the missing link



Die lange Berufs- oder Berufungserfahrung mit den Bienen bringt meine Ansicht hervor, dass der Honig, insbesondere der Stadthonig das „fehlende Bindeglied“ zwischen den Stadtbewohnern und der städtischen Natur bildet. Viele Menschen, nicht nur solche, die in der Stadt wohnen, stehen, was die Natur betrifft, zwar außen und werden dort auch bleiben, jedoch sind sie den drängenden Problemen, beispielsweise dem Bienensterben oder den klimatischen Veränderungen gegenüber offen und interessieren sich für Naturzusammenhänge.
Häufig stelle ich fest, dass die Menschen der Stadt einen beschaulichen Umgang mit den Pflanzen pflegen. Sie betrachten aufmerksam die vielfältigen Farben der Blüten, atmen den betörenden Duft ein, sie laufen ziellos im Rosengarten umher und beugen sich zu den kleinsten Blumen hinunter, um sie in Augenschein zu nehmen oder daran zu riechen. Sie suchen ihre Lieblingsorte auf, lassen sich dabei durch den Garten treiben und landen bei den Bienenstöcken, verfolgen das Geschehen dort eine kurze Weile, schauen den Bienen beim Ein- und Ausfliegen zu und wenden sich beispielsweise nach dem stark duftenden Flieder um. Einige wissen genau über die Vorgänge am Bienenstock Bescheid, ohne deren genauen Sinn zu erkennen. „Neulich haben Sie doch diese Waben da heraus gelegt“, sagen sie mir beispielsweise. Ich erteile die Auskunft, dass das Drohnenwaben waren, und lege Rechenschaft ab, warum ich das getan habe. Daraufhin geben die Menschen eine ganze Menge Wissen preis, das sie vom Lesen aus Zeitungen oder vom sogenannten Hörensagen erworben haben. Und so entspinnt sich ein Gespräch.
Bienen sind ein von der Natur bereit gestelltes Gelenk zwischen den Pflanzen. Leider bringt erst ihr Sterben zu Bewusstsein, dass sie, statistisch betrachtet das drittwichtigste Nutztier der Erde sind, und das ist insofern erschreckend, als eine Tierart offenbar erst vom Aussterben bedroht sein muss, bevor man ihre Wichtigkeit erkennt. Andere Tierarten übrigens, die ebenfalls eifrig bestäuben, beispielsweise die Hummeln, die Solitärbienen, die Schmetterlinge und so weiter, fallen bei dieser Rechnung unter den Tisch.
Die Spaziergänger und Fragensteller, die ich während der vergangenen Jahre im Rosengarten beobachten konnte, lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Dennoch fällt auf, dass ihre Fragen sich ähneln, dass sie von den in den Medien ausgebreiteten Themen angestoßen sind und dass ihre Art der Betrachtung nicht systematisch, sondern schwärmerisch ist. Diese Art hat etwas für sich, wenngleich sie dem Experten, zu dem man zwangsläufig mit der Zeit wird, laienhaft erscheint.
Honig zu essen, vertieft das Interesse. Insbesondere der Honig, den der Stadtbewohner und Spaziergänger in den öffentlichen Gärten von dem Ort isst, an dem er lebt, erweitert seine Kenntnis der Zusammenhänge und führt dazu, dass er genauer hinschaut. Dazu fällt mir das Sprichwort „Liebe geht durch den Magen“ ein. Oft weckt der Stadthonig erst den zugeneigten Blick und verweist darauf, dass neben den klassizistischen Häuserfassaden, den vielfältigen und oft teuren Automarken, den Rolltreppen in eine Tiefe, aus der verbrauchte Luft herauf geschoben wird und dem weit verzweigten U-Bahnnetz ein Paralleluniversum aus Flora und Fauna existiert. In München nennt man die Isarauen „Grüngürtel“ oder „grüne Lunge“. Genau diesen, am parallel abrollenden Leben im jahreszeitlichen Kreislauf beteiligten Blick, wünscht sich der Experte. Es ist der noch nicht wissend abwinkende, sondern manchmal besorgte und meist neugierige Blick, der häufig dazu in der Lage ist, neue Erkenntnisse über die zu einem großen Teil noch offenen Naturzusammenhänge hervor zu bringen. Über Bienen wissen wir weniger, als wir denken. Und genauso ist es bezüglich der Pflanzen, zwischen denen die Bienen als arbeitsame Katalysatoren hin und her eilen und ihren Schwestern in sogenannten Tänzen mitteilen, wo sich ausgedehnte Futterquellen finden.
