sein? Sie sagte: Was meinen Sie? Ich war immer ein Erfolg.“
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgMZqFtF5ir9XA4HmD8Kb6tF5x1bhGgqiQ14Lo4cr7MO4YI1eUQrTJ-VsKVD8z_7oXnhFvfb-Bo2Zso8mdzeEW7g5He5OUn-7lyQ9amsVMf6zxlITawwAbew6rBBddQfl-evJlGvmsDu-w/s2048/1-erdkru%25CC%2588mmung-cmyk-auf-weiss.tif" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="320" data-original-height="1026" data-original-width="2048" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgMZqFtF5ir9XA4HmD8Kb6tF5x1bhGgqiQ14Lo4cr7MO4YI1eUQrTJ-VsKVD8z_7oXnhFvfb-Bo2Zso8mdzeEW7g5He5OUn-7lyQ9amsVMf6zxlITawwAbew6rBBddQfl-evJlGvmsDu-w/s320/1-erdkru%25CC%2588mmung-cmyk-auf-weiss.tif"/></a></div>
<i>11 Diskurs:</i> Ich kenne im Übrigen auch das einschlägige Buch des Philosophen Emanuele Coccia. Es heißt <i>Die Wurzeln Der Welt</i>. Ich habe darin herum gelesen und es als Geschwurbel abgetan.
Dabei möchte ich Sie auf die Form unseres Diskurses hier an diesem Ort aufmerksam machen – wobei ich mich explizit auf Ruth Geiersberger beziehe, die in diesem Rahmen in Bezug auf Stefano Mancuso eine gegensätzliche Meinung geäußert hat. Sie ist ja sogar nach Florenz gefahren, um ihn zu treffen. Wir sprechen nicht davon, dass etwas so ist oder nicht so ist, dass wir dieses oder jenes zweifelsfrei festgestellt haben, sondern dass wir es auf diese oder jene Weise sehen. Wir erzeugen Bilder.
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Beispielsweise fragte mich ein Freund: „Was ist dein Werk?“ Und ich antwortete: „Ich habe keins.“ Das Werk ist eine Erzählung. So und so habe ich vor geraumer Zeit ein bestimmtes Thema angefasst und dies ist damals dabei heraus gekommen. Aber heute wäre es anders. Im Jahr 1998 gab es beispielsweise eine Radiosendung mit dem Titel <i>Der Stadtimker</i>. Und ich staune heute, wie wenig ich damals zu sagen hatte. Ich habe also kein Köchelverzeichnis. Daher ist der Diskurs lebendig.
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<i>12 Bruder Baum:</i> Da wir sehen, dass separate Forschungszweige existieren und sich flüchtig berühren, die einen bemühen sich beispielsweise um Bienen, die anderen um Pflanzen, dann müssen wir im Grunde abwinken. Denn es gibt keine gelegentlichen Berührungspunkte, sondern es ist eine gemeinsame Welt. Wir stehen sowohl davor, als auch darin und bemühen uns, sie als Ganzes zu sehen. Die Tatsache, dass zahlreiche unterschiedliche Gruppen von Forschern sich in Einzelsträngen um Aufschlüsse bemühen, ändert nichts am sinnlich Tatsächlichen.
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<i>13 Kluge Köpfe:</i> Nun schlage ich einen Haken und gehe zurück auf Los. Ich hoffe, Sie glauben nicht, ich würde Ihnen hier einen Ausweg anbieten. Ich beschreibe eine Sicht. Der Text soll Sie nicht verleiten, Ihr Ohr an ein Stück Wiese zu pressen. In München, im Rosengarten, wo meine Bienen stehen, das muss ich kurz erzählen, gibt es im Frühjahr etwa zur Zeit der Magnolienblüte Spaziergänger, die scheu ins Unterholz huschen und einen Baum umarmen. Manchmal, wenn ich bei den Bienen arbeite, sehe ich dieses Treiben. Ich finde es rührend, ein bisschen armselig vielleicht. Bruder Baum. Es ist eine Geste.
Die Babylonische Sprachverwirrung beziehe ich auf Sinnesorgane und -empfindungen und somit auf den Kommunikationsbereich. Uns Menschen ist das Zuhören abhanden gekommen. Oder wir haben noch nie zugehört. (Letztere ist die These, die mir am ehesten einleuchtet.)
Aber, denkt man gleich, wir hatten doch beispielsweise die Romantik oder die Aufklärung. Ich möchte dem gegenüber stellen: Wir haben <i>uns</i> ausprobiert. Im Laufe von ein paar Tausend Jahren haben wir jeweils neue Brillen aufgesetzt. Uns ging es darum, was wir sehen, wenn wir es auf eine bestimmte Weise anschauen.
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjLVojg1lXmD422HHscxDGmmjpewQPJXe87dF-Fege8jZeotIPToPxYCbLp_h-Xq5JtkqFntH_uUrxHyDrUguFhcHUgbEg3c1FFad7IwhIwmDYkJGtPkwh03E2xB_b-OPDwSvvL1CTUUPI/s1843/girls.tif" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="200" data-original-height="1546" data-original-width="1843" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjLVojg1lXmD422HHscxDGmmjpewQPJXe87dF-Fege8jZeotIPToPxYCbLp_h-Xq5JtkqFntH_uUrxHyDrUguFhcHUgbEg3c1FFad7IwhIwmDYkJGtPkwh03E2xB_b-OPDwSvvL1CTUUPI/s200/girls.tif"/></a></div>
Ich will eine Person erwähnen, die mir wichtig ist: Jonathan Franzen, ein US-amerikanischer Schriftsteller, der Vögel beobachtet und sich anhand dessen, was er sieht, etwas denkt. Er hat dazu eine Reihe Essays verfasst. Der letzte heißt <i>Wann Hören Wir Auf, Uns Etwas Vorzumachen?</i> und er schreibt: „Das Kind ist in den Brunnen gefallen.“ Über die Kommunität der Klimaaktivisten, die jede seiner Äußerungen argusäugig verfolgt und mit shitstorms beantwortet, sagt er: „Die Aktivisten, die so denken, erinnern mich an jene religiösen Führer, die fürchten, dass Menschen sich ohne die Verheißung ewiger Erlösung gar nicht erst um tugendhaftes Verhalten bemühen würden.“
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiGYTsWq_1wGdzR57EegIwiQAF-DA4rzeSTs5_nPADaAOh9I6wsWI3J-wIHR6C4cWj2snmBK7XIelkmnnEb_8nnCFrA-SeyPmSXHdc1mC_zrkBmWW5vLf_NXCnX-tBFNkx82JywpRa0sxg/s1843/girls.tif" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="200" data-original-height="1546" data-original-width="1843" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiGYTsWq_1wGdzR57EegIwiQAF-DA4rzeSTs5_nPADaAOh9I6wsWI3J-wIHR6C4cWj2snmBK7XIelkmnnEb_8nnCFrA-SeyPmSXHdc1mC_zrkBmWW5vLf_NXCnX-tBFNkx82JywpRa0sxg/s200/girls.tif"/></a></div>
Wir arbeiten mit Bildern. Bei der Graswurzelbewegung <i>Fridays For Future</i> geht es mir um das erste und ikonischste: Ein Mädchen sitzt auf der Straße und hat ein von Hand beschriebenes Pappschild neben sich. Greta Thunberg ist als eine Marilyn inszeniert worden.
Ihnen ist bewusst, dass wir uns als Menschheit plus zugehörigem Planet Erde in einer heiklen Situation befinden und das ist die Folge unseres Handelns. Doch wen betrifft unser Handeln? Die Antwort ist vergleichsweise einfach. Von den meisten Lebewesen wissen wir es nicht, da wir sie nicht kennen. Die anderen sind derart widerstandsfähig und zählebig, dass wir uns um sie keine Sorgen machen müssen. Es trifft uns Menschen, zahlreiche der Tiere, die mit uns in Gemeinschaft leben und die meisten der uns bekannten Pflanzen, Bäume, Gräser, Büsche. Grundsätzlich entziehen wir uns die Lebensgrundlage.
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgJ0F_Xpa9_ITrqSITJXFv12ShnQl-ZQKUtzpyh3QwrfkKq9_qRWsKi0QDL85tzdvYEv3hNlJ-b1XHveXdXtLzodetOLl9d21_anGscpHX2zw85xq24dHarGQ6tmX8r0f5UOgZ8NgiPA6M/s1843/girls.tif" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="200" data-original-height="1546" data-original-width="1843" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgJ0F_Xpa9_ITrqSITJXFv12ShnQl-ZQKUtzpyh3QwrfkKq9_qRWsKi0QDL85tzdvYEv3hNlJ-b1XHveXdXtLzodetOLl9d21_anGscpHX2zw85xq24dHarGQ6tmX8r0f5UOgZ8NgiPA6M/s200/girls.tif"/></a></div>
Vor wenigen Jahren konnte man dreimal pro Saison Honig schleudern: Mai, Juni, Juli. Dieses Jahr ging nur Ende Juli die Abschlussschleuderung. Stellen Sie sich vor, es kämen schlimmere Jahre. Die Bienen könnten wegen Kälte und Regen selten ausfliegen oder extreme Hitze würde den Nektar eintrocknen lassen. Bestäubungen fänden nur gelegentlich statt und oft nicht durch Honigbienen. Die Imker müssten im Herbst regelmäßig füttern, gegen Krankheiten behandeln und einwintern. Ohne Gegenleistung. Was vermuten Sie?
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh-RdCTxqO3zLAALjWQCWRgTwXN_u_mq1cwprWO9q7T_E5gJS33FXI3DBnUFdkW22GhrLvGcEzboqq9TgpVHBUfMBe912slDBHO5dLw6TpQisoByxUKBbmV0XzqeW3dl_PXY0n-ZQCkA3I/s1843/girls.tif" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="200" data-original-height="1546" data-original-width="1843" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEh-RdCTxqO3zLAALjWQCWRgTwXN_u_mq1cwprWO9q7T_E5gJS33FXI3DBnUFdkW22GhrLvGcEzboqq9TgpVHBUfMBe912slDBHO5dLw6TpQisoByxUKBbmV0XzqeW3dl_PXY0n-ZQCkA3I/s200/girls.tif"/></a></div>
An dieser Stelle hatte ich eine Abfolge gegenwärtiger Positionen stehen. Die habe ich gestrichen und ersetzt durch einen Satz: Kluge Köpfe tappen in die Falle, indem sie Auswege aufzeigen.
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg_OlMEsk9nuxKXhq5VL6qCLaftW-2lyyp8oOcpB4n-fdba9zjE-EFrOGm0yDCd-wYqIE8HUa2MKigOx-XBI0Q9PSmuc2VvpV9c3m41sPvM6p1bSHIhhiN1zvdPLo6ms9CJIYVi8DFeO3M/s2048/Book+of+Kells-Biene-cmyk-frei.tif" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="320" data-original-height="1026" data-original-width="2048" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg_OlMEsk9nuxKXhq5VL6qCLaftW-2lyyp8oOcpB4n-fdba9zjE-EFrOGm0yDCd-wYqIE8HUa2MKigOx-XBI0Q9PSmuc2VvpV9c3m41sPvM6p1bSHIhhiN1zvdPLo6ms9CJIYVi8DFeO3M/s320/Book+of+Kells-Biene-cmyk-frei.tif"/></a></div>
<i>14 Finale:</i> Zum Schluss kommt noch einmal John Cage zu Wort. Er hat im Jahr 1992 während seines letzten Interviews gesagt: „Ich war mir des Gedankens von Norman O. Brown bewusst, dass wir nun, da wir die Umwelt ruiniert haben, die Atmosphäre für schöne Sonnenuntergänge bereitet haben.“
Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-71210213144218152462017-12-11T13:00:00.002+14:002021-08-24T08:50:59.823+14:00in bocca al lupoVortrag in der Akademie der Bildenen Künste München
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjGSuF-i9I0aIDYZ15-8DNpKnNcQ1iTxtlDJP8ZCxT1vNNxavyKxW1X3FjdAD6iE5cywHwbzONhbXh9vST7SnbmgOuiGwcxqUR8p9AVZK_yVzAccxa6XNBFtek-JuGIZzEWIQsusKY2rKc/s2048/combs+generate+combs-cmyk-frei.tif" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="400" data-original-height="1039" data-original-width="2048" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjGSuF-i9I0aIDYZ15-8DNpKnNcQ1iTxtlDJP8ZCxT1vNNxavyKxW1X3FjdAD6iE5cywHwbzONhbXh9vST7SnbmgOuiGwcxqUR8p9AVZK_yVzAccxa6XNBFtek-JuGIZzEWIQsusKY2rKc/s400/combs+generate+combs-cmyk-frei.tif"/></a></div>
Gegen Ende Juli wurde ich von Katharina Deml angerufen und gefragt, ob ich bereit sei, ungefähr im
Dezember eine Art Vortrag zu halten mit dem Thema, wie es früher an der Akademie gewesen ist,
von der Baracke, dem Garten, der Bienenhaltung, dem Honig, der Herstellung wertvoller Nahrung
und so weiter. Mein Beitrag sollte, wie wir entschieden, auf einen der Gartenarchitektin, die den grünen
Raum im Akademiegelände umgestaltet hat, abgestimmt sein. Die Dame ist nicht mehr eingeladen
oder sie hat abgesagt, das weiß ich nicht. Daher sitzen wir nun ohne sie hier. Weiter befragte ich mich,
ob es für Sie von Bedeutung ist, wenn ich direkt und chronologisch von meinem Leben erzähle. Denn
es sind meine persönlichen Eindrücke und andere sind sicher zu anderen gekommen. Ich wog zwei Formen
gegeneinander ab. Schließlich entschied ich mich für einen Kompromiss. Ich berichte Ihnen ein
wenig von meinem Werdegang, und ich beziehe mich auf die fraglichen Punkte.
Zunächst kurz zum Titel : in bocca al lupo. Das heißt, wenn man es wörtlich übersetzt: im Maul des
Wolfes, und man könnte sich fürchten. Ein italienischer Bildhauer, der nicht Deutsch spricht, sagt mir
das zu Einladungen, die ich ihm schicke. Er meint damit in etwa: viel Glück oder Hals- und Beinbruch.
Doch es ist, wie mir eine Italienerin erklärte, entgegen der deutschen Logik die Bezeichnung für den sichersten
Ort der Welt. Denn wo könnte man sich besser beschützt fühlen als dort?
