Die erste Ausstellung


Die Ausstellung fand Ende des Jahres 1992 statt, zu dieser Zeit studierte ich noch an der Akademie der Bildenden Künste in München. Meine ersten Bienen hatte ich im vorausgehenden Sommer bekommen und damit, wie ich später feststellte, ein wirklich neues Kapitel in meinem Leben aufgeschlagen. Das klingt ein bisschen geschwollen, doch jeder, der selber Bienen hält, wird es kaum für übertrieben halten. Im Jahr 1992 wusste ich zwar schon eine Menge von den Bienen und allem drum herum, aber ich hatte den Eindruck, ich sollte es auch zeichnerisch aufarbeiten. Deshalb nahm ich mir einen Monat, setzte mich hin und zeichnete ununterbrochen alle Themen durch, von denen ich bis dahin wusste. Das ging von der Bienenanatomie über den Aufbau der Blüten bis hin zu den unterschiedlichen Formen der Bienenstöcke.





Der Raum befindet sich in einem Privathaus und die Hängung erstreckte sich über ein interessant geschnittenes Zimmer, das eine versetzte Halbetage mit Treppe, hölzernem Geländer und Sitzecke hat. Diese schwierige Gegebenheit wollte ich natürlich einbeziehen und löste sie mithilfe einer umlaufenden Aluminiumschiene. Sie wurde von Winkeln etwa 30 cm von der Wand entfernt gehalten, überspannte Türen und Fenster und hatte nach unten ein u-förmig geöffnetes Profil. Die zur Ausstellung ausgewählten Zeichnungen waren zwischen zwei jeweils 3 mm starke Pendeltürenplatten eingelegt. Diese Platten kennt fast jeder als in Streifen herabhängende halbtrübe Lappen in den Toren großer Werkshallen. Gabelstapler rauschen durch sie hindurch und hinter ihnen schlappen sie wieder zusammen. Sie bestehen aus einem gelbstichigen, durchsichtigen, nicht ganz weichen Kunststoff, der gegen Lösungsmittel und Säuren unempfindlich ist. Ich verband die beiden Schichten an den Rändern mit klarsichtigem Doppelklebeband und steckte sie von unten in die Alu-Schiene. Die Lappen hingen also von einer gleichbleibende Höhe in wechselnden Größen nach unten. Dasselbe Prinzip, abgewandelt und erneuert, verwende ich auch heute noch für Papierarbeiten zur Bienenthematik. Es stellt einfach die Lagergewohnheiten der Bienen nach, die je nach Nistort alles in Wachs Gebaute von festen Elementen aus, gleich ob es Äste, Balken oder Rähmchen sind, nach unten hängend modellieren. Es sind diese Hängeregister, in denen auf die denkbar ökonomischste Weise Honig, Pollen und Brut verstaut werden.





Ich glaube, die Ausstellung hatte keinen Titel. Es ist überhaupt die erste zu diesem Thema. Die Einladungskarten waren gestempelt und kopiert, und die meisten Besucher nahmen die Gelegenheit wahr, zum ersten mal meinen Honig zu kosten.

Glas 1


Eine in die Wand gesägte Lücke, in die das Honigglas eingepasst ist. Diese minimale Skulptur fertigte ich aus Anlass des ersten Honigs, den ich geerntet hatte. Hier sieht man das Etikett mit der Jahreszahl 1992. Bis ins Jahr 2004, als die Ausstellung im Berufsverband Bildender Künstler stattfand, zu der ich eingeladen war, und worauf ich die Honiggeschichten schrieb, hatte ich mir angewöhnt, Gläser aus den einzelnen Jahrgängen aufzuheben. Aus diesem ersten Jahr allerdings fand ich nur noch eines, allerdings ohne Etikett, und heute sind sie ganz verschwunden. Die Skulptur war im selben Privathaus realisiert wie die erste Ausstellung mit Zeichnungen. Die ausgegipste Nische mit dem Glas blieb zehn Jahre dort bestehen.




Seit dem ersten Glas gab es eine Honigkasse. Im Haus, wo wir wohnten, gingen nicht nur viele Leute ein und aus. Die Bewohner selbst verbrauchten Honig. Daher war es nicht zu bewältigen, dort einen Stand zu unterhalten. Jedes Fenster war aber in ein inneres und ein äußeres Element geteilt, was den Wind abhielt, und im Winter legten wir dicke Kissenrollen in die Zwischenräume, um den kalten Luftzug abzuhalten. Der Abstand zwischen den beiden Scheiben betrug ziemlich genau zehn Zentimeter, mitsamt den Rahmen blieben acht Zentimeter, was erlaubte, den Honig zu einer Pyramide aufzubauen und die Honigkasse daneben zu stellen. Diesen Verteiler installierte ich gleich an der ersten Biegung der Treppe, unmittelbar nach der Haustür.




