Paletten

Die schweren, unverwüstlichen, schwarzen Paletten aus Plastik, auf denen meine Bienenkästen stehen, hat natürlich Franz mir besorgt. Bekannte von Bekannten. Bei der Bahn. Franz schärfte mir ein, die Prägestempel der Bundesbahn sofort mit der Flex heraus zu schleifen und zu überstreichen. Die drei Paletten kosteten mich einen Kübel Honig (...). Fairer deal, dachte ich. Der Honig wuchs mir ohnehin über den Kopf. Sie wurden zu Franz nach Hause geliefert. In einem Wagen der Bahnpolizei, der frech vor dem Haus auf dem Gehsteig parkte. In mehreren Etappen, weil ein Pkw wenig Stauraum hat. Dann rief er aufgeregt an, ich solle die Paletten sofort holen kommen. Als handle es sich um heiße Ware, die da in seinem Keller lagerte. Erst als sie in mein Auto geladen waren, unter einer Decke verborgen, und es abgeschlossen im Hof stand, atmete er auf.

aus den Honiggeschichten

Beute




Bei der Wahl des Rähmchenmaßes richtet man sich am besten nach demjenigen, der einem das Imkern beibringt. Anfangs macht man dauernd Fehler und die Bienen fliegen einem davon. So können Verluste leichter ausgeglichen werden. Ist man genötigt, sich im Voraus selbst ein Maß auszusuchen, kommt man womöglich auf unsinnige Gedanken und wählt eines, das einem auf Dauer das Imkern schwer macht oder gar verleidet. Die Bienen nehmen natürlich jede Wabe an. Doch die Frage ist ja, wie sich am besten gegen die Milbe vorgehen lässt und die Bienen den Winter gut überstehen. Das Rähmchenmaß entscheidet in der Regel, welche Bienenwohnung man wählt.

Im europäischen Raum gab es bestimmt 20 verschiedene Maße: Gerstung, Freudenstein, Deutsch-Normal, Zander, Langstroth, Kuntzsch, Dadant usw. Es ist wie ein Irrgarten. (...) Den meisten Abmessungen lagen imkerliche Erwägungen zugrunde. Aber nur (...) drei oder vier waren stichhaltig genug, um sich überregional durchzusetzen. Dadant (...), Deutsch-Normal (...), Zander und Langstroth. Franz war ein entschiedener Verfechter des Zandermaßes, benannt nach dem Bienenforscher Enoch Zander. Es ist besonders in Süddeutschland gebräuchlich. Wir sprachen ab und zu darüber, später ohnehin, aber auch im Vorfeld, bevor ich selber Bienen bekommen sollte. Doch er ließ keine andere Meinung zu. „Der Zander, oho, der war ein großer Bienenforscher“, sagte Franz, „Was der gesagt hat: alles heute noch gültig.“ Das Zandermaß ist für Magazinbeuten besonders geeignet, berichtet das Bienenlexikon. Zander hatte, soweit ich weiß, im Sinn, die Legemenge einer Königin pro Tag auf einer Wabe unterzubringen. Berücksichtigt werden die Arbeiterinnen mit einer Entwicklungszeit von 21 Tagen. Die Drohnen sitzen auf einer eigenen Wabe und der Pollen zur Auffütterung der jungen Brut ebenfalls. Dazu ein Honigkranz seitlich und oben über dem Brutnest. Zander geht offensichtlich vom Zweiraumvolk aus. Zwei Etagen übereinander ergeben bei ihm (...) in etwa einen Würfel. Vielleicht dachte er sich die elementare Form des Bienenvolkes als Kugel.