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgWkX_WHQEN3dZtQzXcKzyT6BV5yIy0rm3GSa9AfuZ6edxWD8bv5kMZNmka04VFqBsq4MzbEkwkD5STnCmV_GEM4tp2ndH2r04MXtdw-E49mx05Xw0hLzWcmXZwMXz4NFQCmVmpHLrjuqs/s1528/DanielSpoerri_3+1.tif" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" height="400" data-original-height="1528" data-original-width="1315" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgWkX_WHQEN3dZtQzXcKzyT6BV5yIy0rm3GSa9AfuZ6edxWD8bv5kMZNmka04VFqBsq4MzbEkwkD5STnCmV_GEM4tp2ndH2r04MXtdw-E49mx05Xw0hLzWcmXZwMXz4NFQCmVmpHLrjuqs/s400/DanielSpoerri_3+1.tif"/></a></div>
Ich hole weit aus. Anfangen möchte ich mit dem Berufsgrundschuljahr Schreiner, das ich vor der
Akademie absolvierte, in der festen Absicht, entweder Schreiner oder Treppenbauer zu werden. Zu
Beginn der Lehrzeit sucht man sich eine Lehrstelle, in der man nach dem Ende dieses ersten, schulischen
Jahres arbeitet. Diesen Platz hatte ich bei einem Schreiner, Bauschreiner und Treppenbauer gefunden.
Ich verwendete es später als die neun Monate Praktikum, die man an der Akademie vorausgehend
absolviert haben muss. Die Werkstatt, die ich erspäht hatte, liegt in Ammerland am Starnberger
See. Die Lehrzeit hatte ich mir dadurch traumhaft vorgestellt. Zunächst wollte ich nicht Künstler
werden. Oder ich wusste nicht, dass ich es wollte. Damals, während dieses ersten Jahres, wohnte ich
in Wolfratshausen. Hinter dem Wohnhaus ging es gleich den mit Buchen bestandenen Berg hinauf.
Dort war ich während der freien Wochenenden unterwegs und baute aus Ziegelsteinen, die ich von
Baustellen geklaut hatte, kleine Brennöfen. (Es ist ein Witz, wenn behauptet wird, in Wäldern dürfe
man keine Feuer machen, es bestünde Waldbrandgefahr.) Von diesen winzigen Meilern aus Ziegeln
knipste ich eine Reihe Fotos. Manchmal brannte ich auch modellierte Tonklumpen darin.
Am Ende des Berufsgrundschuljahres ging ich erneut zu der Lehrstelle, um mich quasi zurückzumelden.
Der Meister teilte mir aber mit, mit Scham im Gesicht, dass er die Stelle dem Sohn des
Bruders habe abtreten müssen. Nun stand ich da und hatte nichts außer einem Mann, der um Worte
rang und dem es Leid tat. Natürlich versuchte ich mit aller Kraft, eine neue Stelle zu finden, kam
auch mehr schlecht als recht irgendwo unter, aber der Traum war zerplatzt. Daher dachte ich, da ohnehin
alles wurscht war, könne ich mich auch an der Akademie bewerben.
Dort war es Usus, in einer Mappe geordnet, seine Bewerbungsunterlagen vorzulegen, und sich für
zwei Professoren zu entscheiden. Denn wurde man vom einen nicht genommen, konnte man vielleicht
zum anderen. Das hielt ich nicht so. Ich pfefferte die paar Fotos von den Brennöfen und einige
ziemlich schlechte Zeichnungen in eine alte Mappe, die mir aus der Schulzeit geblieben war. Die
Mappe hatte sogar einem anderen gehört, einem Freund von mir, dessen Namen strich ich provisorisch
durch und setzte meinen dagegen hin. Und ich schrieb nur einen weiteren Namen drauf, nämlich
den des Professors, den ich kannte. Alles andere war mir zu blöd, und ich war der Akademie
gegenüber zu gleichgültig, um mich näher zu informieren. Im Übrigen hatte ich einige Schüler von
Professor Heribert Sturm und ihn selbst bereits auf einer Klassenfahrt nach Italien begleitet. Warum
nicht gleich er?, fragte ich mich.
Danach wurde ich zu einem Gespräch in sein Atelier im Keller des Haupthauses bestellt. Dort sprachen
wir über dies und das, unter anderem, dass ich geraume Zeit im Hunsrück gelebt hatte und einmal
pro Woche nach Düsseldorf getrampt war, um die ehemalige Klasse Beuys in Raum drei der
dortigen Akademie zu besuchen. Dort fand wöchentlich ein sogenanntes Ringgespräch statt, das Johannes
Stüttgen leitete. Von diesem Umstand zeigte sich Heribert Sturm beeindruckt. Die Öfen fand
er ebenfalls großartig. Nur die Zeichnungen, die, wie gesagt, schaurig waren, ließen wir außer acht.
Der Bauch von Heribert wölbte sich weit vor, sein Bart und seine Haare standen ihm ungeheuer
vom Kopf ab wie einem Waldschrat. Er saß vorn auf der Stuhlkante, da er nicht groß war, und seine
Oberschenkel wiesen leicht nach unten. Er hatte also meine Mappe dort liegen und auf einmal
rutschte alles fort und klatschte auf den Boden. Worauf wir lachten. Im Nachhinein glaube ich, dass
dies der Augenblick war, an dem er entschied, mich in seine Klasse auf zu nehmen. Er sagte mir
auch mehr oder weniger gleich zu. Ich wurde auch nicht gefragt, wie ein Freund von mir, warum
ich Künstler werden wolle. Auf diese Weise, ohne es gewollt zu haben, landete ich an der Akademie.
Die Akademiezeit dauerte von den Jahren 1987 bis 1994.
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEizFQSAG-PPw2lGIlC-We2eHaGglqm6iUO4i3MZneO8rT2iXdk7QtIkOB6VBw4yR6Dy-aYcmYFDIrc8scuRUfpCsNAyI5dpeckOVXda14tYpKtGJVPTj7LHi7m4g-m4A4UBQhEpWoKof_A/s1308/Bernstein-cmyk-frei-kl.tif" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" height="200" data-original-height="1308" data-original-width="945" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEizFQSAG-PPw2lGIlC-We2eHaGglqm6iUO4i3MZneO8rT2iXdk7QtIkOB6VBw4yR6Dy-aYcmYFDIrc8scuRUfpCsNAyI5dpeckOVXda14tYpKtGJVPTj7LHi7m4g-m4A4UBQhEpWoKof_A/s200/Bernstein-cmyk-frei-kl.tif"/></a></div>
Dort wusste ich während der ersten beiden Jahre kaum, was zu tun war. Es dauert meistens ein oder
eineinhalb Jahre, bis man sich fängt. Im ersten Herbst, als erste Tat, pflanzte ich mit einem Kollegen
einen Kirschbaum im Barackengarten. Bäume hatte ich bereits gepflanzt und wusste, wie das ging.
Ich fuhr in eine Gärtnerei und kaufte einen auf Hochschnitt getrimmten Baum, der gepfropft war
und etwa einen Meter achtzig maß. Über den nächsten Sommer hin mickerte das Bäumchen und im
kommenden Herbst war es eingegangen. Das gab mir eine erste Information über die mögliche Bodenbeschaffenheit.
Ansonsten besuchte ich Klassenbesprechungen und fragte mich, was dort besprochen wurde. Dann
ging ich in andere Klassen. Beispielsweise versäumte ich kaum eine Besprechung in der Klasse
Spoerri. Dort wurden, wie Beuys es ausgedrückt hatte, Namen und Begriffe genannt. Das heißt
nicht, dass ich den Diskussionen ganz folgen konnte oder wirklich verstand, warum die eine Arbeit
besser war und es der anderen an etwas mangelte. Wahrscheinlich hätte ich in diese Klasse gewechselt,
wenn nur Spoerri länger an der Akademie geblieben wäre. Aber das war nicht der Fall. Also
ging ich wieder hinunter in die Baracke und versuchte, ein Anliegen zu finden. Denn darum geht es
letztlich und das ist das Schwerste.
Die Baracke hatte eine U-Form. Ich weiß nicht, seit wann unsere Baracke bestand, vielleicht hatte
man nach dem Zweiten Weltkrieg eine Menge zerbombte Dachstühle abgerissen und sie auf diese
Weise einer neuen Verwendung zugeführt. Das habe ich aber nie geprüft. Manchmal werde ich von
einem Historiker gefragt, ob sie ursprünglich für Kriegsflüchtlinge errichtet worden war. Das kann
ich nicht beantworten. Unsere Klasse war in einem der langen Streifen untergebracht, im anderen
die der Klasse Dengler. Dazwischen waren der Akademieladen voller Leinwände, Farben und Pinsel,
dazu Klassenräume der Denglers. Drüben wurde gemalt, weshalb wir mit ihnen nicht allzu viel
zu tun hatten. Uns nannte man die Tonbatzler. Es war schon so, dass man vom Haupthaus ein wenig
abschätzig auf uns herab sah, als liefen die dort oben mit einem goldenen Zahnstocher im Mund
herum und wir wären die Erdnuckel. Dabei war es genau genommen umgekehrt. Wir hatten viel
mehr Platz als die, da die Baracke in lauter kleine Zimmer unterteilt war. Wir hatten etwa 10 Räume.
Außerdem, wie gesagt, hatten wir den Garten vor der Tür.
Unsere Besprechungen fanden häufig in unserem größten Raum statt. Er war nach oben offen und
man sah das Gebälk. Heribert, der während der Sechziger Jahre bei Heiner Kirchner studiert hatte, erzählte
eines Tages, dass dieser Raum die ehemalige Mensa gewesen sei, durch eine Luke, die noch
vorhanden war, sei das Essen ausgegeben worden. Schon damals übrigens hieß es mindestens einmal
pro Jahr, die Baracke werde abgerissen. Das geschah letztlich aber erst Ende des Jahrhunderts.
Die Baracke, mehr noch als die Akademie damals, gestattete einem Studenten so ziemlich alles.
Einmal beispielsweise hatte ich in einem Container ein dreiteiliges Fenster gefunden, das größer
war, als das in meinem Raum. Folglich fischte ich es heraus, lagerte es ein und wartete das Wochenende
ab. Dann nahm ich die große Klassenflex und schnitt damit einen vergrößerten Fensterausschnitt.
Das alte Fenster fiel mir entgegen und ich entsorgte es in demselben Container. Das neue
setzte ich ein und putzte es mit Zement fest. Außerdem fügte ich außen noch ein kleines, schräges
Fensterbrett aus Schnellzement hinzu. Montag vormittags standen prompt drei Hausmeister draußen
im Garten und sagten, das Fenster sei doch neu, es sei auch größer als die anderen und so weiter. Ich
ging hinaus, stellte mich dazu und schaute interessiert. Dann behauptete ich, das sei schon lange so,
ich sei seit Jahren hier und nichts habe sich verändert. Sie murrten und schoben ab. Später mauerte
ich mein Zimmer zu, da es zu einem anderen hin offen war, setzte einen Rahmen und hängte eine
Tür ein. Die konnte ich abschließen. Auch bestimmte Nischen ließen sich sägen, wenn man wollte.
Michael Krause, den manche kennen, hatte in seinem Raum einen Teil des Bodens heraus gerissen.
Es waren ohnehin nur einfache, etwas dickere Fichtenbretter. Anschließend hatte er gegraben,
soweit er gekommen war. Dank Michael Krause erhaschte ich einen Blick auf das Fundament. Es
bestand aus Betonträgern, die quer zum Haus in die Erde gesteckt waren. Die Baracke lag um etwa
drei Treppenstufen erhöht. Die Bausubstanz erklärte ich mir so, dass man irgendwelchen Bauschutt
grob gehäkselt und mit magerem Zement gemischt hatte.
Buckminster Fuller, der berühmte amerikanische Erfinder und Architekten, hatte 1922 als junger
Mann mit seinem Schwiegervater eine Baufirma gegründet. Sie bauten ein paar hundert Häuser, die
sich völlig glichen und stockade hießen, was in etwa Palisadenzaun bedeutet. Sie bestanden aus
Leichtbausteinen aus Stroh, die mit Zement gemischt waren. Die Häuser der Stockade Building
Corporation bestanden aus einem ähnlichen Prinzip, nur dass dort, fast wie aus Tuffstein geschnitten,
große Blöcke zuerst gegossen und dann versetzt gemauert waren und vielleicht alle achtzig
Zentimeter ein rundes, senkrechtes Loch freigaben, quasi eine Stange in der Wand. Da hinein wurden
anschließend Betonstützen gegossen. Das Stroh isolierte und die Betonstangen waren für die
Armierung zuständig. Auch die Stockade Buildings lagen etwas erhöht. Fuller unterrichtete später
mit Cage, Tudor, Albers, de Kooning und all den anderen Helden am Black Mountain Collage.
Unmittelbar nachdem ich an die Akademie gekommen war, fand das Examen für die Abgänger statt. Einer
hatte in einem unserer Räume einen Haufen schwarzen Gießereisand ausgebreitet und darin irgendwelche
Kanäle geformt. Im Garten davor schmolz er Aluminium. Er musste dazu ein mächtiges Kohlenfeuer
unterhalten, denn Aluminium schmilzt erst bei etwa 650° C. Er goss es auf den Sand. Allerdings
verschätzte er sich, es floss seitlich aus und setzte den Holzboden in Brand. Es gab große Aufregung, da
er fast die Baracke abfackelte. Aber schließlich war ein Feuerlöscher zur Hand. Wir hingegen hatten dafür
jahrelang mit dem feinen, beharrlichen Löschstaub zu kämpfen. Im Haupthaus verwirklichte der Pyromane
ebenfalls eine Gussplastik, allerdings aus Blei. Er flexte zwei senkrechte Schnitte in die Wand,
und es fiel ein drei kantiges Stück, das sich nach unten verjüngte, heraus. Und er setzte ein längliches
Aluprofil hochkant davor, es sollte so etwas wie eine stehende, vierkantige Figur zeigen.
Oben auf den Zimmerchen der Baracke, die etwa Zweimeterfünfzig hoch waren, saß ein vergleichsweise
spitzes Dach, dessen Gerüst aus dünnen Fichtensparren gezimmert war. Mittig konnte man
stehen, aber seitlich verlief kein Kniestock. Man gelangte über eine Treppe hinauf, allerdings versperrte
oben eine abgeschlossene Tür den Zugang. Wir mussten erst jemandem den Schlüssel abluchsen.
Ich kann mich aber nicht erinnern, wer das war. Der Speicher, wie wir schnell heraus fanden,
taugte, um alte Plastiken zu verklappen.
Die Firma Schwegler, das als Einschub, stellt unter anderem Hummelkästen her. Sie führen für fast
alle Tiere, die im Freien leben, für Spechte, Hornissen, Igel, und so weiter, Behausungen. Die alle
bestehen aus sogenanntem Holzbeton. Tatsächlich wird da feuchtes, sehr fein gehäkseltes Holz mit
Zement vermischt und in eine Form gepresst. Von Gießerei kann man nicht mehr sprechen, sonst
hätte ich es längst aufgegriffen. Oben auf dem Korpus liegt ein schwerer Deckel und innen, knapp
unterm Rand läuft ein Absatz, in den man ein Brett legt, um die Temperatur im Sommer zu regulieren.
