Stempeln


Das Stempeln ist ein Druckvorgang, wenn man des Ergebnis betrachtet. Jedoch in der Ausführung ist es ein plastischer Vorgang. Die Hand nimmt ein beschichtetes Stück Holz auf, taucht es in ein Farbkissen und drückt es ab, und dieser Vorgang wiederholt sich hunderte Male über zwei Jahrzehnte und auf die verschiedensten Untergründe bis hin zur weißen Wand. Alle neuen und viele der alten Texte, die ich benutzte, sind Buchstabe für Buchstabe gestempelt. Eine Ausnahme ist der runde APICULTURA Schriftzug in verschiedenen Größen.
Die allerfrühesten Arbeiten, noch bevor ich Bienen hielt, bestanden gelegentlich aus einem Wort, das so oft abgedruckt werden sollte, dass sich eine winzige Plastikschiene, auf die es geheftet war, dafür lohnte. Anfangs benutzte ich zusätzlich Bilder, vorgefundene Motive, die ich in Stempel umfunktionieren konnte, beispielsweise jene berühmte Dame mit dem schwingenden Rock, die die Gauloise-Zigarette auszeichnet, (ich schnitt sie aus und klebte sie auf einen Holzklotz) oder robuste Blätter, beispielsweise die des Ginkgo-Baumes.

Bild Gummitypen


Die ersten Texte waren entlang einer Bleistiftlinie oder eines Lineals gestempelt. Dann entdeckte ich auf einem Flohmarkt, bequem in Holzkästen hängend, ganze Stempelsätze mit jeweils einer bestimmten Schrifttype in einer besonderen Größe. Man hatte sie im vordigitalen Zeitalter dazu verwendet, um in Schaufenstern die Waren auszuzeichnen. Auf ein Holzklötzchen geklebte Gummi-Buchstaben sitzen in derselben Entfernung vom unteren Rand. Auf der Oberseite des Holzes ist der jeweilige Buchstabe in seiner genauen Größe abgedruckt. Die Schrift sitzt also auf einer Grundlinie, was in Worten etwas schwierig zu beschreiben ist, sich jedoch im Anblick sofort erschließt. Man schreibt damit sozusagen wie ein Erstklässler. Die Neuerung war, dass die Buchstaben nicht frei aufs Papier gedruckt werden, sondern entlang einer L-förmigen Schiene, auf der ein Schlitten läuft. Dadurch bildet sich eine Ecke, die man Buchstabe für Buchstabe weiter nach rechts rutscht und in die hinein man den Holzblock drückt. Seitlich liegen Lineale, damit man die Buchstabenreihen gleichmäßig nach unten verschieben kann. Jedoch ist der Abstand zwischen den Buchstaben frei. In manchen Worten zappeln sie nur so herum. Dass sie dennoch auf einer gerade Linie sitzen, wirkt zunächst verwirrend. Wenn ich einen Text stemple, lerne ich oft erst gegen Ende, die Abstände gleichmäßig zu setzen, das e beispielsweise etwas näher unter das w zu rutschen und so weiter.
Eines Tages fuhr ich mit einem Freund zu der Firma in Neu-Ulm, die die Buchstabensätze hergestellt hatte. Dort lagerten noch einige davon und ich nahm alle außer Sonderschriften. Die ärgerliche VW-Type beispielsweise ließ ich ihnen dort. Insgesamt besitze ich jetzt sieben verschiedene, von drei Millimetern Höhe bis zu drei Zentimetern Höhe, von schmal zu fett, von Futura über Helvetica bis hin zu einer, die aussieht wie eine Times. Später ließ ich mir ein längeres Aluprofil schneiden, damit ich lange Texte nicht nur auf größeres Papier, sondern auch auf die Wand stempeln kann.

Gewisse Blätter scheinen ohne Sinn, dienten jedoch dazu, die Gummitypen von einer dunklen Farbe zu säubern, um auf eine helle wechseln zu können.










Während der letzten zehn Jahre ist in geringem Maß Schreibmaschinenschrift hinzu gekommen. Ursprünglich benutzte ich sie nur, um die Honigetiketten zu beschriften. Heute fertige ich auch bestimmte Texte damit. Der Buchstabenabstand ist nicht im Geringsten variabel, so dass jedes Wort starr und unharmonisch aussieht. Das hat seinen Reiz, aber ich setze diese Art nur selten ein. Im Übrigen ist die Breite jedes Papiers, das man mit der Schreibmaschine einzieht, begrenzt. Bei uns entspricht das in etwa dem DIN A 4 Format. Zieht man vom Ergebnis her den gleichen Rückschluss auf die Fertigung, landet man ebenfalls bei der Hand. Sie drückt Taste für Taste nieder und lässt den blechernen Buchstaben zum Papier sausen.

Jack Kerouac tippte die erste Fassung seines berühmten Buches On The Road auf einzelne Bögen von länglichem Zeichenpapier, die er aber aneinander klebte, so dass eine schier endlos lange Rolle entstand. Literaturwissenschaftler vergleichen sie heute natürlich mit der Straße, auf der er sich bewegt hatte. Er lieferte die Rolle beim Verlag ab. Dann machte er sich sofort an eine Überarbeitung und danach sofort ein weiteres mal, ich weiß nicht, wie oft. Auf der rororo Ausgabe, die man hier zu kaufen bekommt, steht eigens vermerkt, es sei die Urfassung, aber wie zur Strafe häufen sich darin 130 Seiten lang die Nachworte.