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Dieses Blatt ist mir wichtig und passt in den Zusammenhang, steht hier aber einzeln, da es Teil einer größeren Sammlung ist, die nichts mit den Bienen zu tun hat. Ab dem Jahr 2012 begann ich, den informatischen Austausch zwischen Bienen und Pflanzen oder zwischen ihnen untereinander, sogar zwischen den einzelnen Völkern an einem Stand und darüber hinaus, zu untersuchen. Augenscheinlich müssen Informationen hin und her gereicht werden, wenn sich Bienen und Pflanzen über den Zeitpunkt der täglichen Nektarabsonderung abstimmen und diesen möglicherweise verschieben, oder wenn die Pflanze die Nektarzusammensetzung ändert, damit die Bienen lieber kommen, oder die Dauer der jährlichen Blühperiode ausdehnt, manchmal um Wochen verlängert, wenn die Pflanze nicht ausreichend bestäubt ist. Auch die Pflanzen untereinander müssen sich in diesen Fällen verständigen. Mir fielen zahlreiche Formen ein, in denen sich Bienen austauschen. Ein prominentes Beispiel ist die von Karl von Frisch beschriebene Tanzsprache. Spannend wird es, wenn Völker untereinander kommunizieren. Sie tauschen genetische Informationen aus, indem die Königin des einen durch Drohnen aus anderen befruchtet wird. In klimatisch ähnlichen Gegenden kann es ein Schwarmjahr geben, in dem sich Bienen häufig teilen, während in anderen Jahren absolute Stille herrscht. Dies muss auf eine gemeinsame, womöglich klimatische Information zurück gehen.
Solche Geheimnisse versuchte ich zunächst zu sammeln, bevor ich ihnen auf den Grund gehen wollte. Ich legte eine Liste an. Doch dann blieb das Vorhaben stecken.

(Scan: gestempelte Pfisterbiene mit Ortung)

Eines Tages entdeckte ich auf dem Einwickelpapier einer Münchener Bäckereikette eine Biene. Da man das Papier ständig neu druckte und dabei veränderte, wurde die Biene gelegentlich größer, dann schrumpfte sie auf das Originalmaß einer echten Biene oder wurde so klein, dass sie kaum ins Auge fiel. Lange prangte sie in sehr hellem Blau, dann wurde sie dunkelblau. Das Papier selbst wirkt erst sehr einfach und ich begann, mich zu wundern, wie das Brot so lange halten konnte, obwohl nichts weiter es bedeckte. Dann fiel mir auf, dass bei jenem Papier, das die Verkäuferinnen im Laden zum Einwickeln der Laibe benutzen, außen das Bedruckte liegt und innen eine hauchdünne Plastikfolie, die sich mit etwas Geschick abziehen lässt. Zusätzlich scheinen alle paar Zentimeter kleine Luftlöcher eingestanzt zu sein. Nachdem die Folie abgezogen ist, bleibt ein wirklich dünnes Papier, es kann höchstens 20 Gramm schwer sein, das beim Aufkleben sofort die Farbe des Untergrundes durchscheinen lässt. Die Kette beliefert auch Supermärkte, sogar im Umland, und kauft man dort das Brot, lässt ein handbreiter, klarsichtiger Plastikstreifen erkennen, um welches Brot es sich handelt, und der Rest besteht aus einem beschichteten und bedruckten sogenannten Butterbrotpapier. Dort sind die Bienen dann ganz klein und überaus dunkel gehalten.
Da viele Freunde in München lebten und Filialen in direkter Nähe zu deren Wohnorten lagen, bat ich sie, diese Bienen für mich zu sammeln. Daraus entwickelte sich dann beinahe ein Sport. Denn plötzlich drückten mir Freunde von Freunden, Menschen die ich gar nicht kannte, kleine Umschläge in die Hand, in denen sich einige dieser ausgerissenen Bienen fanden. Manche Sammler lernte ich nicht einmal kennen, denn sie ließen unbekannterweise, wenn sie die Wohnung, in der ich nicht allein lebte, betraten, ihren Umschlag auf dem Kühlschrank liegen. Es wurde ein lustiges Spiel, bis ich eine ganze Schachtel davon füllen konnte, in den verschiedensten Größen und Farben, und ich ließ weitersagen, als handle es sich um „Stille Post“, dass es nun genug sei.