Das Material ist aber kalt und schwer und unangenehm anzufassen. Da Hummeln nur Sommervölker
bilden und in Kuhlen von Sägespänen leben, finde ich es einigermaßen tragbar. Bienen würde
ich darin nicht überwintern wollen.
In Bezug auf unseren Garten gab es übrigens einen Unterschied zum restlichen Akademiegarten.
Die Hausmeister betraten ihn so gut wie nie. Er war unser Reich und wir machten dort, was uns
passte. Der Rest interessierte uns nicht. Ich trieb mich manchmal im Restgarten herum, konnte aber
für die offensichtliche Idylle nur mäßige Begeisterung aufbringen. Hinten lag das Haus, wo Robin
Page, den alle Käpt´n Blaubart nannten, mit seiner Frau und seinen zahlreichen, riesigen, schwarzen
Hunden wohnte. Ich glaube, es waren Neufundländer. Einmal sah ich ihn an der Einfahrt von der
Akademiestraße her, innen am geschlossenen Tor, und er lungerte mit diesen langhaarigen, friedlichen
Monstern herum, die überall hinschissen. Es gab da seitlich ein Fußgängertor und er bat mich
in Zeichensprache, hindurch zu huschen und das Tor schnell hinter mir zu schließen. Er zuckte entschuldigend
mit den Schultern und sagte: „Walking the dogs.“
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhycIIpWV0M32UuJNgQC_wRz4PmLBANgx83gc-FsG9rLfJ5W-ZU0zfSrxYt0MuAZXOJG7C-sVaaJ9N6Yd_5HSNdYwqtm0XgXvXQSKPP96s71rw3LAzuBMVTmAqAhs-XrXzv2umPHiNzMnM/s627/Honigglas+Blumenetikett+3-cmyk-frei.tif" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" height="400" data-original-height="627" data-original-width="485" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhycIIpWV0M32UuJNgQC_wRz4PmLBANgx83gc-FsG9rLfJ5W-ZU0zfSrxYt0MuAZXOJG7C-sVaaJ9N6Yd_5HSNdYwqtm0XgXvXQSKPP96s71rw3LAzuBMVTmAqAhs-XrXzv2umPHiNzMnM/s400/Honigglas+Blumenetikett+3-cmyk-frei.tif"/></a></div>
Die Bäume des Hauptgartens waren schön, der winzige Teich vor der Kunststoffwerkstatt war künstlich,
er mutete asiatisch an und er vermooste zunehmend. Hinter dem Teich lag ein dichtes Gebüsch.
Darin hatte geraume Zeit vor mir jemand Bienen gehalten. Das sagte Franz. Franz war Franz Wagner,
einer der Hausmeister. Er wurde mir im Lauf der Zeit ein hoch geschätzter Freund, und von ihm bekam
ich schließlich meine ersten Bienen. Wirklich schön fand ich die große Fläche der Blausterne jedes
Jahr Anfang April. Das sind etwa zwölf Zentimeter hohe, tiefblaue Blümchen mit Blütentrauben.
Sie lieben feuchten Boden und ihre Samen werden durch Ameisen verschleppt. Die Fläche erstreckte
sich über die leicht geschwungene Wiese zur Leopoldstraße hin.
Unseren sogenannten Privatgarten gruben wir ständig um, man musste höllisch aufpassen, dass man
nicht plötzlich in ein zugewuchertes Loch fiel. An der Mauer zum Hauptraum breitete sich Herkuleskraut
aus. Das ist ein mannshohes, giftiges Doldengewächs, mit kreisrunden, weißen Blütenflächen,
so groß wie ein Panamahut, die aus lauter kleinen Einzelblüten bestehen. Es bietet eine hervorragende
Nahrung für Bienen. Es wird nicht gern gesehen, aber wir taten natürlich einen Teufel
und ließen es beliebig wuchern.
Eines Abends nach einer Jahresausstellung veranstaltete unsere Klasse ein großes Fest. Ein früherer
Student hatte einen vier Meter breiten Krater gegraben und den Aushub als Rand aufgeschüttet.
Obenauf hatte er ein provisorisches Dach gesetzt. Es bestand aus drahtenen Seilzügen, die dünne,
breite Bretter aus Tropenholz, etwas dicker als Furnier, zu einer provisorischen Kuppel spannten.
Diese mangelhafte Plastik ging mir vom ersten Tag an auf die Nerven. Während des Festes machten
wir ein kleines Feuer am Grund des Aushubs. Dann entschieden ein Freund und ich, dass es genug
sei mit der Kleinkrämerei, wir hoben das Dach an, drehen es um und legten es in den Krater. Kurz
danach fing es Feuer und eine Stichflamme schoss empor. Daraufhin wieder riefen Bewohner der
Türkenstraße die Feuerwehr. Die rückte mit Blaulicht und fünf Löschzügen an. Das Tor war aber
verschlossen und sie kamen nicht in den Garten. Daher rannten sie panisch draußen herum und kletterten
schließlich von der Türkenstraße her über den Zaun, der nach oben hin ja Spitzen hat. Sie zo -
gen einen endlos langen Schlauch hinter sich her, und suchten festen Tritt entlang der Böschung zum
Krater hinauf. Das Feuer war da längst herunter gebrannt. Dann gaben sie „Wasser Marsch“ und hielten
sich am Schlauch fest wie die „Sieben Schwaben“. Sie standen da mindestens eine halbe Stunde,
das Feuer war dreimal ertränkt, aber sie pullerten weiter und ließen den ganzen Aushub voll laufen.
In einem Spätsommer, wurde der alte Häuserblock an der Panzerwiese, wo ich damals wohnte, abgerissen.
Ich hatte vereinbart, in eine Wohnung in der Lothringer Straße ziehen zu können. Doch
das Zimmer dort sollte erst vier Monate später frei werden. Da beschloss ich, es eben mit den Eltern,
die ich jahrelang gemieden hatte, noch einmal zu versuchen. Doch nach zwei Tagen hatte ich
bereits genug und schlief auf einem aufklappbaren Feldbett in der Akademie. Erst blieb ich im Garten,
dann, als es kalt wurde, ging ich in meinen Raum. Das wurde eine seltsame Erfahrung. Denn
die Akademie damals war eine Insel mitten in der Stadt. Dort zu schlafen, dann morgens in die Cafeteria
zu tappen, um den ersten Caffé zu schlürfen, dann vielleicht mittags dort zu essen und
abends dort zu saufen, ließ einen binnen einer Woche den Bezug zur Realität verlieren. Wenn ich
nicht bei Freunden auf der Couch schlafen konnte, saß ich in der Akademie fest, und nach vier Monaten
reichte es mir ziemlich.
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Zu unserem Garten fällt mir noch eine Menge ein. Die Klasse Dengler beispielsweise hatte dort nur
einen winzigen Platz entlang ihrer Klassenräume für sich beansprucht und ein Gemüsebeet angelegt.
Es wuchsen Salatköpfe und Karotten und ein paar Kräuter. Ich stand diesen Beeten kritisch gegenüber.
Der Boden, schien mir, war verdorben und ich hätte nichts davon gegessen, vor allem nicht
Salat. Übrigens ist so ein Projekt in diesem Jahr im Rosengarten am Schyrenbad, wo seit 20 Jahren
meine Bienen stehen, zu Ende gegangen. Man hatte Nutzern je zwei Quadratmeter für einen Sommer
vermietet. Dann stellte sich jedoch heraus, vor kurzem erst, dass dieser Boden, der zuvor zum
Abfallwirtschaftsamt gehört hatte, kontaminiert ist. Seither ließen die Leute, die zuvor eifrige Esser
gewesen waren, ihr Gemüse und ihre Kräuter ausblühen. So stelle ich mir auch den Kräuteranbau
im Akademiegarten vor. Man muss erst den Boden prüfen. Anders ist es bei bestimmten Formen des
Guerilla-Gardenings, bei dem man nur Pflanzensamen über Zäune streut ohne den Wunsch, die Saat
zu essen. Ein Freund hatte Schlafmohn kultiviert und dessen Samen geerntet und wir warfen ihn in
allerlei bürgerliche Gärten, wo er aufging und seine schönen Blüten entfaltete. Ein anderer Freund
war Bauer oben im Hunsrück bei Idar-Oberstein, der alten Steinschleiferstadt. Er legte jedes Jahr
große Maisfelder an und ließ in deren Mitte runde Flächen frei, auf denen er Gras anbaute. Das
rauchten wir dann. Sein Ackerland hatte früher als Abraum für nicht nutzbare Edelsteine gedient.
Man hatte das Zeug einfach dort hin gekippt. Gelegentlich pflügte er beispielsweise einen brasilianischen
Rauchtopas auf und ohnehin alle Arten von billigen Kristallen, Zitrite, Rosenquarze, Amethyste
und so weiter. Er sammelte sie auf seinem Fensterbrett.
Edgar Stein, auch aus der Klasse Dengler, mit dem ich später in Straubing im ehemaligen Schlachthof,
viel zusammen saß, hatte im Barackengarten seine Boote gelagert. Er flexte dazu Öltanks auseinander
und kalfaterte sie. Dann transportierte er sie nach Straubing, wo die Donau fließt. Er schraubte einen
Außenborder dran, ließ sie zu Wasser und kurvte herum. Sozusagen als Fortsetzung schweißte er sich
aus gebogenen Stahlstangen runde Steuerräder, die über Seilzüge den Außenborder bewegten.
Im Barackengarten reparierte ich mehrfach mein Auto, einen roten R4. Ich bockte den Wagen mit
Ziegelsteinen hoch auf, dann kroch ich darunter und wechselte beispielsweise die Bremsbeläge oder
setzte eine neue Kupplung ein. Einmal schlenderte Stefan Lehnerer vorbei, der zu den ersten Studenten
in unserer Klasse gehört hatte und damals so etwas wie ein Mythos war. Vielleicht war er
auch kein Mythos, aber eine Besonderheit. Er bemerkte, das Auto im Garten sei die beste Plastik.
Damals war ich längst in der Bildhauerei angekommen und dachte: „Vor so schnell hingeworfenen
Bemerkungen muss man sich hüten.“ Überhaupt aber fuhr ich öfters mit dem Auto in unseren Garten
hinein. Es gab eine Auffahrt und man musste sich, hinter den Abfallcontainern vorbei, durch den
üppigen Bewuchs hindurch schlängeln und die vielen Löcher im Boden und die Eisenstücke, die
scharfkantig heraus ragten, umkurven. Gelegentlich lieferte ich Sand oder Kiesel von der Kippe in
Riem an. Der Wagen war ausgelegt für etwa 300 kg Zuladung und ich beförderte mindestens 600
kg. Dadurch ragte der Kühler des Wagens hoch wie bei einem Rolls Royce. Die Ladung schaufelten
wir durchs Fenster in den großen Raum.
In unserer Klasse wurde zunächst viel in Ton gearbeitet. Auch ich hatte damit begonnen, bis ich fest -
stellte, dass das nichts für mich war. Die nächste Generation der Studenten entdeckte das Gießen. Es
gab natürlich Übergangsgenerationen. Ich glaube, ich gehörte zur zweiten oder zweieinhalbten. Das
Gießen wurde für mich das Eigentliche. Vor allem im ehemaligen Schlachthof in Straubing, der offiziell
eine Dependance der Akademie sein sollte, aber eigentlich unserer Klasse gehörte, gossen wir
wie die Wilden. Die Palette reichte von Gips und Zement über verschiedene Wachse zu Schwefel zu
Blei, Zinn, Zink und Aluminium bis hin zu Eisen. In Straubing bauten wir tatsächlich einen Kupolofen,
einen professionellen Eisengussofen, den wir mehrmals benutzten. Nur Bronze ließen wir aus.
Es ist ein überfrachtetes, traditionsbehaftetes Material. In Straubing saßen wir abends oft zu dritt oder
viert in der Küche, kochten und soffen uns grandiose Räusche an.
Übrigens unterhielten wir enge Beziehungen zur Klasse Kornbrust. Viele meiner Freunde studierten
bei ihm.
Vor Kurzem habe ich gelesen, dass Heiner Kirchner, der Professor meines Professors, zunächst die
Gusswerkstatt geleitet hatte und dann in den Rang eines Professors erhoben worden war. Beim
Bronzeguss hatte er das uralte Wachsausschmelzverfahren neu entdeckt. Seltsamerweise hatte ich
Heiner Kirchner kennengelernt, als ich etwa 18 Jahre alt gewesen war. Damals wusste ich noch
nichts. Ich zeichnete wohl viel, aber das war auch alles. Heiner Kirchner war damals bereits ein alter
Mann, der in seiner Werkstatt stand und freundlich mit mir sprach. Später bekam ich aus seinem
Nachlass einige Bände der frühen bienenkundlichen Werke von Enoch Zander, einem berühmten
Bienenforscher aus den Zwanziger- bis Fünfzigerjahren geschenkt.
Im Laufe meines Studiums neigte ich mich dem Thema Bienen zu. Bei den Bienen ist der Standort
Stadt übrigens anders, da die Pflanzen gute Filtereigenschaften besitzen und beispielsweise die Schwermetalle
nicht bis in den Nektar gelangen, schon gar nicht bei den Bäumen. Daher kann man in der Stadt
biologisch imkern, wenn man seine Bienen so aufstellt, dass die Abgasschwaden der Autos nicht ins
Flugloch dringen. Dafür habe ich immer gesorgt, wenngleich anfangs unbewusst. Mit Neonicotinoiden
und Glyphosat, die auf die Pflanzen zugeschnitten sind, muss man sich nicht herum schlagen.
Der vorhin erwähnte Franz Wagner war Rumäniendeutscher und hatte zuhause 400 Völker im Nebenberuf
gehalten. Franz war Gießermeister in einer Eisengießerei in Temeswar gewesen. Er half Emmy
Di SanCarlo in der Cafeteria oder stand bei Festen im Ausschank. Dort traf man dann regelmäßig
mich ebenfalls an, da ich ihm Löcher in den Bauch fragte. Er hatte einen kleinen Bienenstand im
Schweizerholz, außerhalb der nördlichen Autobahnumfahrung, links von der Fortsetzung der Leopoldstraße,
nicht weit von der Schleißheimer Flugwerft. Emmy war damals die Pächterin der Cafeteria und
wohnte in Hochmutting. Sie half gelegentlich am Bienenstand, wenn es ums Schleudern ging. Ansonsten
blieb sie fern. Die beiden besaßen die Bienen gemeinsam oder zumindest teilweise gemeinsam.