Kleine Bienenkunde


Bienen sind blütentreu. Das heißt, sie fliegen so lange immer dieselbe Pflanzensorte an, bis diese verblüht ist. Der Nutzen der Bienen für die Bestäubung liegt in ihrer Vielzahl. Denn Hummeln bestäuben überaus effektiv, sie fliegen alle Blüten kreuz und quer an und das funktioniert ebenfalls. Nur gibt es eben sehr wenige von ihnen. Das größte Hummelvolk besteht aus 200 Individuen, wie das Buch "Hummeln" von E. v. Hagen ausführt. Ein starkes Bienenvolk hingegen kann im Sommer bis zu 70000 Einwohner haben.
Manchmal, im Spätsommer, wenn es bereits sehr wenig Tracht gibt, müssen die Bienen weite Strecken fliegen, um überhaupt noch entsprechende Blüten zu finden. Dabei verbrauchen sie so viel Energie, dass sich der Aufwand kaum mehr lohnt. Zucker ist der Brennstoff, sozusagen Flugbenzin, Pollen hingegen wird von den Bienen mithilfe von Drüsensekreten umgewandelt und stellt schließlich Eiweiß und Fett. Ein Pollen-Honig-Gemisch dient der Aufzucht der jungen Brut. Grob gesprochen. Deshalb ist es wichtig, dass im Frühjahr, wenn die junge Brut heranwächst, die den ersten Schwung der Sommerbienen stellt, viel Pollen zur Verfügung steht. Was besonders in der Nähe von Wasserläufen, wo viele Weiden stehen, gegeben ist.
Die meisten Bienenrassen fliegen durchschnittlich drei Kilometer im Umkreis. Nur wenige, wie die Alte Englische Biene, die Bruder Adam für seine Buckfastbiene als Zuchtgrundlage verwendete, fliegen noch weiter. Ein Kreis von drei Kilometern im Stadtgebiet ist riesig. Meine Bienen vom Rosengarten erreichen damit den Ostbahnhof, die Hackerbrücke oder Stadelheim. Aber wie gesagt: Die Aufwand-Nutzen-Kalkulation geht bei solchen Strecken kaum auf.
Im Herbst verbrauchen sich die Flugbienen (...) rapide. Die Lebenszeit einer Sommerbiene hängt davon ab, wie lange sie im Flugdienst beschäftigt ist. Je länger, desto kürzer lebt sie. Ihre Flügel verbrauchen sich und sie verlässt zum Sterben den Stock. Gut eingefädelt. Die Umstellung von Sommer- auf Winterbienen geht so nahtlos, weil im Herbst die Flugbeanspruchung größer ist. Während die Winterbienen ja keine Sammelbienen sind und bis zu 200 Tage leben können. In besonderen Fällen. Mindestens aber bis zum Frühling. Die Königin schiebt nämlich über den Winter eine Legepause ein. Da sitzt sie herum, wird gewärmt und gefüttert wie ein kleines Kind. Und wartet auf den nächsten Sommer. Eine Königin lebt bis zu sechs Jahren. Aber spätestens nach drei Jahren sollte man sich um eine neue kümmern, weil die Legeleistung zurückgeht. Wenn man das den Bienen überlässt, was ich zunehmend praktiziere, schaffen sie sich von selbst eine frische an, wenn die alte verbraucht ist. (...) Bienen sind unsentimental.

Drohnen, die männlichen Bienen, werden nur über den Sommer im Stock gebraucht. Zur Befruchtung von Königinnen aus anderen Stöcken. Ab der Sommersonnenwende bereits ist ihre Uhr abgelaufen. Sie werden aus dem Stock gedrängt, unfähig selber Honig zu sammeln. Oder totgestochen. Vorsorglich ist ihnen kein Stachel verliehen worden. Man erkennt sie auf einer Wabe voller Bienen sofort, weil sie dicker sind. Neulinge rufen bei ihrem Anblick: „Da, da, ich habe die Königin gesehen.“ Später erzählt man ihnen vom Los der Drohnen und sie schlagen die Hände vor den Mund. Aber wenigstens verlieren sie das Bedürfnis, das Bienenvolk mit dem Menschenvolk zu vergleichen. Es ist ein Entschlackungsvorgang, der den Bienenstaat bereits ab dem 21. Juni auf den Winter hin trimmt.