Die wissenschaftliche Herangehensweise, die manchmal vorher festlegt, was sie herausfinden will, um es anschließend als gegeben zu beweisen, ist bei vielen Künstlern nicht gut beleumundet. Hier tut sich ein uralter Konflikt auf, der den forschenden Geist ursprünglich nicht sofort als wissenschaftlich einordnet und der einem Auge, das sich nur mithilfe des Mikroskopes tiefer und tiefer in den Mikrokosmos schraubt, nicht zwangsläufig vertraut. Die Geste des Zurücktretens vom Schauplatz, um das Ganze mit einem Blick zu erfassen, kommt wieder in Mode.

Erst spät stieß ich auf die tiefe Bedeutung des Stadthonigs, den ich bisher für ein bemerkenswertes, aber nicht allzu wichtiges Nebenprodukt meiner Bienen gehalten hatte. Bienen, dachte ich ursprünglich, kann man überall in der Stadt aufstellen. Zur Zeit ist eine lebhafte Bewegung in den Städten erkennbar, die genau das tut. Die Beteiligten betreiben eigene Portale im Internet. Manche wollen Bienen auf das Rathaus stellen und auf öffentliche Gebäude jeder Art, um auf die Bienenproblematik aufmerksam zu machen. Sie bringen ihre Stöcke in Stellung wie Marschflugkörper. Mein skulpturaler Ansatz umfasst, dass Bienen nicht nur im städtischen, sondern auch im öffentlichen Raum stehen müssen. Und mit dem Honig als fehlendem Bindeglied sollen die Bienen an ihrem Aufstellungsort besuchbar sein. Die Menschen, die den geernteten Honig essen, müssen hingehen und den Bienen bei der Arbeit zuschauen können. Der Städtische Rosengarten am Schyrenbad ist in dieser Hinsicht ein absoluter Glücksfall. Ich will nicht großspurig behaupten, dass es nicht ähnlich geeignete Orte in München gibt (beispielsweise den Nymphenburger Park). Doch insgeheim denke ich, dass der Rosengarten glücklicher ist.
Eine Frage, die mir häufig von besorgten Müttern, die ihren Kindern meinen Honig zum Essen geben möchten, gestellt wird und die alle Berechtigung hat, ist die nach der Schadstoffbelastung in der Stadt. Dazu gibt es viel im Detail zu sagen. Unterm Strich ist die Stadt für Bienen ein gültiger Lebensraum. Draußen auf dem Land gibt es Gifte, die eigens auf die Pflanze zugeschnitten sind, um die schädigenden Einflüsse von innen heraus einzudämmen oder zu beseitigen. Das große Versprechen von "Genmais" und "Genraps" lief im Jahr 2011 noch auf eine unbewiesene Behauptung hinaus. Die Insektizide, Fungizide, Pestizide, Herbizide sind Designgifte. Sie lassen die eine Pflanzenart, auf die sie zugeschnitten sind, besser gedeihen und töten den Rest ab. Dadurch provozieren sie Monokulturen. Das sieht man beispielsweise den Feldrainen an, die um Rapsfelder verlaufen. Man wird dort außer einigen hartgesottenen Kamillen wenig finden. Reste dieser Gifte werden zusätzlich vom Wasser im Boden über weite Strecken transportiert. In Deutschland, sagte ein Freund, gibt es kein von Bienen überflogenes Gebiet, in dem unbehandelter Raps angebaut wird. Die Bienen einer Kolonie befliegen zwischen drei und fünf Kilometern im Umkreis. Je nach dem, wie flugstark die Sammlerinnen eines Volkes sind, ergibt das eine Fläche von dreißig bis siebzig Quadratkilometern.
Die großen Trachtquellen der Stadt sind die Bäume. Hier erkennt man das Schneiden auf Hochstamm. Meistens sind die Bäume so geformt, dass die Blütenkrone erst oberhalb einer Durchfahrtshöhe für Lastwagen, das heißt ab vier oder fünf Metern beginnt. Auspuffgase, insbesondere Ruß und Feinstaub sind giftig, jedoch schwerer als Luft, so dass sie in der Nähe der Straßen zu Boden sinken. Sie werden oftmals verwirbelt, aber letztlich fließen sie dem tiefsten Punkt zu. Die Pflanzen, wie mir ein Biologe erklärte, besitzen hervorragende Filtereigenschaften. Ein Schwermetall gelangt nicht in den Nektar, da die Pflanze es herausfiltert. Schließlich sind diese Schwermetalle nicht auf die Pflanze zugeschnitten, sondern auf den Ottomotor. Dennoch war es mir wichtig, meine Bienen an einem Ort aufzustellen, an dem sie von Auspuffgasen nicht erreicht werden. Wirklich schädlich ist es, sein Baby in einem niedrig liegenden Kinderwagen neben einer stark befahrenen Straße entlangzuschieben.