Beute ist die „allgemeine Bezeichnung für eine Bienenwohnung ...“, sagt das Lexikon der Bienenkunde. „Es ist eine Vielzahl von Beuten der unterschiedlichsten Form und Größe konstruiert und gebaut worden, viele mit einem eigenen Rähmchenmaß. Die meisten haben nur regionale oder kurzzeitige Bedeutung erlangt. Ursache für diese Vielfalt sind u.a. das Fehlen von objektiven Bewertungskriterien für Beuten, die unterschiedlichen Anforderungen der Imker und nicht zuletzt die Anpassungsfähigkeit der Bienen.“ Soviele Imker es gibt, soviele Meinungen sind es.
Der Beginn der Beziehung Mensch-Biene wird auf etwa 10.000 Jahre v. C. geschätzt. Das Bienenlexikon sagt: „Es ist oft darüber diskutiert worden, ob es sich damals um eine reine Nutzung der Bienen gehandelt hat oder ob der Mensch schon in einer höheren Entwicklungsphase seiner Umweltbeziehungen gewissermassen zu einer Haltung der Bienen gelangt war.“ Man ist sich gewissermassen uneinig, wie meistens.
Die Entwicklung der Beute ist mit der Geschichte der Imkerei verknüpft. Formen, Abmessungen, Materialien. Der Diskurs füllt Seiten. Ich finde, in dem Wort steckt noch eine Portion Diebstahl, was auf die Ursprünge der Beziehung zwischen Mensch und Biene hinweist. In der berühmten Höhlenmalerei aus Valencia, die bei jeder Gelegenheit bildnerisch zitiert wird, sieht man eine Figurine, die auf einer Strickleiter zu einem Bienennest geklettert ist und heftig umschwirrt wird. Der Fachbegriff lautet nüchtern: Raubimkerei. Das Dilemma daran ist, dass die Honigwaben der Bienen ausgebrochen werden. Was man auch heute noch in vielen Ländern praktiziert. Früher wurde sogar ein Teil der Brut mitzerstört, manchmal das ganze Nest. Eine für beide Seiten uneffektive Methode. Die Strickleiterimkerei, wie auf den Höhlenbildern zu sehen, wird jedoch kaum mehr betrieben. Außer in Nepal, glaube ich.






