Die wild lebenden Honigbienen unterscheiden sich nicht von jenen,
denen wir Unterschlupf gewähren. Bienen lassen sich im Grunde nicht
domestizieren. Selbst wenn man sie dazu bringt, Waben so auszubauen,
wie man es ihnen vorgibt, und sie zu kultivieren, sie zu halten und
zu pflegen, wie es ihnen zukommt, bleiben sie sogenannte Wildtiere.
Das macht den Umgang mit ihnen verführerisch, denn man steht in
direkter Verbindung mit dem, was man, sozusagen über den Kamm
geschoren, als Natur bezeichnen könnte. Daher beispielsweise werden scheinbar domestizierte Bienen, die als Schwarm aus dem Stock ausgezogen sind, wieder an wild
anmutenden Plätzen Unterschlupf suchen. Oder umgekehrt können sie in einem Baum hängen und man fängt sie, man schlägt sie in eine Beute ein
und sie bauen dort, als lebten sie wild.
Das Stipendium war für den Städtischen Raum ausgeschrieben,
speziell für Parks, wobei ich sofort an entlegene Spazierwege im
Englischen Garten dachte. Bienen stören dort niemanden, aber für
Spaziergänger können sie einen Aufschluss bieten. Mein Projekt, mit
dem ich wieder einmal das städtische Projektstipendium oder
irgendein anderes, bei dem es Geld zu erhalten gab, gewinnen wollte,
sah vor, Nisttürme für wild lebende Honigbienen aufzustellen.
Letztlich waren es Litfaßsäulen, die ich verwenden wollte oder es
wären Abwasserrohre gewesen, vier Ringe davon übereinander gelegt.
Dazu wollte ich einen schweren, schirmenden Deckel obenauf legen. Relativ weit
oben, jedenfalls unerreichbar für unten stehende Personen, sollten
jeweils drei schießschartenartige, längliche Öffnungen in den
Beton geflext werden. Die nach innen weisenden Flächen wollte ich
dabei farbig anstreichen, als Anflughilfe für die Bienen, und die
Öffnungen sollten schließlich so schmal sein, dass die Bienen in
die Lage gebracht würden, sie zu verteidigen. Ins Innere wollte ich
einen Korb hängen, der drei gleich große, geschlossene Räume
anbieten sollte. Diese hätten in etwa eine stehende Dreiecksform gehabt und
ihre Ränder zur Säule hin, im Inneren, wären verkittet gewesen.
Denn im Herbst, wenn der Honig knapp wird, verengt der Imker die
Fluglöcher, damit ein Volk sein Futter verteidigen und das eine
nicht das andere ausrauben kann. Im Zuge von Räuberei stechen sich
jährlich haufenweise Völker gegenseitig tot. Im Inneren der Räume
hätten sich die Bienen ihr Nest im Wildbau anordnen können. Ich
hätte nicht vorgehabt, den eingetragenen Honig zu ernten. Er wäre
die Nahrung für den Winter gewesen und da in der Stadt die Menge des
Frühjahrshonigs bereits den Bedarf für den Winter deckt, wären
umgehend Schwärme entstanden. Diese hätte ich beispielsweise, wenn
ich sie gefangen hätte, in benachbarte Räume einschlagen können.
Die Besiedelung der insgesamt fünf Säulen, die ich plante, wäre im
Nu vollzogen gewesen.
Nur die Behandlung gegen die Milbe hätte ich jedes Jahr im Herbst
unternommen.
Der Konjunktiv in meinem Text weist darauf hin, dass ich keine
Fördergelder bekam. Allerdings bleibt das abgebildete Gipsmodell mit
Deckel, das die späteren Proportionen nachstellt. Es ist
eingelagert, aber ich kann es bei Bedarf heraus ziehen. Dazu habe ich
Zeichnungen und Collagen. Das Schöne an diesen Arbeiten ist, dass
sie fortbestehen. Sie kommen über das Modellstadium nicht hinaus,
aber auf lange Sicht gesehen, ist das nicht tragisch. Übrigens war
ich später nicht sicher, ob der Wettbewerb selbst über die erste
Planung hinaus kam. Denn ich reichte zwar mein Modell und Zeichnungen
und die dazu gehörige Beschreibung ein, doch ich erhielt den ganzen
Packen schnell zurück und hörte nie wieder von der Sache. Es könnte
also gewesen sein wie im Jahr 1999 bei der Ausschreibung zum
Nordwest-Sammelkanal. Erst wurde groß posaunt, dann versiegte das
Geld.
Nisttürme
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