Bienenfrevel


Vermutlich spätabends am 19. April 2016 wurden zwei meiner Bienenstöcke ins Wasser geschubst. Am folgenden Morgen wurde ich von einer Email, die mich von einem Mitglied der Platform Stadtimker erreichte, darauf aufmerksam gemacht, wo sie lagen. Ein kleiner, langsamer Bach dümpelt unterhalb des Fluglochs an den Bienen vorbei. Die Stöcke waren unterhalb einer Brücke angelandet. Dort muss der Bach eine kleine Steinhürde überwinden. In einem der beiden Kästen befand sich ein Ableger, der auf einer Zarger saß. Das bedeutet, dass die Grundfläche größer ist, als die Höhe, und er schwamm ruhig dahin. Zwar waren die Waben im Inneren geneigt, er musste also einen heftigen seitlichen Stoß bekommen haben, aber sonst hatte sich nichts bewegt. Wirklich in Mitleidenschaft gezogen worden war ein Zweiraumvolk. In dieser Größe und Stärke überwintere ich meine Bienen gewöhnlich. Der ganze Stock war gekippt und teilweise mit Wasser vollgelaufen. Dadurch war ein Haufen Bienen sofort an Unterkühlung gestorben. Sie hatten sich nicht mehr in Sicherheit bringen können. Dennoch stellte ich fest, dass in beiden Fällen die Königin überlebt hatte. Das zweiräumige Volk brauchte etwa einen Monat, bis ich es wieder seiner ursprünglichen Stärke zugeführt hatte. Es war stärker betroffen. Dennoch hielt sich der Schaden verhältnismäßig in Grenzen.




Nachdem ich die Kästen untersucht und wieder an ihre ursprünglichen Plätze am Stand postiert hatte, rief ich umgehend alle Münchener Zeitungen an. Sie zeigten sofort Interesse. Die TZ schickte binnen einer halben Stunde einen Fotografen. Der dort gedruckte Bericht schaffte es sogar in die sozialen Medien, wo ein Freund, der 350 km entfernt wohnt, die Nachricht innerhalb von Minuten nach dem Versenden erhielt. Die Entrüstung im Netz war groß, manche Kommentare vernichtend.
Vor Jahren war mir ein ähnlicher Fall bereits passiert, da war ein 9-Waben-Volk, das auf zwei Etagen saß und noch leichter kippte, ins Wasser gestoßen worden. Das lag vor der der Zeit, als der Bach mit Rundungen und Untiefen ausgestattet ein Spielparadies für kleine Kinder geworden war. Der Stock hing an einem Wehr am Ende des Rosengartens, dort wo der Aenbach unter dem Schyrenbad, einem Freibad verschwindet, die Humboldtstraße unterquert und auf der gegenüber liegenden Seite in einem kleinen Park wieder empor tritt. In jenem Fall, dem ich kein Jahr zuordnen kann, waren die Bienen allesamt dahin gerafft. asEs war 100 Gramm pro Quadratmeter schwer, glatt, nicht gestrichen und nur knapp dicker als unser gewöhnliches weißes Kopierpapier. Man konnte ohne weiteres auch einen Kopierer mit Bodonia füttern. Dennoch verwendete ich es kaum für diesen Zweck. Das Fliederquartier bestand damals noch. Ich stellte den Kasten in die Sonne in der Hoffnung, er würde trocknen, was aber nicht der Fall war. Dann packte ich die mittlerweile verschimmelten Waben, stülpte sie in blaue Abfalltüten und warf sie in den Container. Den Kasten versuchte ich, so gut es ging, zu reinigen. Ein Jahr später setzte ich ihn wieder ein. Seltsamerweise, das fiel mir im Nachhinei auf, waren zunächst sechs Stöcke am Stand, und der mit den neun Waben trug als einziger nicht die Aufschrift apicultura auf der Rückseite. Aber das mochte nichts bedeuten.
Im Jahr 2016 erwischte ich einen Praktikanten bei der Süddeutsche Zeitung. Er fragte nach einem Bild, aber ich konnte ihm natürlich keins schicken. Am liebsten, das bekam ich schnell zu verstehen, vor allem auch von der TZ, wäre ihnen ein Foto mit den Stöcken im Wasser gewesen. Aber wer geht so vor, fragte ich mich, und schießt erst ein Foto, bevor er seine Bienen birgt? Die SZ brachte also kein Bild, jedoch einen schmalen Absatz, und der zuständige Redakteur, vielleicht ein Rookie, fragte mir ein Loch in den Bauch. Danach standen aber doch falsche Angaben bezüglich der gestorben Bienen zu lesen.
Auch bei der Polizei war ich gewesen, natürlich um Anzeige zu erstatten. Sie schickten mich zuerst einmal hinaus, da draußen ein warmer Frühsommertag war und es sich dort leichter warten ließ, während drinnen eine Familie in erster Reihe saß. Nach einer Dreiviertelstunde riefen sie mich herein und erst ein ganz junger Beamter, der später von einem älteren abgelöst wurde, nahmen meine Aussage auf. Sie fragten nach so unglaublich vielen Belangen, auch ganz bienenfremdem, dass schließlich zwei DIN A 4 Seiten daraus wurden, die ich unterschreiben sollte. Kurz bevor ich ging, eröffneten sie mir, dass meine Anzeige höchstwahrscheinlich nutzlos sein würde, da die Wahrscheinlichkeit, einen Täter zu fassen, kaum bestand. Ich schaute mir den Burschen genau an. Er war höchstens 22 oder 23 Jahre alt und trug bereits eine Waffe. Ich war versucht, ihn zu fragen, ob das eine österreichische Glock sei, die er da trug und ob die Munition aus 9 mm-Patronen bestand, und ob das die Standardbewaffnung sei oder ob sie nur in dieser Dienststelle welche trügen. Aber dadurch, dachte ich, hätte ich nur Misstrauen ausgelöst und die Rolle des armen, um seine Bienen gebrachten Imkers verspielt.