Wo im frühen Mittelalter ausgedehnte Waldgebiete lagen, entwickelte sich die Zeidlerei. Sie bestand darin, auf Bäume zu klettern und den Bienen, die in Baumhöhlen nisteten, Honig wegzunehmen. Auch die Zeidler waren beinahe Raubimker. Obwohl sie sich ansatzweise um die Pflege der Völker bemühten. Was aber auf einem wackligen Ast in 10 m Höhe nicht so einfach ist. Sagen wir: Der Raub wendete sich zum minderschweren Tatbestand des Diebstahls. Sie wollten ja beim nächsten Mal wieder Ertrag sehen.
Das Problem der Zeidler war, dass die Wälder entweder der Kirche oder dem Adel gehörten und erhebliche Anteile der Ernte abgegeben werden mussten. Zudem war Honig viel kostbarer als heute und es lohnte sich nicht recht. Daher war es ein kluger Schachzug, dieses Stück Baum, in dem die Bienen wohnten, mit nach Hause zu nehmen. Man sägte den Abschnitt buchstäblich aus dem Stamm und stellte ihn sich seitlich an die Hauswand als sogenannte Klotzbeute. Die Abgaben fielen weg, die gefährliche Kletterei fiel weg, und es war ein Schritt getan in Richtung Bienenhaltung.
Die Klotzbeute wurde immer weiter perfektioniert. Man sägte Fenster aus, brachte Klappen an, schob bereits die ersten halb-beweglichen Rähmchen ein und öffnete den Stock nach oben, um Aufsätze zu ermöglichen. Es formte sich die heutige Kastenbeute. Mitte des Neunzehnten Jahrhunderts wurde der Einsatz beweglicher Rähmchen verbessert. Aus wirtschaftlicher Sicht ein revolutionärer Schritt. Er erlaubt, nach dem Ausschleudern des Honigs, den Bienen die leeren Waben zurückzugeben. Sie müssen nicht erst alles wieder neu bauen, sondern können sofort mit dem Eintragen loslegen. Außerdem wurde die gesamte Bienenwohnung übersichtlich und maximal beweglich. Jede Wabe lässt sich überall hin tauschen, auch in einen anderen Stock. Mit der Haltung kam die Pflege, zum Beispiel in der Behandlung von Krankheiten. Haltung und Pflege, finde ich, machen die moderne Imkerei aus. Aber manchmal habe ich den Verdacht, ich stehe mit dieser Meinung allein. Heute sind in den europäischen Wäldern die Grundlagen für wild lebende Honigbienen zerstört. Einem Bienenvolk eine Wohnung zu bieten, ist an sich schon eine gute Tat.
Älter und weiter verbreitet als die Klotzbeute ist der Korb. Auch hier wurden die Honigwaben ausgeschnitten, doch der Schritt zur Haltung der Biene war kürzer. Auch Franz erzählte von einigen Körben, die sie Anfang der Sechziger Jahre in Rumänien gebaut hatten. Sie waren erst mit Lehm verputzt, dann vergipst worden. Thermisch vorteilhaft und ziemlich stabil.
Schon 600 v. C., belehrt uns das Lexikon, wurde die Biene in Griechenland zum Rechtsgegenstand. Man regelte Fragen der Wanderung und der Aufstellung, was ein relativ präzises Wissen voraussetzt. Das „Habhaftwerden“ ermöglichte ein genaueres Studium der Eigenheiten.
Die meisten Körbe sind unten offen. Man muss sie nur umdrehen und steht mitten im Geschehen. Es gab auch Übergänge zwischen Kasten und Korb. Mischgebilde. Oder Verbindungen. Unten der Korb, oben der Kasten. Wer mehr darüber wissen will, geht am besten ins Bienenmuseum.
Der Korb hat (...) frühe Vorläufer in Ägypten. Man töpferte Röhren aus Nilschlamm und stapelte sie zu meterhohen Mieten aufeinander. Ferner benutzte man Stroh, Schilf oder Weiden, die zu Gefäßen und Röhren geflochten und mit Lehm überstrichen wurden. Oder die Röhren wurden in Bäume gehängt. Die Variationen wechseln entsprechend der regionalen Gegebenheiten. Auf Fotos habe ich gesehen: In runden, afrikanischen Lehmhäusern werden ringsum waagrechte Röhren als Aussparungen gelassen. Sie sind so lang wie die Wand dick ist. Etwa in Kopfhöhe. Das Flugloch schaut nach draußen. Die Bienen jedes Volkes fliegen in eine andere Richtung ab und kommen sich nicht in die Quere. Innen klebt man mit Lehm weitere Körbe an die Wand. Die Honigräume. Man macht sich die Eigenschaft der Bienen zunutze, den Honig möglichst weit vom Flugloch entfernt zu lagern. So lässt er sich im Inneren der Hütte bequem ernten.
Ende des Neunzehnten Jahrhunderts verbreitete sich die in einzelnen Etagen stapelbare Magazinbeute. Dort sind alle Waben nebeneinander eingehängt. Das ist die heute gebräuchlichste Form. Brauchen die Bienen mehr Raum, setzt man ein Stockwerk auf. Sie funktioniert nach dem Prinzip des rechten Winkels, kommt den Bienen leidlich entgegen und entspricht ganz der menschlichen Denk- und Wirtschaftsweise. Die meisten Magazine werden von oben bewirtschaftet. Vorwiegend alte Imker bevorzugen noch Hinterbehandlungskästen, die durch ein Türchen auf der Rückseite zugänglich sind. Sie empfehlen sich für die blockhafte Stapelung in Imkerwägen. Aber der Raum ist begrenzt und die Betriebsweise arg schwerfällig.

aus den Honiggeschichten

Wikipedia schreibt, dass die Urform des Magazins auf den amerikanischen Imker Lorenzo Langstroth (1810–1895) zurückgeht. Er entdeckte den natürlichen Idealabstand zwischen Waben und Beutenwand. Für das Imkern mit den westlichen Honigbienenrassen wird die Magazinbeute heute am häufigsten verwendet. Offenbar ermöglicht sie das Wandern mit dem geringsten Aufwand. Allerdings sind derart viele Variationen gebräuchlich, dass kaum noch eine Übersicht herrscht. Neuerdings, mit den Stadtimkern, kommen sogar die Lagerbeute, die man für abgetan hielt, und das beinahe ausgestorbene Kuntzschmaß wieder in Mode. Bedeutend finde ich die Feststellung, dass in der ehemaligen DDR bis zur Wende hauptsächlich in Wägen geimkert wurde. Für die Biene spielen diese Erwägungen keine Rolle, solange man nur in Beuten imkert, die ihre Entwicklungsmöglichkeiten begünstigt.