Was Franz und sie verband, blieb mir verborgen. Das Bienenhaus lag mitten im Wald und war von einem
hohen Zaun umgeben. Dort standen 25 bis 30 Völker. Franz wurstelte ständig herum und strich
jedes einzelne Stück Fläche mit hellbrauner Abtönfarbe. Mir war er ein geduldiger, aber unnachgiebiger
Lehrer. Er war für jemanden wie mich, der dauernd alles hinterfragt, das Beste, was mir passieren
konnte. Er veranlasste, dass mir von den Hausmeistern das kleine, aufklappbare Bienenhäuschen, das
im Akademiegarten im Gebüsch hinter dem Teich gestanden hatte, in den Barackengarten getragen
wurde. Eines Abends im Jahr 1992 fuhren Franz und ich zu seinen Bienen hinaus und er verkaufte mir
drei Völker, die wir in die Stadt herein schafften. Das war dann der Anfang einer ganz neuen Zeit.
Denn die Bienen treten in ein Leben wie ein großes Haustier, wie ein Pferd vielleicht. Es gibt ein wunderbares
Foto, das ein Freund gemacht hat, der damals mit Architekturfotografie sein Geld verdiente.
Man sieht meine Bienenkästen, das Häuschen, die Baracke und das Akademiegebäude, lauter unterschiedliche
Formen. Dazu erkennt man das vorhin erwähnte Herkuleskraut.
Anfangs erntete ich natürlich wenig Honig. Ich gewöhnte mir zudem an, jeden überschüssigen Honig
in Eimern unters Bett zu schieben. Später eröffnete ich im Keller ein zweites Lager. Ich wusste
einfach nicht, wohin damit. Nach Jahren begann der Verkauf in größerem Umfang. Im Grunde hielt
ich die Bienen um der Bienen willen. Sie lagen mir am Herzen. Den Honig sah ich als die Nebensache,
der man eben nicht entgeht. Den Nutzen des Honigs verstand ich erst spät, nicht den gesundheitlichen,
sondern denjenigen, ein Botschafter zu sein. Menschen, die den Honig meiner Bienen
essen, entwerfen sich ein Bild, sie besuchen den Bienenstand, sie interessieren sich, schneiden Zeitungsartikel
aus, in denen es ums Bienensterben geht, sie verfolgen aufmerksam jede Nachricht. Ich
bekomme häufig Mitteilungen, wann das nächste Imkertreffen ist, wann ein Film im Fernsehen gezeigt
wird und ich werde über neue Erfindungen informiert.
Katharina bat mich, ein paar Worte über den Stadthonig als Nahrungsmittel zu sprechen. Allerdings
bin ich dazu nicht der Richtige. Man weiß, dass Bienenprodukte auf der Grenze zu Stoffen mit Heilwirkung
liegen. Insbesondere Propolistinktur, die ich für den privaten Gebrauch anfertige, half mir
letzten Sommer, eine tiefe Wunde im großen Zeh meiner Tochter zu behandeln. Manche lutschen
Propoliskügelchen beim ersten Anflug einer Erkältung, denn es ist ja dessen antibiotische Wirkung
bekannt. Die Verwundeten (ich vermute) des Zweiten Weltkriegs bekamen Umschläge mit Zucker
oder Honig.
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg6NxKaItJvYGi_BXr1r1OkYC2jyHOmb-ObPWAlWDpYAi0JHYNf1pBDt3obZKUHgCR0HAPxHOi2RZj0Y1ZwptlAos4j0P7Bde5eDCt2SSRpwz9uDatxHyPIP01-WutCSatdYJBgzD1d0vY/s556/Tresorhonig-von-den-Kraftwerkbienen-cmyk.tif" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" height="320" data-original-height="556" data-original-width="547" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEg6NxKaItJvYGi_BXr1r1OkYC2jyHOmb-ObPWAlWDpYAi0JHYNf1pBDt3obZKUHgCR0HAPxHOi2RZj0Y1ZwptlAos4j0P7Bde5eDCt2SSRpwz9uDatxHyPIP01-WutCSatdYJBgzD1d0vY/s320/Tresorhonig-von-den-Kraftwerkbienen-cmyk.tif"/></a></div>
Inzwischen, ganz neu und ziemlich teuer, gibt es ein Honigkochbuch. Das geht in Richtung Kochkultur
und Esskultur, und ich war versucht, es zu kaufen und hier Rezepte vorzulesen. Ich kann nur
sagen, es fällt mir schwer, den Honig als reines Nahrungs- und Genussmittel aufzufassen, etwas,
das morgens auf dem Frühstückstisch steht. Für mich ist Honig nach wie vor ein Kundschafter. Er
berichtet den Käufern von den Bienen und den Pflanzen, allgemein von den Naturzusammenhängen
und von den klimatischen Veränderungen.
Zu den Anpflanzungen rund um die Städte habe ich eine unklare Meinung, die mal in die eine, dann
in die andere Richtung ausschlägt. Mir entgeht natürlich nicht, wie viele Imker und streitbare Leute,
die an der Erhaltung der Naturzusammenhänge interessiert sind, der Bund Naturschutz und Naturkundler
und so weiter sich gegen Neonicotinoide und Glyphosat wenden. Diese Stoffe werden von
den großen Düngemittelkonzernen nach wie vor hergestellt. Manchmal geschehen Unfälle wie im
Jahr 2008 in der Oberrheinebene. Ich berichte das jetzt nicht im Einzelnen, aber es starben dabei aufgrund
eines Fehlers, den ein großer Konzern begangen hatte, etliche 10.000 Bienenvölker. Das ganze
Gefecht ähnelt einem Kampf von Titanen. Sehr vereinfacht will ich es so beschreiben: Die einen sind
viele, die anderen haben das Geld. Manchmal erringt die eine Partei einen Sieg, manchmal die andere.
Ich bin nicht auf dem Laufenden, wo der Streit gerade steht. Ich bin auch kein Prophet, sondern
Künstler. Ich bin nicht einmal jemand, der über das künstlerische Projekt hinaus einen großen Entwurf
in den Raum stellen kann. Mir fiel jedoch auf, dass auf dem Land bestimmte Gebiete mit außergewöhnlichen
Pflanzen, die wertvollen Nektar liefern, bestanden sind. Es gibt die Lüneburger Heide
samt einer eigenen Bienenrasse und Heidehonig, den Pfälzer Wald mit Esskastanienhonig, den Weg
nach Murnau hinaus mit überdüngten Wiesen, die einmal im Jahr knallgelb voller Löwenzahn blühen.
Ich kenne das Gebiet westlich von Frankfurt, die Hänge hinab ins Rheintal, jene Anbaufläche,
worauf Eckes Edelkirsch seine Pranke gelegt hat. Dort wachsen haufenweise Kirschbäume, dazu
Zierobst. In Kalabrien und Sizilien fand ich Orangen- und Zitronenplantagen, dazu einen großblütigen,
sehr roten Klee, der auf Sizilien sulla heißt und wahrscheinlich Inkarnatklee ist. Er wird als Futter
verwendet. Im Mittelmeerraum, vor allem aber auf Sardinien und Elba gibt es größere Bestände
des Corbezzolo-Strauches, der im Winter blüht und hier missverständlich Erdbeerbaum heißt. In Ungarn
stehen ausgedehnte Robinienwälder, die Akazienhonig liefern. Es gibt Sonnenblumen in Frankreich
und schließlich noch unseren Wald oder diverseste Linden hier in der Stadt. Das ist gewiss eine
unvollständige Aufzählung besonderer Trachten. Damit will ich jedoch sagen: Man muss seine Bienen
nicht Raps befliegen lassen. Der Raps ist etwa zu 70 % ein Windbefruchter. Diese Pflanzungen
kommen also ohne die Biene zurecht. Der Mais liefert keinen Nektar und nur wenig Pollen. Also
kann man seine Bienen auch von dort abziehen. Man sollte weiter gegen Neonicotinoide und Glyphosat
ankämpfen, aber man muss den Dreck nicht auch noch essen. Rapshonig ist ohnehin so billig,
dass sich all die Arbeit, vom Schleudern über das Filtern über das Rühren, die Gläser und das Abfül -
len, kaum lohnt. Viele Imker klagen bei uns über einen Mangel an Bienen, zahlreiche Jungimker gehen
erst einmal leer aus. Jene hypothetischen Imker, die sich dem Raps und dem Mais entziehen,
könnten vermehrt Ableger bilden und diese verkaufen. Sie könnten während der Zeiten, die auf dem
Land ausgespart würden, in die Stadt ziehen. Im nördlichen Englischen Garten ließen sich riesige
Quartiere ausweisen, die sie vorübergehend anwandern könnten. Dieser Vorschlag ist nur eine Möglichkeit
und sicher lückenhaft. Was wir aber sicher brauchen, was in der Stadt halbwegs gegeben ist,
auf dem Land kaum, ist Vernetzung. Es gibt mehrere Großgruppen von Imkern und sie tauschen sich
wohl nach innen hin aus, aber die Gruppen als Ganze schotten sich ab. Sie haben jedoch ein giganti -
sches gemeinsames Problem, das ist die Varroamilbe. Zwischen den Eigenbrötlern, denen auf dem
Land und denen in der Stadt und untereinander müssen mehr Informationen ausgetauscht werden.
Wofür ich ebenfalls sorgte, das jedoch bewusst, war, dass die Bienen in einem öffentlichen, städtischen
Garten zu stehen kamen und dass man sie aufsuchen kann. Viele Besucher des Rosengartens am Schyrenbad,
gehen bei den Bienen vorbei, schauen ein wenig herum und informieren sich dadurch über die
Geschehnisse im Jahresablauf. Übrigens schubste jemand im Jahr 2016 zwei meiner Bienenstöcke in
den Schyrenbach, der vor ihnen vorbei fließt. Das war bereits einmal geschehen, vor zahlreichen Jahren.
Diesmal sprach ich mit einem der Stadtgärtner und er sagte: Ruf die Zeitung an. Also telefonierte ich
sie alle durch. Und die von der TZ schickten binnen einer halben Stunde ihren Fotografen.
Wie es bereits gesagt wurde: Das Halten von Bienen ist heute ein Politikum.
Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-62797582330202575942021-08-07T00:20:00.008+14:002021-08-07T02:08:39.628+14:00Aus dem Nachlass
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiXMc2-_x43AhZiDb9fOV2DFP-gcWUSeRZRnUoh9yWAA54k1Fzo_czzM2cDTlcBCb_BpVxBiGdfT6ljAxB7mbJYgWUZLlb4kwNwGlhBhAToUaT8frdNu9melNlzQMJS6t50MGhN_I3rHcY/s3344/IMG_20210718_124617.jpg" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="320" data-original-height="1733" data-original-width="3344" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiXMc2-_x43AhZiDb9fOV2DFP-gcWUSeRZRnUoh9yWAA54k1Fzo_czzM2cDTlcBCb_BpVxBiGdfT6ljAxB7mbJYgWUZLlb4kwNwGlhBhAToUaT8frdNu9melNlzQMJS6t50MGhN_I3rHcY/s320/IMG_20210718_124617.jpg"/></a></div>
<b>Franz Wagner</b>
<i><i>Man kann Bienen auch in einem Gummistiefel halten.</i></i>
Franz Wagner wurde im Jahr 1927 geboren, er war Rumäniendeutscher und lebte im Banat. Er kämpfte nicht im Krieg, wurde bei Kriegsende aber von der russischen Armee gefangen genommen, in ein Lager deportiert und gefoltert. Später, als er ins Banat zurück gekehrt war, erlitt er einen epileptischen Anfall, man steckte ihn in die Psychiatrie und verordnete ein viel zu starkes, heute kaum mehr gebräuchliches Medikament. Er hatte lebenslang Angst, geschlagen zu werden. Im Banat heiratete er, bekam einen Sohn und wurde Meister einer Eisengießerei in Temeswar. Er hielt mit seinem Schwiegervater 400 Bienenvölker im Nebenberuf. Mit seiner zweiten Frau, dem zweiten Sohn und der Tochter emigrierte er während der Siebziger Jahre, zu Zeiten des Diktators Ceaușescu, nach Deutschland. Sie durften keine Dokumente mitnehmen, dafür Hausrat, und Franz, der ein Bastler war, schaffte es, sie in einem Nudelwalker zu verstecken. Dadurch war ihnen hier eine Rente sicher. In München angekommen arbeitete er als Hausmeister in der Akademie der Bildenden Künste. Dort lernte ich ihn kennen. Er stellte mir im Jahr 1992 die ersten drei Völker in den Akademiegarten. Ebenso wie er mir sein Wissen weitergab, übertrug ich meines später an eine junge Frau, eine Ärztin, die ich seit Jahren kannte. Und ebenso, wie ich mich nach geraumer Zeit von Franz löste, nahm sie mir eines Tages das Werkzeug aus der Hand und sagte: „Ich will jetzt meine eigenen Fehler machen.“
Franz´ hoch umzäunter Bienenstand lag im Schweizerholz, einem Wäldchen nördlich des Autobahnrings, nahe der Schleißheimer Flugwerft. Dort hielt er um die 30 Völker. Franz setzte ursprünglich selbst gebaute, dann auch gekaufte Kästen ein. Er pinselte jede freie Fläche, sei es im Hobbykeller, auf dem Balkon, als auch im Bienenhaus (und so auch die Bienenkästen) mit stumpfer Abtönfarbe an, was ich für sein Markenzeichen hielt. Da sie aus unterschiedlichen Systemen bestanden, konnten die gekauften Zargen mit den von ihm gebauten nicht getauscht werden. Die selbst geschreinerten Kästen standen im Haus, da sie vom Regen aufquollen, und die anderen im Freien. Anfang des Jahres 2002 bezog er ein neues Bienenhaus in Sendling. Ich hatte anfangs geholfen, zu renovieren. Aber er benutzte Asbestwolle zur Dämmung, spannte Plastikfolie auf alle Flächen, klebte PVC als Fußboden und schraubte gewellte Asbestplatten aufs Dach. Ich hatte erfolglos versucht, ihn davon abzubringen, und schließlich war ich weg geblieben. Mit dem neuen Bienenhaus stellte er auf einheitliche Beuten um und da ein Freistand nicht möglich war, transferierte er die gekauften Kästen nach innen. Jede Zarge war nun mit jeder anderen kombinierbar. Das bildete eine erhebliche Erleichterung für ihn. Allerdings zerschlug er die älteren Bienenkästen, die er selbst gebaut hatte, und warf sie in den Container.
Das Anzuchtkästchen mit fünf Waben und dann nochmal fünf darüber ist für kleine Völker bestimmt. Man sagt, sie entwickeln sich in der räumlichen Beschränkung besser. Danach werden sie in einen großen Kasten umgesetzt.