Rückinfektion


Vor einigen Jahren fand eine Veranstaltung statt, die im Titel den Vorsatz trug, Stadtimkern den Weg zu ebnen. Das Bienenthema wird seither in den Medien häufig empor gekocht. Die Bienen sind bedroht, diese Einschätzung hat die meisten Leute erreicht. Nur Abhilfe ist nicht in Sicht.
Ein junger, schlaksiger Mann, ein sogenannter Kommunikationswirt, sprach begeistert von der Bienenhaltung. Er erinnerte mich daran, wie ich vor Jahren gesprochen hatte. Sobald man in die Bienenkunde eintaucht wie in die Erdatmosphäre wird man euphorisch gestimmt. Doch sobald man praktisch mit den „Mädels“ arbeitet, wird man ruhig und konzentriert und vergisst alles um einen herum.
Nachdem der dünne Mann, von dessen Berufsstand ich bislang nicht gewusst hatte, sich in seinem Vortrag verausgabt hatte, ließ er Fragen zu. Gleichzeitig schien er ein wenig ungläubig wie es möglich sein konnte, dass nach seiner umfänglichen Darstellung überhaupt noch Fragen gestellt werden konnten. Für ihn schien alles abgehandelt und mehr gab es nicht zu sagen. Aus seiner Sicht, in der ich meine Sicht von vor zwanzig Jahren erkannte, musste das stimmen.
Nun.
Nachdem Fragen zugelassen waren, fragte ich, wie lange er schon Bienen hielte. Da wurde er verlegen und zögerte und erinnerte mich sofort wieder an mich. Er hatte noch gar keine Völker, sondern wollte im folgenden Jahr erst beginnen.
Wie ich hörte, entschied der schlaksige Bursche sich später, einen breiter gestreuten Ansatz zu verfolgen und wendete sich von den Stadtimkern ab. Ob er schließlich Bienen hielt, weiß ich nicht, vermute aber, dass er es trotz seiner anfänglichen Begeisterung bleiben ließ. Jedoch tauchte er, wie ich erfuhr, von Zeit zu Zeit auf und bemängelte, dass die von ihm geschaffene digitale Infrastruktur, all die Verlinkungen und Vernetzungen brach lägen. Die Seite werde nicht gepflegt, sagte er, die Titel wie Stadthonig oder Stadtimker oder „Was-auch-immer“ würden nicht benutzt. Was sei das hier? Und er selbst, das lustigste Beispiel für „nomen est omen“, das ich seit langem gehört hatte, denn er heißt Daniel Überall, torkelte in meiner ungenauen Vorstellung wie ein verirrter Falter durch die ökologische Szene.
Weiter gab es noch zwei andere Personen auf der Tribüne. Der eine war ein anthroposophischer Imker, der andere kam aus Berlin und hielt ebenfalls Bienen. Beide Herren wirkten ruhig. Dennoch ließ der Mann aus Berlin ein leichtes Unbehagen in mir aufsteigen. Er schien davon auszugehen, dass die Berliner die Stadtimkerei erfunden hätten. So folgerte ich beunruhigt. Und sie brachten dem sturen Fleckvieh, also uns, den Bayern, die frohe Botschaft.
Später durchforstete ich das Internet und erkannte, dass alle Seiten, die Stadtimker oder Stadthonig oder ähnliches im Namen führten, reserviert worden waren. Mein eigenes Bedürfnis, dahin gehend Platz zu belegen, ist gering, da ja apicultura alles ist, was ich brauche. Dennoch überraschte es mich.


Als ich anfing, Bienen zu halten, richtete Franz einen Großteil meines Lernens sofort auf den Anfang des neuen Bienenjahres (am 1. August) und die Notwendigkeit der Varroabehandlung. Ich lernte, während des Sommers Drohnenwaben auszuschneiden. Franz betonte, wie wichtig die Varroabehandlung für alle Imker ist. Denn ein mit Milben durchseuchtes Volk hat ein hohes Potential an Rückinfektion für Völker, die in der Nähe stehen. Wer nicht oder zu wenig behandelt, gefährdet andere im Umkreis. Gewöhnlich kennt man die (ernsthaften) Imker in der näheren Umgebung. Das Problem sind daher nicht diejenigen, die eine solide Behandlung gegen die Milbe durchführen, sondern solche, die auf halbem Weg aufgeben, denen die Kosten für die Kurse und das erforderliche Material zu hoch werden und die ihre Völker einfach verwaisen lassen.

Vor einiger Zeit schrieb ich einen bissigen Beitrag im anthroposophischen Forum „mellifera“. Diese Leute verkaufen das Wesensgemäße. Meine Absicht war selbstverständlich, die Diskussion auf das Milbenthema zu lenken, anstatt sich selbst zu beweihräuchern. Auf zahlreichen anthroposophischen Internetseiten wird gepredigt, dass man nicht gegen die Milbe behandeln darf. Gar nicht. Weder zum Winter hin, noch im Frühling und Sommer, wenn, wie ich es von Franz gelernt habe, Drohnenwaben ausgeschnitten werden müssen. Denn einige Anthroposophen fassen dies als eine Amputation auf. Und im Winter, sagen viele, sollen die Bienen selbst damit fertig werden. Aber zahlreiche Argumente, die sie vorbringen, sind sachlich falsch. Der Beitrag wurde von gewissen Administratoren intern geprüft und kurz darauf gelöscht.