Fliederquartier


Im Jahr 2013 begann die Blüherei wie üblich verfrüht. Die meisten werden sich bereits gewöhnt haben, dass die Zierkirschen ihre hauchdünnen Blütenblätter entfalten, obwohl es tagsüber kalt und windig ist und Nachtfröste fallen. Und ich frage mich, ob ich ein Anachronist bin, denn Jahr für Jahr reagiere ich gleich unverständig und nehme die entgleisten Blühzeiten, die den Bienen zu schaffen machen, persönlich. Die Fliederblüte beispielsweise ordne ich beharrlich dem Wonnemonat zu wie man sich das Eis unter den Eisbären denkt. Dennoch war ich gezwungen, einige bislang feststehende Umgangsweisen im Denken aufzuweichen und in der Handhabung zu ändern.
Im Mai 2013 regnete es beinahe durchgehend und eine weiß blühende Esskirsche, die unglaublich süße, fast schwarze Früchte hervor bringt, lieferte nur verfaulte Klumpen. Des Regens halber, mutmaßte ich, könnte alles nach hinten ins Jahr hinaus verschoben sein. Der Sommer wurde dann lau. Daher schleuderte ich zum ersten mal seit Anbeginn meiner Imkerlaufbahn Honig aus dem August. Er schmeckt etwas herber.

Bis zum Frühjahr 2012 stand direkt hinter den Bienen, angrenzend an den Bach, das sogenannte Fliederquartier. Es bestand aus alten, einmaligen Züchtungen, die im Frühjahr in einzigartigen Farben, die man sonst vom Flieder nicht kennt, zu blühen begannen und dufteten. Wie bei den Kirsch- oder den Apfelbäumen und so weiter waren sie auf wuchsstarke Unterlagen gepfropft worden. Ich habe nicht nachgezählt, aus wievielen Bäumen das Quartier schließlich bestand, vielleicht aus dreißig. Die Leute sonnten sich nicht nur darin. Öffnete ich wochenends die Bienenkästen, sammelten sie sich zu Gruppen, standen im Viertelkreis hinter mir und löcherten meinen Rücken endlos mit immer denselben Fragen. Offenbar gaben die alten Bäume ihnen außerdem Deckung. Manche wippten weiter hinten auf den Zehenspitzen, andere trauten sich vorwitzig bis an den Stand und schauten mir über die Schulter. Jetzt, da die Flieder ausgerissen worden sind, verläuft ein drei Meter breiter Grasstreifen hinter den Stöcken entlang und die mögliche Flucht ist nur zur Seite hin kalkulierbar. Früher konnte man sich einfach zwischen den Fliederbäumen hindurch verdrücken. Es hieß vonseiten der Stadt, dass die Bäume eine Gefährdung darstellten, da sie alt und morsch waren. Daher wurden sie abgesägt und die Wurzelstöcke ausgerissen. Nachträglich gab es natürlich Proteste in den Zeitungen. Allerdings sind mithilfe von Stecklingen Ableger gemacht worden, die über den Rosengarten verteilt stehen. Hinter den Bienen verläuft jetzt eine Anzuchtfläche. Dort werden je nach Jahr beispielsweise Hamamelispflanzen oder verschiedene Sorten Winterschneeball kultiviert. Die Menschen haben zum Glück eine Scheu, in die aufgeworfenen Ackerfurchen zu treten. Für das Imkern ist es eine Erleichterung. Im Winter jedoch, wenn die Flächen kahl stehen, fehlt den Bienen, die für jede Erschütterung empfindlich sind, der Sichtschutz.

Mad Man


Im Magazin der Süddeutschen Zeitung stand ein Interview mit einem iranisch-amerikanischen Werbemann. Ich stempelte ihn wegen dieses Interviews, muss ich zugeben, für mich gleich als einen der Mad Men ab. Es gab eine amerikanische Fernsehserie mit diesem Titel und ich hatte die ersten beiden Staffeln der Serie, die Ende der Sechziger Jahre spielt, verfolgt und geschätzt. (Doch anschließend hatte ich das Interesse verloren.) Wenn jemand zu diesem Mann in sein New Yorker Büro kommt und nicht weiter weiß, gibt er einen Motivationsspruch aus: „Echte Kämpfer essen keinen Honig - sie kauen Bienen.“