Franz starb im Jahr 2004 an Leukämie.
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhI4dZCQuVn19mCJvZeVVvjo-O9dz7o6oSpnRK1psgx7aDIdeBBjs7SUU7xqucBLCcUUD8d-lAuEx6-VMEVYvzw7GfXIkcufOdRD9htlgPwSVXdTffQBgnzS9921hwcz4ufFbeLmMPkh_8/s1520/Ablegerkasten-cmyk-frei.tif" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" height="320" data-original-height="1520" data-original-width="1281" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhI4dZCQuVn19mCJvZeVVvjo-O9dz7o6oSpnRK1psgx7aDIdeBBjs7SUU7xqucBLCcUUD8d-lAuEx6-VMEVYvzw7GfXIkcufOdRD9htlgPwSVXdTffQBgnzS9921hwcz4ufFbeLmMPkh_8/s320/Ablegerkasten-cmyk-frei.tif"/></a></div>
<b>Ezra Pound</b>
<i> This liquid is certainly a
property of the mind</i>
aus dem Canto 74
Ezra Pound wurde 1885 in Idaho geboren. Er ging als junger Mann nach Europa, lebte abwechselnd
in England, Frankreich und schließlich in Italien. Da er früh berühmt geworden war, besaß er etwas
Geld und unterstützte Künstler, die noch nicht so weit waren. So verhalf er beispielsweise James
Joyce zur Erstveröffentlichung des Ulysses. Pound übersetzte als erster Texte von Konfuzius aus
dem traditionellen Chinesisch ins Englische. Er kommentierte das japanische Nō-Theater, eine
uralte, rituelle Form des Schauspiels, mithilfe der Aufzeichnungen von Ernest Fennelosa. Er
verfasste eine Unmenge Literatur, aber sein Lebenswerk sind die Cantos. Von ihnen schrieb er 120
Stück, doch er betrachtete diesen Block immer als unvollendet, wenngleich ein Projekt dieser Art,
ursprünglich auf 40 Jahre ausgelegt, immer unvollendet bleiben muss.
Pound unterhielt Freundschaften zu allen wichtigen Schriftstellern seiner Zeit und zu zahlreichen
Bildhauern und Malern und Musikern.
Pound war Faschist und Anhänger Mussolinis. Während des zweiten Weltkrieges wohnte er in
Italien. Er verbreitete über Radio Rom, publizistisch und in seinen Cantos antiamerikanische,
rassistische und antisemitische Propagandareden, deren Gegenstand der Zinswucher und die
jüdische Beteiligung daran waren. Mitte des Jahres 1943 wurde vom amerikanischen
Kriegsministerium gegen ihn Anklage wegen Hochverrats erhoben. Am Ende des Krieges war
Pound sechzig Jahre alt und stellte sich freiwillig. Er glaubte, er könne Beamte vom FBI darüber
belehren, wie ein praktikables Finanzsystem auszusehen habe. Er wurde daraufhin zusammen mit
Schwerverbrechern ein halbes Jahr in einem Hochsicherheitsgefängnis bei Pisa gehalten. Das
Gefängnis bestand aus einer Reihe von Hundezwinger-artigen Käfigen, 1,8 Meter mal 3 Meter, was
heißt jeweils einer Betonplatte als Unterlage, einem Drahtkäfig als Seitenwänden und einem
Holzdach mit Teerpappe. Dazu kam eine einfache Wolldecke. Man findet diese Form heute in
Guantanamo. Pound wurde, nachdem ein psychischer Zusammenbruch diagnostiziert worden war,
ins Sanitätszelt verlegt und schrieb auf einer Militärschreibmaschine die Pisaner Cantos. Wie ich es
mir denke, war er in viele einzelne Personen aufgesplittert und jede davon schrieb sozusagen ihren
Teil. Ich habe überlegt, wie es möglich ist, dass man sie als derart inkohärent empfindet, dass
jeweils nur ein paar Zeilen zusammengehören, Gras, das unter den Rändern des Zeltes hervor
wächst, Konfuzius, Luchse, die nachts durchs Lager schleichen, griechische Götter und
beispielsweise neben scharfsinnigen Beobachtungen niedrigste Gesinnung zum Ausdruck kommt,
und womöglich macht gerade das sie so bedeutend. Das halbe Jahr barbarischer Gefangenschaft
verursachte in Pound einen fast vollständigen und irreparablen psychischen Schaden. Ende Oktober
1945 wurde er nach Amerika deportiert, für unzurechnungsfähig erklärt und bis ins Jahr 1958 in die
Psychiatrie gesteckt. Dort überarbeitete er zwar die Pisaner Cantos, schrieb weitere und übersetzte
Konfuzius, und er empfing bedeutende Besucher, darunter Hemingway und T.S. Eliot, die
schließlich das Ende des Klinikaufenthalts erwirkten, doch er war längst gebrochen. Dennoch gelten
die Pisaner Gesänge „als die wohl größte Dichtung“ des Zwanzigsten Jahrhunderts, schreibt
Thornton Wilder.
Nach seiner Freilassung als unheilbarer, aber nicht gemeingefährlicher Geistesgestörter kehrte er
nach Italien zurück und wurde unter die Vormundschaft seiner Frau gestellt. Im Jahr 1967 saß er im
Atelier von Arno Breker Modell und im selben Jahr drehte Pasolini einen Film über ihn. Er äußerte
spät, dass er seinen Antisemitismus bedauere. Seine letzten Jahre verlebte er beinahe sprachlos bei
seiner Tochter unterhalb von Meran.
Im Nachwort zu einer Neuausgabe der gesamten Cantos wird Pound als „schwieriges Individuum“
bezeichnet. (Was fast als Witz zu deuten ist.)
Pound starb im Jahr 1972. Sein Grab befindet sich auf der Begräbnisinsel San Michele in Venedig.
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhrRoQ20x8_61sjLzwnc8vJa-z7rV283NjTIFa7_ud8_VySXgPPjMWfoNGrSYMD2yt6quityFZtfK3q_l7Blqm7RRLKOtg-wIGC6W188NES523YfNMLqBJATMmB3VfDva2bMEWxwDyshLc/s3575/IMG_20210806_140229.jpg" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="600" data-original-height="2170" data-original-width="3575" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEhrRoQ20x8_61sjLzwnc8vJa-z7rV283NjTIFa7_ud8_VySXgPPjMWfoNGrSYMD2yt6quityFZtfK3q_l7Blqm7RRLKOtg-wIGC6W188NES523YfNMLqBJATMmB3VfDva2bMEWxwDyshLc/s600/IMG_20210806_140229.jpg"/></a></div>
Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-6661129736866604972020-11-20T07:25:00.009+14:002021-08-07T01:26:41.979+14:00Bucky<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEixzTWoBnlSB9ROhrg_Ailga07K5tXr2N3cyV0sg2t4BHh9AVmGRie1qsmIW1jzgMAr9YrjsO5CGFsR1yZDsbdwlLjhz2YTuVgupGLzIpqLPKtb5TTVnPAdDWZTWONdzN2JY5M4yonlAuM/s1734/IMG_20210228_162547.jpg" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" height="320" data-original-height="1734" data-original-width="1080" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEixzTWoBnlSB9ROhrg_Ailga07K5tXr2N3cyV0sg2t4BHh9AVmGRie1qsmIW1jzgMAr9YrjsO5CGFsR1yZDsbdwlLjhz2YTuVgupGLzIpqLPKtb5TTVnPAdDWZTWONdzN2JY5M4yonlAuM/s320/IMG_20210228_162547.jpg"/></a></div><div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiYw4lvnw-27tLwg256DJR-3Y4S_qAXnz5uFAg-ZCzfqcV8DCp-W9TpMsY5RpH8NhaUjzwiDg5IIBHbuMbPAKKq__nlWIGZVf16b1HwVvwGBAKeiNmAyHVE_qwT3-o-QGFTk0pdijkg2x0/s1080/IMG_20210228_140454.jpg" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="320" data-original-height="807" data-original-width="1080" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiYw4lvnw-27tLwg256DJR-3Y4S_qAXnz5uFAg-ZCzfqcV8DCp-W9TpMsY5RpH8NhaUjzwiDg5IIBHbuMbPAKKq__nlWIGZVf16b1HwVvwGBAKeiNmAyHVE_qwT3-o-QGFTk0pdijkg2x0/s320/IMG_20210228_140454.jpg"/></a></div>
Es begann mit ein paar Texten, die ich beinahe aus Langeweile, weil gerade nicht allzu viel im Atelier zu tun war, dort las. Es ging um Buckminster Fuller. Der Einstieg fiel mir schwer. Das Buch, in dem ich las, ist schwer zu bekommen, es heißt "Your Private Sky". Neuerdings werden wieder ein paar Exemplare davon auf ZVAB angeboten. Aber vor etwa zwanzig Jahren sah es damit schlecht aus. Damals telefonierte ich endlos herum und fand schließlich ein neues Exemplar in einer schweizer Museumsbuchhandlung. (Ich schenkte es dem Vater zum Geburtstag, da ich es für etwas Besonderes hielt. Als er dann gestorben war, entdeckte ich es in seinem Regal und es war so gut wie ungelesen.) YPS (wie ich es mittlerweile aus Platzgründen abkürze) ist voller Abbildungen und nach kurzer Zeit war ich von den geodätischen Kuppeln, die den meisten, wenn sie an Fuller denken, als erste einfallen, reichlich angeödet. In dem Begleitbuch "Diskurs" geht es dann um theoretische Texte, die gelegentlich so blutarm sind, dass ich das Buch schweigend weglegte. Erst nach und nach wurde daraus eine Recherche. Bucky wurde Fuller offenbar von seinen Freunden liebevoll genannt. Cage gehörte dazu. Wahrscheinlich hat sogar diese Affinität mich bewogen. Es gibt ein Foto, auf dem Cage links abgebildet ist, rechts der hoch aufgeschossene Merce Cunningham und mittig halten sie den kleinen Bucky. Alle drei lachen. Cage lachte ohnehin gerne, das sieht man seinem Gesicht an. Cunnigham lacht wie ein Lausbub. Und Bucky. Es kommt mir fast so vor, als wüsste er gar nicht so recht, ob lachen angebracht ist.
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgAVxkMOaDfA3VqOE1PiLdvkhbvC6EaZBjjilZhsKfVs6lCyS2WECxqjXwG74j6lC4cEXLXrRrexeWtiWTP5d5OzLq3KzBZERXEbsMgcdLvOtmVsfyS4JCx-iO7i7BTyGa5Xz_syYwb78E/s1080/IMG_20210228_160018.jpg" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="320" data-original-height="609" data-original-width="1080" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgAVxkMOaDfA3VqOE1PiLdvkhbvC6EaZBjjilZhsKfVs6lCyS2WECxqjXwG74j6lC4cEXLXrRrexeWtiWTP5d5OzLq3KzBZERXEbsMgcdLvOtmVsfyS4JCx-iO7i7BTyGa5Xz_syYwb78E/s320/IMG_20210228_160018.jpg"/></a></div>
Später fand ich den Einstieg zu Fuller und begann voranzukommen, indem ich einfach alles ausließ, was mir zu trocken schien (also sehr sehr viel). Es wurde eine Recherche daraus, die nun bereits bis in den Winter anhält. Ich unterstreiche Texte in Büchern und tippe sie auf Karteikarten und stecke sie in einen der hölzernen Kästen, die ich vor ein paar Jahren aus anderem Anlass, aber auch für Karteikarten (DIN A6), gebaut habe.
<div class="separator" style="clear: both;"><a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgj_5uf_-_vQUd2KWWkkoWwBJ69zsDluA-ix0XzMZaeV9gYLcOFAAzPa5vLXNOVBh394-01WbUHCNa3C4I-syu4oJFaG16avEBFol8Oe4aGThH8Auj8hPgzTb_Xk3Jp0mLF-X6qm1PNxkQ/s935/IMG_20210228_134255.jpg" style="display: block; padding: 1em 0; text-align: center; "><img alt="" border="0" width="320" data-original-height="620" data-original-width="935" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgj_5uf_-_vQUd2KWWkkoWwBJ69zsDluA-ix0XzMZaeV9gYLcOFAAzPa5vLXNOVBh394-01WbUHCNa3C4I-syu4oJFaG16avEBFol8Oe4aGThH8Auj8hPgzTb_Xk3Jp0mLF-X6qm1PNxkQ/s320/IMG_20210228_134255.jpg"/></a></div>
Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-52048898624081403022021-07-07T00:55:00.001+14:002021-08-07T01:00:25.914+14:00tradotto secondo googleGleich zu Anfang des Jahres 2020, nachdem der Katalog gedruckt war, sendete ich ein Exemplar nach Mailand zu meiner Galerie. Sie antworteten mir umgehend, dass sie gern eine weiter Ausstellung mit mir machen wollten und ebenso wollten sie den Katalog präsentieren, auch wenn alle Texte darin auf Deutsch geschrieben sind.
Viele meiner Blätter gehören unterschiedlichen Serien an. Sie entstehen mit der Zeit, langsam und manchmal als Folge des Studiums von bienenkundlichen Büchern. Beispielsweise gibt es zahlreiche neue Erkenntnisse im Bereich der Bienenverständigung. Man hatte diesen Bereich nach den Arbeiten Karl von Frischs zum Bienentanz ja für abgeschlossen gehalten. Aber das ist ganz und gar nicht der Fall. Manche Felder sind auch noch immer undurchsichtig, was heißt, es ist für die Forscher weiterhin unmöglich, dort hinein zu sehen. Bei allen Blättern ist der Fall, dass sie dem Gesetz der Synergie gehorchen, das Buckminster Fuller so genau beschrieben hat: Das Ganze ist größer als die einzelnen Teile. Vor kurzem, da sie ja für Italien gedacht sind, setzte ich einen kleinen Stempel, wie bei der Post, den kann man auf Blätter hauen. Darauf steht: tradotto secondo google. Denn man hat ja das Smartphone neben sich liegen und häufig benutze ich es, um Texte ins Italienische übersetzen zu lassen.Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-58688218798970119602020-08-20T05:48:00.018+14:002020-11-20T07:00:46.726+14:00"Die Intelligenz der Pflanzen"Bis weit ins Jahr 2020 hinein beschäftigte mich die Idee der Kommunikation. Pflanzen und Tiere, natürlich ging ich da von Blüten und Bienen aus, sprechen sich unablässig untereinander ab. Zwar fand ich immer wieder einzelne Ansätze, aber der eine große zeigte sich nicht. Mir fiel nur auf, dass offenbar viele Menschen da so eine Hybris am Laufen haben. Nur weil sie miteinander telefonieren, lauthals schreiend in der U-Bahn mit Masken, die unterm Kinn liegen, oder weil sie Emails schreiben oder sich am Küchentisch anfeinden, sehen sich als die Einzigen. Dabei strömen die Informationen an ihnen vorbei durch den Raum. Mit einem Freund sprach ich über die Gefühle der Pflanzen. Er sagte: "Tja, da wird es eng für die Veganer." Ein anderer hingegen bezweifelte, dass Fische Gefühle haben.Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-19735553514583278912019-12-01T00:42:00.000+14:002020-10-03T01:52:20.719+14:00Näheres 2019
Das Jahr 2019 war turbulent. Zunächst besuchten Ottilie und ich einen Drucker. Danach suchten wir einen Lithografen auf. Grundsätzlich ist es so, dass in meinem Katalog zwei verschiedene Goldtöne verwendet werden, ein dunklerer und ein heller. Die wollte ich im Druck unterschieden wissen. In der Lithografieanstalt wurden den einzelnen Goldtönen nun die entsprechenden Farben zugewiesen. Das ergab dann einen Druck, der sechs Farben miteinbezieht, zunächst die vier Grundfarben und dann die beiden Goldtöne. Wie ich später feststellte, haben nicht alle Druckerein die geeigneten Druckmaschinen, die diese Menge an Farbtönen drucken können. Die meisten Druckerzeugnisse, meinetwegen auflagenstarke Versandkataloge, bestehen aus vier Farben. Wie ich später herausfand, bedarf es zusätzlich einer gewissen Zuneigung zu einem Produkt, das anspruchsvoll ist, aber nicht auflagenstark. Diese Vorgabe wird einem nicht in jeder Druckerei entgegen gebracht.