aus den Honiggeschichten

Der erste Sommer


Es war ein Mittwoch, an dem Franz mir verkündete: „Am Samstag bekommst du Bienen.“ Ich war keineswegs sicher, ob ich das überhaupt wollte oder schon wollte. Aber er hatte beschlossen, dass es jetzt soweit war. Vielleicht ging ihm auch meine (...) abstrakte Fragerei auf die Nerven. Jedenfalls schlief ich drei Nächte nicht vor Aufregung. Ich war überzeugt, der Sache nicht gewachsen zu sein.
Irgendwo im Akademiegarten hatte vor geraumer Zeit jemand ebenfalls Bienen gehalten. Es stand dort, (...) versteckt zwischen Büschen, ein kleiner aufklappbarer Bienenstand. Unsere Klasse war in der Baracke neben dem Hauptgebäude untergebracht, ein u-förmiger, aus Nachkriegsschutt errichteter Bau mit einem verwilderten und von Kunst-Schutt übersäten Garten in der Mitte. Dorthin stellten mir die Hausmeister auf Veranlassung von Franz den Bienenstand, direkt vor mein Atelier. Er war zwei Meter lang und drei Völker passten gut hinein, zur Not vier. Drei Jahre später, nachdem ich mit den Bienen die Akademie verlassen hatte, wohnte ein Stadtstreicher darin.
Am Abend des 23. Mai kam Franz in die Akademie und wir fuhren zu seinem Bienenstand (...). Wir luden drei Stöcke in meinen Wagen und brachten sie in ihr neues Zuhause. Bienentransport ist immer aufregend, ganz gleich wie lange man Bienen hat. Später, nachdem die Fluglöcher wieder geöffnet waren, standen wir im Dunkeln eine Weile zusammen, unterhielten uns und tranken ein Bier.






Wahrscheinlich redete ich von nichts anderem in diesem ersten Sommer, erklärte allen, wie aufregend und kompliziert es war, Bienen zu halten und wie großartig ich mich fühlte, weil ich es endlich geschafft hatte, damit anzufangen. Dabei fürchtete ich mich hauptsächlich vor ihnen, ich fühlte mich wie ein Leichtgewicht, das gegen ein Schwergewicht in den Ring muss, und besonders
hatte ich Angst vor den Stichen.
Franz hatte mir seinen alten Schleier gegeben und ich benutzte dicke Arbeitshandschuhe wie ein Maurer. Aber so gut ich mich auch schützte, es gelang den Bienen immer, eine Öffnung zu finden. Ich steckte die Hose in die Schuhe, das Hemd in die Hose, die Gummibänder des Schleiers spannte ich um meine Oberarme und die Eingänge der Handschuhe umwickelte ich mit Tesakrepp. Schon um mich bienenfertig anzuziehen, brauchte ich mindestens eine Viertelstunde. Dann stand ich vor dem offenen Stock und wusste nicht, was zu tun war. Zog mal diese Wabe heraus, mal jene, unentschlossen, ohne etwas zu kapieren. Bis die Bienen wütend wurden. Nach dem Stechen fühlte ich mich meistens wie bekifft. Im Speicher über meinem Atelier hatte ich ein paar alte Matratzen gefunden, dort legte ich mich hin, bis der Rausch vorbei war. Außerdem lief ich tagelang herum, als hätte ich schlimme Schlägereien gehabt, geschwollene Lippen, geschwollene Augen, die Hände doppelt so dick.

Dann kam der Tag, als mindestens zehn Bienen es schafften, alle Schutzmaßnahmen zu unterlaufen. Sie krabbelten in meine Handschuhe und stachen mich gemeinsam in die Handgelenke. Da beschloss ich, den Schutz aufzugeben. Ich zog die Handschuhe aus, durch die ich sowieso kein Gefühl hatte und ständig Bienen unabsichtlich zerquetschte, und nahm den Schleier ab, durch dessen dunkles Drahtvisier sich wenig erkennen ließ. Natürlich wurde ich zunächst noch mehr gestochen, aber es fing an, mir egal zu werden. Außerdem begann ich bereits, mit meinen Bienen zu sprechen. Viele Imker tun das, stellte ich später fest. Wahrscheinlich sagte ich ihnen zu diesem Zeitpunkt: Stecht mich soviel ihr wollt, ist mir wurscht, ich mach trotzdem weiter. Einige Zeit darauf versuchte ich sogar, ein Abkommen mit ihnen zu treffen: Sie dürfen mich stechen, wenn ich etwas falsch mache, aber nicht ins Gesicht. Sie halten sich jedoch nicht immer daran. Bienen riechen die Angst des Menschen und wenn die nachlässt, sind sie weniger agressiv. Außerdem bildet sich beim Menschen nach häufigem Stechen eine Resistenz gegen das Gift. Und je planvoller und zügiger die Eingriffe werden, desto weniger regen die Bienen sich auf. Davon aber war ich im ersten Jahr noch weit entfernt.

aus den Honiggeschichten




Die Bienen sterben beim Stechen, da ihr Stachel mit Widerhaken versehen ist und er in der Haut der Menschen stecken bleibt. Dadurch wird der Stachelapparat heraus gerissen, was eine tödliche innere Verletzung bei der Biene hinterlässt. Die Giftblase wird von einer unwillkürlichen Muskulatur ausgedrückt. Diese pumpt soviel Gift wie möglich in den Angreifer. Die Biene sticht zur Verteidigung. Die Muskulatur, so habe ich es überprüft, pumpt nach dem Stechen und nachdem der Stachel samt Giftblase usw. isoliert in und auf der Haut sitzen, etwa fünf Minuten lang.