Ein grafisches Erzeugnis vom Ausmaß des Kataloges in eine Lithografieanstalt zu bringen, war nicht nur sinnvoll, um die beiden Goldtöne zu trennen und sie in Hinblick auf den Druck zu definieren. Die Angestellten gehen letztlich jedes einzelne Bild noch einmal durch und überprüfen es bezüglich seiner Druckbarkeit. Sie hellen hier noch etwas auf, greifen womöglich leicht in die Farbgebung ein und so weiter. Ich habe das sehr bewundert. Denn alles gründet sich auf langjährige Erfahrung und auf sehr fein kalibrierte Bilschirme.
Nachdem der Katalog in der Lithoanstalt bearbeitet worden war, wanderte er zu einer Druckerei. Die druckten das gesamte Buch, die gesamte Auflage, einmal durch. Und damit begann das Verhängnis des Jahres 2019. Denn der Druck war eindeutig verhauen. Zu diesem Zeitpunkt hatten wir für den helleren Goldton noch eine besondere Farbe vorgesehen. Sie ist ziemlich teuer, da sie aus geschilferten Partikeln von echtem Gold besteht, vermischt natürlich mit den üblichen Zusätzen. Einige der gedruckten Seiten waren mit zahllosen Spritzern mutmaßlich dieser Farbe übersät. Zusätzlich kamen mehrere andere Fehler hinzu. Doch die Spritzer waren ein erhebliches Problem. Schließlich setzten Ottilie, der Chef der Lithoanstalt und ich uns mit dem Drucker zusammen. Und dieser bot als Lösung des Problems großzügig an, dass er den gesamten Druck ohne weiter Kosten einstampfen würde.
Für mich wurde indessen klar, dass ich mir eine andere Druckerei suchen wollte und landete nach langem Hin und Her am Ende des Jahres 2019 bei longo in Bozen. Doch der gesamte Prozess, das Einholen der Angebote verschiedener Druckereien und so weiter, kostete mich Monate. Es kam mir vor, als hätte jemand gesagt: zurück auf Los. Und stets blieb die Unsicherheit, wie das Ergebnis schließlich aussehen würde. Mittlerweile hatte ich außerdem die Echtgold-Farbe durch eine neue aus Pigmenten ersetzt. Die Firma Pantone, die offenbar die meisten Farben liefert, hatte ihren Farbfächer für Schmuckfarben erweitert und bot einen durchaus ähnlichen Goldton an. Für den entschied ich mich.
Zugleich fielen mir immer wieder Änderungen am Katalog ein, und ich bilde mir ein, dass all meine kleinen Eingriffe die Leute von der Lithoanstalt zum Wahnsinn getrieben haben müssen.
Fast das gesamte Jahr 2018 über war ich dem Atelier fern geblieben, hatte all meine Energie auf die Arbeit am Katalog konzentriert. Und nun, im Jahr 2019 kam ich wiederum selten, wenngleich ein wenig öfter, dorthin. Dennoch rann mir das gesamte Jahr zwischen den Fingern hindurch, da ich nie ausreichend Zeit fand, mich künstlerisch mit dem Thema zu beschäftigen, das mir am Herzen lag.
Ein besonderer Fall ergab sich noch im Jahr 2019. Denn die edition metzel, ein Kunstbuchverlag, sprang im Sommer auf den Zug auf. Das war in etwa um die Zeit, als wir die Gespräche mit dem ersten Drucker führten. Letztlich ist die Verbindung mit der edition metzel der Vermittlung von Eva Kraus geschuldet, die mich mit Frau Metzel zusammen brachte. Eva kenne ich seit zwei Jahrzehnten, hatte zwischendurch aber den Kontakt verloren. Frau Metzel besah sich das Gesamte, war begeistert, half mir bei den Rechtschreibkorrekturen und nahm mich in ihr Programm auf.
Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-50707923268796675362018-12-31T23:57:00.000+14:002020-10-03T01:44:01.352+14:00Näheres 2018
Seit Ende des Jahres 2017, das gesamte Jahr 2018 hindurch bis weit ins Jahr 2019 hinein verbrachten die Grafikerin Ottilie Gaigl und ich damit, den Katalog zu erstellen. Ottilie bastelte nach einigen Wünschen, die ich zunächst geäußert hatte, ein Grundgerüst für eine Seite. Man nimmt es, wenn man den Katalog ansieht, sofort wahr, denn es erlaubt, gerade im Übertreten des Grundlinienrasters großen Spielraum. Ich bin Ottilie dafür sehr dankbar. Wenn man so will, wurde der Umgang gelegentlich zu einem Jonglieren mit den Möglichkeiten, die so ein grundsätzlicher Aufbau erlaubt, bis dahin, sich über alles hinwegzusetzen.
Ende des Jahres 2017 bat ich, ebenfalls im Vorfeld, einen Freund, der Fotograf ist, um Aufnahmen aller Zeichnungen, Bilder, Stempelarbeiten und so weiter, die größer als DIN A4 sind und also von mir nicht gescannt werden konnten. Durch seine Arbeit wurde ein großer Teil des abgebildeten Materials geliefert.
Ohnehin war dem Ganzen eine gewisse Verzagtheit meinerseits voraus gegangen. Ich konnte mich erneut auf die Münchner Kunstszene einlassen. Aber wollte ich das? Ich hatte fast überall, an allen strategischen Punkten und an vielen anderen, ausgestellt. 2017 stand ich in meinem Atelier und dachte: Warum mache ich das? Es war keine Sinnkrise. Denn ich bewegte mich weiter gerne in der Kunst, nur die angehängte Szene war mir verleidet. Doch ich hatte ausreichend Einfälle, saß hauptsächlich winters im Atelier und war im Sommer bei meinen Bienen und verrichtete die dort anfallenden Arbeiten. Mir fehlte hingegen der Antrieb, mich um eine Ausstellungsmöglichkeit zu bemühen. Vielleicht erwartete ich, dass sie von selbst auf mich zukommen würde. Wer weiß? Ich legte mir Rechenschaft ab. Dachte ich ans Ausstellen, befielen mich Unlust und der Gedanke: Damit komme ich hier nicht mehr weiter.
Nachdem der Katalog sich für mich als Möglichkeit eröffnet hatte, begannen Ottilie und ich uns Doppelseite für Doppelseite voran zu arbeiten, denn nicht die Einzelne, sondern die aufgeschlagene Seite ergibt ein Ganzes. Und wir bewegten uns zeitlich vorwärts, gliederten jedes Jahr in ein einzelnes Kapitel. Diese Vorgehensweise erschien uns von Anfang an sinnvoll. Manche Arbeiten reichen zwar über das relativ willkürliche Jahresende hinweg. Gelegentlich ist das auch thematisiert. Aber viele machen doch Halt. So seltsam das auch scheinen mag. Ich kann daher durchaus sagen: Im Jahr 2015 beschäftigte ich mich mit dieser Sache und im Jahr 2016 mit jener. Ich verstehe nicht ganz, woran das liegt. Vielleicht weil es einen Überfluss an Themen gibt, letztlich mehr, als ich abarbeiten kann. Aber das ist wieder nur eine Spekulation.
Da wir wussten, dass wir lange brauchen würden, um ins Finale einzulaufen, konnte ich Ende des Jahres 2017 ausstellen, obwohl wir bereits begonnen hatten.
Die Arbeit selbst muss man sich klassisch vorstellen. Ich besuchte Ottilie bei sich zuhause, oft zweimal pro Woche und wir saßen dann einträchtig nebeneinander in ihrem Arbeitsraum. Schließlich steht dort ihr großer Computer. Mittags legten wir eine Pause ein, manchmal sogar eine ganze Stunde, wenn sie oder ich sehr erschöpft waren. Wir tranken Caffè und aßen das Gebäck, das ihr Mann vorher eigens besorgt hatte. Ich bin den beiden sehr dankbar für diese familiäre Situation, dafür, dass ich dort als Freund aufgenommen worden war.
Danach begaben wir uns wieder in ihren Arbeitsraum und werkten gelegentlich insgesamt zehn Stunden. Wenn ich abends mit der S-Bahn nach hause fuhr, war ich weniger zufrieden, als einfach erschöpft.
Anfangs nahmen wir viel Text aus dem Buch Honiggeschichten, der dann kursiv gesetzt ist. Ich hatte das Buch 2004 geschrieben und im Eigenverlag herausgebracht. Später orientierten wir uns textlich am Aufbau des Blogs apicultura.de. Den hatte ich über lange Zeit hinweg geführt. Nur hatte ich einiges hinzuzufügen, manches wollte ich auch weglassen oder umschreiben. Was meine Bilder betrifft, so hatte ich viele gesammelt, es waren etwa 2000 davon. Dazu kamen die Abbildungen, die aus dem Netz stammten plus einige, die ich aus Büchern gescannt hatte. Es stand also viel mehr Material zur Verfügung, als wir unterbringen konnten. Insgesamt, soweit meine Zählung stimmt, kamen wir im Katalog auf 755 Abbildungen. So verwendeten wir etwa ein Drittel des Materials, das direkt von mir selbst stammt. Obwohl der Prozess des Aussortierens gelegentlich schmerzhaft war, begannen wir schnell zu ahnen, wie monumental dieses Werk eigentlich werden würde. Und es stimmt ja. Schließlich kamen wir bei 512 Seiten heraus.
Die genaue Seitenzahl ist übrigens wichtig. Wir hatten uns bald für einen bestimmten Papiertyp entschieden, auch wenn ich ihn immer wieder in Frage stellte. Und bei der Fadenheftung, wie wir sie gleich anfangs als notwendig erachtet hatten, kann die Maschine genau vier Blätter dieses Typs durchstechen. Das ergibt dann jeweils 16 Seiten in einem Bund. Mit anderen Worten: Die gesamte Anzahl muss immer durch 16 teilbar sein. Aber das reicht natürlich tief in den Bereich des Fachwissens hinein. Für den Betrachter ist der Katalog nur saumäßig dick.
Als Ausnahme ging übrigens das Jahr 1991 mit ein. Darin beschreibe ich mit Dankbarkeit meinen Bienenlehrer. Obwohl immer gesagt wird, die Arbeit fange im Jahr 1992 an, was nicht falsch ist, hatte ich ihn längst an der Akademie der Bildenen Künste kennen und schätzen gelernt. Deshalb bekam er sein eigenes Jahr – und ich fühle mich immer noch so, als hätte ich ihm zu wenig Tribut gezollt.Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-36049086093179945912011-11-01T00:28:00.001+14:002020-08-29T23:48:48.719+14:00Die Hauptverteiler<br />
Nachdem Honig sich als mein Jahresthema eingeschlichen hatte, verwendete ich diesen Sommer auf die Organisation der großen Verteiler. Ohne Freunde hätte ich es nicht geschafft, so weit zu kommen. Jetzt stehen jeweils einige Hauptverteiler in der Startposition und warten gespannt auf das Jahr. Mich erreichen ständig Anfragen, wo denn der Honig dieses Jahres und auch der künftige zu kaufen sei.<br />
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Gelegentlich werde ich gefragt, was es denn eigentlich bezüglich der Bienen zu arbeiten gebe über das hinaus, was die eigentliche Mühe der Honiggewinnung ist. Was passiert direkt am Bienstock? Die Frage bezieht sich auf die Themen, die sich aus der komplexen Struktur der Bienen wie von selbst auffalten. Meistens können sich die Fragenden, nachdem ich ein paar Erklärungen angerissen habe, zwar vorstellen, dass die Bienenhaltung schwer zu erlernen ist. Aber sie fragen sich zurecht, wie einer das in Kunst verwandelt. Meistens, und das antworte ich, beschäftigt mich ein Thema ein Jahr lang. Manchmal setze ich mir ein Jahr als Frist. In Wirklichkeit ist es keine so strenge Abgabefrist wie bei der Steuererklärung. Meistens beschäftigen mich mehrere Themen gleichzeitig, einige sind sekundär, andere muss ich aufschieben, da sie meine Kapazität übersteigen. Bislang bin ich auf keine natürliche Grenze gestoßen. Allerdings beginnt das sogenannte Bienenjahr am ersten August. Sieht man das Thema also eng, sozusagen wie ein Kunstbeamter, ergeben sich daraus fünf Monate Unterschied zum Kalenderjahr, und die nutze ich zum Nachsinnen. Fasst man den Januar als Zeit ins Auge, an dem sich ein Thema ausreichend geklärt haben sollte, an dem man sozusagen die Werkstatt zusammenkehrt und anfängt, das Geplante auszuführen, kommt man dem Prozess am nächsten.<br />
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<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjn1Y1i2-mzhjJS_NK9ZeV7EMv3lAGz3FtDvbUBpFfqrftaAZx7s6vcWqUkLlD-QKMBYLQgdSLPhlKDKIpfrFtnrLeAqhXFpU51btSxaWCe1pNx80km-7e1DvvNcSh6GYf7e_wJDwyO-S8/s1600/Honigfarben+1.jpg"><img alt="" border="0" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5679309488305911794" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjn1Y1i2-mzhjJS_NK9ZeV7EMv3lAGz3FtDvbUBpFfqrftaAZx7s6vcWqUkLlD-QKMBYLQgdSLPhlKDKIpfrFtnrLeAqhXFpU51btSxaWCe1pNx80km-7e1DvvNcSh6GYf7e_wJDwyO-S8/s400/Honigfarben+1.jpg" style="cursor: pointer; height: 347px; width: 400px;" /></a><br />
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Die Frage nach dem Honig gewann für mich weiter an Bedeutung. Franz und ich hatten den Honig als Nebenprodukt eingegliedert. Selbstverständlich gewinnt man ihn mit Umsicht. Ich hatte stets den Eindruck, er sei mehr als ein Lebensmittel. Doch erst nach 19 Jahren stellte ich fest, dass der Honig die Konsumenten dazu führt, sich für die Bienen, von denen er stammt, zu interessieren. Im engsten Fall wollen sie an der Ernte teilnehmen oder zuschauen, wenn ich die Bienen besuche. Oft fragen sie mich stundenlang aus. Der Honig ist, wie gesagt, das fehlende Glied, dachte ich in diesem Jahr. Deshalb schaute ich ihn genauer an, die unzähligen Zuckersorten und die Pflanzen, die sie zuwege bringen, die unterschiedlichen Honigfarben und verwandte Themen.<br />
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<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgXt8uHsCHgNVYHiehiSJmYxLSn_rzXxiUKm_hnksjf1hCldjtz4dEGKcSA_pVih4Rr7aYRpP4fa0UnyaUIRtXvs7bTThK-wIsfVIRJcsqX7uVVrUT-oKGnODlvF8kARANHmKeTUVuYJd4/s1600/Honigfarben+2.jpg"><img alt="" border="0" id="BLOGGER_PHOTO_ID_5679309826543940450" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgXt8uHsCHgNVYHiehiSJmYxLSn_rzXxiUKm_hnksjf1hCldjtz4dEGKcSA_pVih4Rr7aYRpP4fa0UnyaUIRtXvs7bTThK-wIsfVIRJcsqX7uVVrUT-oKGnODlvF8kARANHmKeTUVuYJd4/s400/Honigfarben+2.jpg" style="cursor: pointer; height: 278px; width: 400px;" /></a><br />
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Aufgrund des feuchten, weder regnerischen, noch windigen Wetters im Mai 2008 blühten die Robinien ausgiebig. Das geschah zum ersten mal seit 16 Jahren und hatte mit der klimatischen Veränderung zu tun. Sie verschiebt die Blühzeiten aller Pflanzen. Während die Robinie und die Linde sich gewöhnlich überlappten, blühten sie in diesem besonderen Jahr getrennt. Früher begannen die Linden Mitte Juni zu blühen, heute am Anfang. Kurz davor regnet und stürmt und hagelt es oft. Die Blüte der Robinie wurde zahlreiche Jahre hindurch von gewaltigen Winden und nächtlichen Regenstürzen weggespült. Wenn man morgens aus dem Haus trat, lagen die feinen, weißen Blüten im Rinnstein. Im Jahr 2008 allerdings endete die Robinienblüte genau vor der Lindenblüte und das war am 4. Juni. Es war feuchtwarm, es regnete nicht, hagelte nicht, der Wind wehte lau und langsam, manchmal nieselte es nachts gemächlich vor sich hin. Die Robinien blühten und dufteten schwer und süß. Sobald die einen Blüten gefallen waren, erblühte der gesamte Baum quasi neu. Die Robinie ist, was den Honig betrifft, äußerst ergiebig. In der imkerlichen Fachsprache bezeichnet man das als „Honigwert“. Am Rosengarten stehen einige dieser Robinien, nicht gerade ein Wald, aber doch so viele, dass es ausreichte, die Honigräume innerhalb weniger Tage zu füllen. Daher ergab sich ein wunderbar schmeckender, einzigartiger Honig. Die Robinie liefert, wie schon erwähnt, den Akazienhonig. Er ist fast durchsichtig und bleibt Jahre lang flüssig.
Im Sommer 2003 war es monatelang dermaßen heiß, dass man sich nicht bewegen wollte. Die Meteorologen sprachen reflexartig von einem Jahrhundertsommer. Vielleicht war das eine sprachliche Unschärfe, da sie noch im Zwanzigsten Jahrhundert feststeckten. Es gab kaum Honig. Der Nektar, den die Pflanzen absonderten, trocknete sofort und konnte von den Bienen nicht aufgenommen werden. Der Honig war dunkler als Kaffee und hielt dem Vergleich mit Corbezzolo-Honig aus Sardinien oder Elba stand.Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-79121277599117846552017-06-20T22:59:00.000+14:002018-04-24T04:01:02.914+14:00Papierarbeiten 7<br />
Die Arbeiten auf Papier begleiteten mich unablässig, manchmal schienen sie den größeren
Teil auszumachen, denn vieles ist überhaupt nur auf Papier sichtbar. Als
ich mit einem Freund alle großen Blätter fotografierte, die sich seit
dem Jahr 1992 zum Bienenthema angesammelt hatten, und mithilfe des Scanners die kleineren erfasste, bekam ich erst einen Eindruck von deren
purer Vielzahl.<br />
Der Freund und ich beispielsweise waren einen ganzen Tag zugange. Am Schluss überreichte er mir einen USB-Stick, auf dem sich 293 Dateien befanden. Schließlich waren es tausendeinhundert Arbeien. Damit konnte man kaum einen Katalog bestücken, so großartig aufgemacht er auch sein mochte. Die Auslese musste die unbarmherzigste sein. Einige Kapitel, das kam hinzu, waren sogar so geschrieben, dass sie gar keine Bilder erforderten. Sie waren kurz und nur Zitate aus den <i>Honiggeschichten</i>. Mich erstaunte, wie sehr sich meine Arbeitsweise im Laufe der Jahre verändert hatte.Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-37714393533428127282017-12-14T01:20:00.000+14:002018-04-24T03:58:55.109+14:00Edition Karbit<br />
Leonardo von Pisa, das steht bereits an anderer Stelle, war ein
bedeutender italienischer Mathematiker und stammte aus dem Dreizehnten Jahrhundert.
Sein Vater war Händler und nahm ihn auf Reisen durch den arabischen
Raum mit. Später studierte Leonardo in Nordafrika. Seine
bedeutendste Leistung war der Import des arabischen Zahlensystems, in
dem die Zahl Null vorkam und mit dem sich erstmals auf moderne Weise
rechnen ließ. Allerdings war diese Art von Indien, von den Hindus
aus, in die islamische Welt gelangt, weshalb er sie als „Zahlen der
Inder“ bezeichnete.<br />
<br />
Leonardos frühe Schriften, die nicht erhalten
sind, werden indessen von anderen zitiert.<br />
Eine seiner mathematischen Beschreibungen (die sowohl den Indern,
als auch den Griechen bereits bekannt war) wird heute die
Fibonacci-Folge genant. Fibonacci ist ein anderer Name dieses
Leonardo. (Figlio di Bonacci). Er veranschaulichte die Reihe mithilfe von Kaninchen, die
sich rasant vermehren. Es handelt sich um jene Zahlenfolge, die in
der Ausstellung <b>I Due Leonardo</b> aus dem Jahr 2006 bereits
verwendet wurde. (In meiner Arbeit werde ich ständig auf sie gestoßen.) Sie nähert sich der Teilung durch den Goldenen Schnitt
umso genauer an, je weiter sie fort schreitet, erreicht ihn jedoch
nicht. Als Fibonacci sein Beispiel einbrachte, handelte es sich nicht um biologische
Kaninchen, was für Verwirrung sorgte und dazu führte, dass man
ihn (aus den falschen Gründen) widerlegte. Jedoch gibt es ein
genetisches Vermehrungsbeispiel bei den Bienen, das damals keinem
einfallen konnten, weil man noch keine genauen Kenntnisse über sie besaß.
Im Stammbaum der Drohnen liegt die Fibonacci-Reihe unbestritten vor.
In diesem Fall, dem genetischen Verhältnis, sind Königinnen und Drohnen gemeint, während der
Stammbaum der Arbeiterinnen wohl ebenfalls einer Fibonacci-Reihe
gehorcht, allerdings zeitlich versetzt. Übrigens ist bei einer Menge
anderer natürlicher Wachstumsmuster, Tannenzapfen oder Muscheln oder
eben Sonnenblumen, die Reihe sichtbar.<br />
<br />
<br />
Bei den Drohnen ist, wie ich fand, das zeitlich Hindernis nicht
ausreichend berücksichtigt. Drohnen treten im Bienenjahr zu kurz auf
und die Vererbungsfolge wird daher nur im Ansatz veranschaulicht. Das
ändert jedoch nichts an der Richtigkeit des Beispiels.<br />
<br />
Fehlt in einem Bienenvolk die Königin über längere Zeit, können
einige Arbeiterinnen dazu kommen, Eier zu legen. Da sie aber nicht
befruchtet wurden, schlüpfen nur Drohnen daraus. Man erkennt das
zunächst daran, dass mehrere Eier ungeordnet am Boden einer Zelle
stecken, manchmal auch seitlich. Und da die Zellen der Drohnen größer
sind, modellieren die Bienen ganze Waben um. Wird das Problem
schlimmer, nennt man das Volk drohnenbrütig. Es gibt wohl Abhilfe,
wie ich gelesen habe. Doch ich löse solche Völker auf, indem ich
sie hinter dem Bienenstand ins hohe Gras schüttle. Die Bienen
betteln sich dann bei Nachbarvölkern ein und die provisorischen
Königinnen verenden im Gras. Eine Biene, falls sie Honig in ihrem
Magen mitbringt, wird von den Wächterinnen, die am Eingang eines
anderen Volkes sitzen, eingelassen. So habe ich es von Franz gelernt. Daher
räuchert man Völker, die man aufzulösen beabsichtigt,
beispielsweise zu kleine Ableger, bei denen sich das Einwintern nicht
lohnt, vorher kräftig ein, damit die Bienen zu ihren Honigtöpfen
getrieben werden und sich dort vollfressen.<br />
<div style="margin-bottom: 0cm;">
Spätestens ab der
Edition formulierte sich in mir eine Frage, die ich nicht lösen
konnte. Die Drohnen sind
unbestreitbar der männliche Teil innerhalb des Bienenkörpers. Sie suchen keinen eigenen Nektar, sondern lassen
sich im Stock mit Honig füttern. Sie sind daher kaum vor dem Stock zu finden, strecken höchstens einmal die Köpfe zum Flugloch heraus.
Sie haben keinen Stachel, sind aber anatomisch im Wesentlichen den
Arbeiterinnen gleich oder zumindest ähnlich. Sie sind Bienen.
Sie sind für die Befruchtung einer jungen Königin aus
einem anderen Volk zuständig. Dazu krabbeln sie aus dem Stock und
schwingen sich hoch in die Luft und finden ohne vorherige örtliche
Kenntnisse die Sammelplätze. Dort erreichen aber nur diejenigen von
ihnen, das sind dann etwa drei oder vier, die wohl aus verschiedenen Völkern stammen und die
der Königin am weitesten in die Luft hinauf folgen können, ihr
Ziel. Das ist die Begattung, und zugleich
bedeutet es den Tod, da der Begattungsapparat bei diesem Vorgang
heraus gerissen wird. Ansonsten lungern die Drohnen ab April im Inneren des
Stocks herum und werden ab der Sonnwende hinaus gedrängt, wo sie
verhungern, oder sie werden im Inneren abgestochen. Sie können (wie die
Königinnen) wegen ihrer dickeren Hinterleibe nicht durch die
Absperrgitter in die Honigräume gelangen. Manchmal stecken sie
abgetötet zwischen den Stäben der Gitter. Man nennt es die
„Drohnenschlacht“, womit wohl eine Schlachtung gemeint ist.
Unsentimental betrachtet ist es ein Entschlackungsvorgang. Das Volk
wird schlanker, es bereitet sich darauf vor, mit den bis zu diesem
Zeitpunkt angetragenen Futtervorräten über den Winter zu kommen.
Was die Funktion der Drohnen ist, wurde hinreichend geklärt, dass
sie nur ein Vierteljahr im Stock verbringen, ebenfalls. Da sie aber
nur zwischenzeitlich hervorgebracht werden, kommen sie mir wie eine
vorübergehend männliche Ausstülpung des Bienenkörpers vor.
Genauer formuliert, könnte man sie als kurzfristig männlichen
Anteil innerhalb eines rein weiblichen Systems bezeichnen.</div>
<br />
<br />
<br />
Mitte Dezember des Jahres 2017 fand die <i>Edition Karbit</i> in
der Galerie Heufelder statt und ich war neben einem Haufen anderer
Künstler, von denen ich zahlreiche kannte, zur Teilnahme eingeladen.
Die Galerieräume liegen nahe des Ateliers, das ich bewirtschaftete,
nur auf der anderen Straßenseite. Das Verbindende zwischen den
Künstlern war kein Thema, sondern das Format. Man sollte jeweils
drei gleiche Blätter vorlegen, alle im Maß 22 Zentimeter mal 32
Zentimeter, hochkant oder quer. Eines dieser Blätter wurde dann
gerahmt und aufgehängt. Das Format empfand ich als unglücklich, da
es so nahe am DIN A 4 liegt. Ich mühte mich im Atelier daran ab,
stempelte und wurschtelte, wobei unentwegt Ausschuss entstand. Zwar
wurde ich rechtzeitig damit fertig und brachte eine passable Version
zustande, doch erstaunte mich, wie stark meine Arbeit beeinträchtigt
wurde oder zum Erliegen kam, wenn das Format vorgeschrieben war.
Letztlich stempelte ich den Stammbaum der Drohnen. Damit ließ ich es
bewenden. „Drohnen haben keinen Vater“, dieser einfache Satz ist,
man muss es so sehen, die Zusammenfassung des Problems.Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-57679008421802071642017-10-13T04:45:00.002+14:002018-04-24T03:32:29.190+14:00sculpture sonore<br />
Die Wertschätzung, die John Cage für Marcel Duchamp empfand,
erstreckte sich über ein halbes Jahrhundert und bezog sich nicht nur
auf dessen Kunstausübung, sondern auf die Präsenz, mit der er im
Leben stand. Cage und Duchamp waren zeitlich mindestens eine
Generation voneinander entfernt. Cage hatte übergroßen Respekt vor
dem Älteren und näherte sich vorsichtig an.
Er benahm sich wie ein schüchternes Kind, dem die Tante erklärt,
dass es stört. Cage stellte eines Tages Teeny Duchamp die Frage, ob
es wohl sehr aufdringlich sei, ihren Mann zu bitten, ihm das
Schachspielen beizubringen. Teeny antwortete lapidar: „Frag
ihn.“ Cage fand sich von da an wöchentlich ein und spielte gegen
den Meister. Man muss dazu vielleicht wissen, dass Duchamp auf
professionellem Niveau spielte. Cage berichtet im Jahr 1992 in seinem
letzten Interview, dass er kein einziges mal gewonnen habe,
allerdings nicht, weil es keine Möglichkeit gegeben hätte, sondern
weil seine Absicht nicht im Gewinnen lag. Er suchte einfach Duchamps
Gesellschaft. Er berichtet außerdem, dass Duchamp darüber erzürnt
war. Ich vermute, dass Duchamp ein paar mal absichtlich eine Öffnung
ließ, Cage aber widerstand und nicht in die Lücke vorpreschte.
Offenbar unterhielten die beiden sich außerhalb der ausgiebigen
Schweigeperioden, die beim Schachspiel üblich sind, über Kunst.
Duchamp ging kaum einmal zu einer Ausstellung, wusste aber umfassend
Bescheid. Auch mithilfe des Zufalls hatte er bereits komponiert, was
Cage den Boden unter den Füßen wegzog, denn das war bereits 1912
gewesen, im Jahr, als Cage geboren worden war. Weiter setzte Duchamp
den Zufall als generierendes Prinzip ein, arbeitete jedoch nicht mit
Münzen oder Stöckchen, also dem I Ging, sondern erfand auf subtile
Weise eigene Möglichkeiten. Cage indessen besetzte diese
I-Ging-Nische völlig. In Interviews mit Duchamp steht zu lesen, dass
er die Wertschätzung für Cage teilte, er erwähnt besonders dessen
Humor und die Leichtigkeit, mit der Cage dem Leben begegnete.<br />
Das besagte Interview mit Cage wurde von Joan Retallack, einer
amerikanischen Dichterin, von 15. bis 17. July 1992 geführt und ist
in der Wesleyan University Press erschienen. Zu dem Gespräch
kommen drei weitere zwischen September 1990 bis 30. Juli 1992.
Cage starb am 12. August 1992. Zu dieser Zeit stand eine umfassende
Werkschau zu seinem 80. Geburtstag kurz bevor.<br />
<br />
<br />
In einem Interview aus dem Jahr 1959 mit dem wöchentlich erscheinenden Nachrichtenmagazin Newsweek, New York, (gesammelt und übersetzt von Serge Stauffer) sagt Duchamp:<br />
"Ich glaube, man könnte sagen, ich verbringe meine Zeit mit Atmen", schloss Duchamp ab mit einer Fröhlichkeit, die seine Lust am Lebensakt bekräftigte. "Ich bin ein <u>respirateur</u> - ein Atmer. Ich genieße das ungeheuerlich."<br />
<br />
<br />Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-18359690983950376762017-10-11T04:08:00.004+14:002018-04-24T03:28:39.132+14:00Blüten<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiNkrbHzLALJ0dWtkjOmqKwv1zlZdHzMbGjbri85XkrxyZVdDU0l8sbfvNmNTM0xkUADafdSm5tHEgehD6YsAcEwPHjOrhyphenhyphen-rijHdd1vuG0Sy5MfP79AehecvcX8kwIzaahzwqCjSGFXQM/s1600/Lotus.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><br /></a></div>
<div style="text-align: left;">
<br /></div>
<br />
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjEq29iiNkroIoDfS_sBFMDw0PXcKcEPx2Xys853PHXfngDwXyOU-s7aDahZljinrc3rWRgX9PPHb8PIiqu1buoJm-m3pw7YYHwS7qppsTV90GXm-FNOUh7caf0Mqg-ZQhfbqgOh8nBUdY/s1600/Lotus.jpg" imageanchor="1" style="clear: left; float: left; margin-bottom: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="917" data-original-width="1600" height="366" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjEq29iiNkroIoDfS_sBFMDw0PXcKcEPx2Xys853PHXfngDwXyOU-s7aDahZljinrc3rWRgX9PPHb8PIiqu1buoJm-m3pw7YYHwS7qppsTV90GXm-FNOUh7caf0Mqg-ZQhfbqgOh8nBUdY/s640/Lotus.jpg" width="640" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
Eine Vorform dieser Arbeit entstand im Jahr 2000. Damals ordnete
ich jeweils vier Blätter , teils farbig, teils gemustert oder sogar
mit gedruckter Schrift, zu mittelgroßen Rechtecken. Anfangs dachte
ich, sie müssten von einer zusätzlichen Spange zusammen gehalten werden. Daher
experimentierte ich und legte in zwei oder drei von ihnen eine Blüte ein, und
zwar so, dass sie die Mitte bildete und dort saß, wo die Blätter sich
schnitten und wo sie in alle vier hinein ragte. Dann unterließ ich die
Sache mit den Blüten. Sie war eine Verdoppelung. Denn ich fasste die
Blätter an sich als vielfarbige Blüten auf. Sie mussten nicht
weiter zusammen gehalten werden. Das besorgte der äußere Rand.</div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
<br /></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
Anders war es diesmal mit den mehrfarbigen Blättern. Ihre Farbigkeit
war nicht nur ausgeprägter und exzentrischer, ich ließ die
einzelnen, teils quietschbunten, ziemlich großen Papierbögen nach
außen ragen. Also setzte ich innen eine gestempelte Zeile, die sie
nicht nur zusammen hielt, sondern die in eine andere Dimension wies. Die
Zeile stammt aus Finnegans Wake und enthält jeweils einen
Blumennamen, Veilchen, Lotus, Amaryllis und so weiter. Die Farbigkeit
wurde von der Menge an bunten Blättern bestimmt, die in einer
Schublade meines Planschrankes gesammelt waren. Dazu kam eine völlig
subjektive Auswahl, die ich traf, und dazu wiederum eine völlig
objektive, die aus der gestempelten Zeile besteht, die ich wiederum subjektiv gewählt hatte. Das klingt kompliziert und womöglich verquast, ist aber einfach: Die Subjektivität in den Zusammenstellungen, das
Begrenzte in der Auswahl und die Objektivität im Stempeln sind
jeweils bis an den Endpunkt gedehnt. Mehr war mir nicht möglich.
Zwischen diesen drei finalen Punkten spannt sich schließlich jedes
Blatt auf.</div>
<br />
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjM6Jni1nWSx9NUkn2gAk7bnCTdM6OD0m-zcDsT8_W2OfIAwLKPvgo26KQjCCtoPLRjNuH6o-yaDferaNeYBvjnpQp8hLQI5BaectTjXA_-UUUCpHQWBGzaVrV0CHlZPPUyhScRsLWmstk/s1600/Amaryllis.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="1229" data-original-width="1600" height="245" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEjM6Jni1nWSx9NUkn2gAk7bnCTdM6OD0m-zcDsT8_W2OfIAwLKPvgo26KQjCCtoPLRjNuH6o-yaDferaNeYBvjnpQp8hLQI5BaectTjXA_-UUUCpHQWBGzaVrV0CHlZPPUyhScRsLWmstk/s320/Amaryllis.jpg" width="320" /></a></div>
<br />
<br />
<br />
Die Entstehung der Blätter zog sich über mehr als ein Jahr hin,
ich begann damit in der Mitte des Jahres 2016 und blieb bis weit ins Jahr
2017 daran kleben. Daher ist eine genaue Datumsangabe nicht sinnvoll.
Die Sache schlummerte jeweils ein paar Monate, dann fiel mir die nächste
Variante ein. Selbst als sich die folgende Arbeit ausrollte,
sculpture sonore, auch sie hatte jahrelang vor sich hin gegoren, fuhr
ich mit den Blättern fort. Ich wollte sie unbedingt hinter Glas
und gerahmt präsentieren.<br />
<br />
Mit den Blütenbildern verknüpfte ich mein anfängliches
Interesse für Pflanzen, das schon vor dem für Bienen bestanden
hatte, mit einer mehrdimensionalen Arbeit.<br />
Einige, wenngleich wenige Textstellen in Finnegans Wake sprechen
Blumennamen aus, die uns gebräuchlich sind. Ich stellte fest, dass
Joyce häufig üppige Blüten aus angelegten Gärten transportiert,
als sei er in der sogenannten freien Natur selten unterwegs gewesen, anders als ich, der selbst kleinsten Blüten hinterher gekrochen war. Bei Joyce findet sich die Blüte wohl in Verbindung mit Weiblichkeit.
Kann ich das belegen? Nein. Aber mir kommt es so vor. Das ist
eine Menge, wenn man bedenkt, wie tief ich mich in den
Text verstrickt habe und wie oft ich mich daraus bediene.<br />
<br />
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<div class="separator" style="clear: both; text-align: left;">
<a href="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiavkuqdTVFwSbzZL00v7F8-vLsDMgcgxAe9TQ3zA7tU4BRY_MkZJO40l7Hm2QQVf2rN4h__ngZYWXvNCFedwdwzglTLvYvs8CteZT1fa0pXVJ4gA3udyUqcSmBPhUm9beExOUEZ1pWndQ/s1600/Wildrose.jpg" imageanchor="1" style="margin-left: 1em; margin-right: 1em;"><img border="0" data-original-height="800" data-original-width="1600" height="200" src="https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEiavkuqdTVFwSbzZL00v7F8-vLsDMgcgxAe9TQ3zA7tU4BRY_MkZJO40l7Hm2QQVf2rN4h__ngZYWXvNCFedwdwzglTLvYvs8CteZT1fa0pXVJ4gA3udyUqcSmBPhUm9beExOUEZ1pWndQ/s400/Wildrose.jpg" width="400" /></a></div>
<div class="separator" style="clear: both; text-align: center;">
</div>
<br />
<br />
<br />
Von Anfang an fasste ich die Bienen nicht nur als Sammlerinnen,
sondern als geflügelte Kundschafter und als Botschafter zwischen den
einzelnen Blüten auf. Daher wollte ich bei der Vieldimensionalität,
die sich den menschlichen Sinnen eröffnet, herauskommen. Mein Weg
führte von den Blüten zu den Bienen und zurück. Dem
Wissenschaftler gilt als entscheidend und maßgeblich, welche Farben
die Bienen sehen, wenn sie zu den Blüten fliegen, welche Gerüche sie in feinster Weise unterscheiden können, wie sie abgegraste Blüten markieren und so weiter. Vielleicht zurecht
wird die Wahrnehmungsfähigkeit der Bienen über die des Menschen gestellt. Bienen stehen beispielsweise in enger, notwendiger Verbindung zu den Blüten. Sie orientieren sich im Raum und im dunklen Bienenstock. Der Mensch verfügt über zahlreiche Sinne. Doch einige davon nutzt er nicht oder hat keinen Zugriff. Sie werden überlagert oder die Wahrnehmungsfähigkeit ist schwach ausgeprägt. Beispielsweise können viele Menschen weder den abends bevorstehenden Regen riechen, noch den baldigen Schnee. Andere schmecken zahlreiche Nuancen im Wein. Oder sie schmecken kleine Trachten aus dem Honig heraus.<br />
<br />Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-54247071626851549032017-10-11T03:02:00.000+14:002018-04-24T01:03:28.237+14:00Kein Schwarmjahr<br />
Es gibt Jahre, in deren Frühling und Sommer die Bienen nicht die geringste Neigung zeigen, zu schwärmen, das heißt sich zu teilen (und dann als Schwarmtraube im Baum zu hängen). Umgekehrt gibt es
Jahre, während derer sie nichts anderes im Sinn zu haben scheinen.
Von starken Völkern bildete ich häufig Ableger, allein schon,
um junge Königinnen zu bekommen. Während des Jahres 2017 war es ruhig am Stand. Die Bienen werkelten still und geschäftig vor sich hin. Sie bastelten gelegentlich lose ein paar Weiselnäpfchen. Manche Imker habe ich sie als Spielnäpfchen bezeichnen hören. In
diese runden, leicht bauchigen Wachswiegen müsste die alte Königin
ein befruchtetes Ei legen, damit eine junge Königin anfinge, darin
zu entstehen. Als ich feststellte, wie ruhig die Völker saßen, hielt
ich keine Nachschau mehr. Es genügte, die Drohnenwaben
auszuschneiden. Und erst im Herbst, nachdem ich die Damen zwei Monate
in Ruhe gelassen hatte, stellte ich fest, dass die Königinnen weiter
Eier legten.<br />
Ich hatte bemerkt, dass Bienen ihre eigene Ordnung im Stock
finden. Ihre Vorgehensweise unterscheidet sich nicht
wesentlich von der, die berühmte Bienenforscher entdeckt haben. Nur
zeigt der Honigkranz die natürliche und optimale Form des Volkes. Im
Zandermaß-Betrieb ist es nahe liegend, mit einem Brutraum zu imkern,
der aus zwei Zargen besteht. Diese beiden bilden nahezu einen Kubus. Wie
gesagt. Dadurch ist genügend Platz für das in etwa kugelförmige
Volk garantiert und wenn der Winter kommt, wird in die Ecken Futterhonig
gestopft. Im Herbst sitzt das Volk übrigens weiter unten. Man kann
das Ohr an den Kasten legen und mit dem Fingerknöchel eine
Klopfprope machen. Im Frühjahr haben sich die Bienen allmählich
nach oben gefressen.<br />
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(Zeichnung Absperrgitter)<br />
<br />Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.comtag:blogger.com,1999:blog-5831613049621183020.post-55904299974961559472014-04-01T23:51:00.000+14:002018-04-24T00:59:50.615+14:00Kleinbauarbeiten<br />
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<div style="margin-bottom: 0cm;">
Das Lexikon der Bienenkunde hat einen
eigenen Begriff, der sich "Kleinbauarbeiten" nennt. Darunter
subsummiert es alle Arbeiten am Wachsbau, die von Bienen einzeln
verrichtet werden. Das verwunderte mich, da ich bislang nicht davon
gehört hatte. Das Lexikon hingegen nennt zahlreiche Beispiele.
Direkt zitiert sagt es: „ … umfassen alle jene Bauarbeiten, die
außerhalb der Bautraube verrichtet werden, wie die Verdeckelung der
Brut- und Honigzellen, Zellrandarbeiten wie Verlängerung, Verkürzung
und Randverdickung, Auf- und Abbau von Weiselnäpfchen, kleinere
Ausbesserungsarbeiten und gelegentlicher Bau von verbindenden
Stützpfeilern von Wabe zu Wabe.“ Das Besondere ist, wie ich fand,
dass die einzeln arbeitenden Bienen kein Wachs hervorbringen. Sie
benutzen bereits vorhandenes, das sie bei Gelegenheit abtragen oder
wieder deponieren.</div>
<br />Christoph Scheuereckerhttp://www.blogger.com/profile/10500953175202313953noreply@blogger.com