Um das Jahr 1999 wurde ich zu einem Wettbewerb eingeladen, er war
ausgeschrieben worden, damit Künstler Ideen und Entwürfe zum sogenannten
Nordwestsammelkanal ablieferten. Das war damals ein weitgehend fertig
gestellter Kanal, der süd-westlich beginnend, dann nördlich um
München herum reichte, um künftig Abwässer aufzunehmen. Die
gedachte man schließlich durch eine Kläranlage im Norden Münchens,
bei Eching, zu schicken und dann in die Isar zu leiten.
Damit einher
ging ein riesiges Bauprojekt und eine gewaltige Stadterweiterung nach
Westen, etwa 60.000 Wohnungen, die den menschlichen Zustrom aufnehmen und den
Abwasserbedarf regeln sollte. Um das Gut Freiham herum, das dort seit dem
zwölften Jahrhundert steht, mit einer altbackenen Wirtschaft, einem
Biergarten und Stallungen, wollten die Stadtplaner Hochhäuser
errichten und auf den nördlich davon gelegenen Äckern ein Industriegebiet anlegen.
Im Norden der Stadt ließ sich hingegen nicht viel ändern, zumindest vorerst, da der
Kanal nördlich vom Hasenbergl und der Panzerwiese, nördlich des
Autobahnrings sogar, jedoch südlich der Schleißheimer Flugwerft
erst durch das Ackerland um Hochmutting, dann durch Mischwald und schließlich durch eine karge Heide,
die eine geschützte Landschaft ist, führen würde. Jedoch war der
Kanal von vorne herein so groß ausgelegt, dass er auch Abwässer,
die man nördlich aus der Stadt heraus leiten würde, aufnehmen
können sollte.
Der Bau war rechteckig, mit Außenmaßen von 5,60
Metern Höhe und 3,60 Metern Breite, und er war Anfang der Neunziger
Jahre gebaut und im Jahr 1999 fertig gestellt worden. Als ich ihn mit
anderen Künstlern zusammen besichtigte und über eine der
Einstiegsstellen in der Fröttmanniger Heide hinab kletterte, war ich
beeindruckt von seinem Ausmaß. Diese Heide liegt innerhalb eines
ehemaligen Bundeswehrgeländes, die Pflanzen dort sind teilweise selten und geschützt und sie siedeln sich nur spröde und über Jahre hinweg an, da der
Boden völlig karg ist. Es ist ein Landschaftsschutzgebiet.
Anlässlich eines Hochwassers im Jahr 2010 gab es eine immense
Welle Beschwerden von Anwohnern, da ihre Keller überschwemmt worden
waren. Ein unabhängiges Gutachten der Technischen Universität
München bestätigte, dass beim Bau Fehler gemacht worden waren. Man
fand heraus, dass der Kanal nicht nur Abwässer fort schaffte,
sondern wegen baulicher Mängel bei starkem Regen wie ein Damm
wirkte. Das Grundwasser konnte
den Kanal nicht umströmen, denn das drum herum eingearbeitete Material war
nicht ausreichend durchlässig. So zog sich diese ganze Geschichte
hin, mit gerichtlichen Klagen, in denen die Anwohner Schadenersatz
forderten. Und im Jahr 2013 wurde der Kanal wiederum saniert. Ein
Bewohner gab ein zweites Gutachten in Auftrag. Letzte Berichte im
Internet fand ich bis ins Jahr 2015, als wiederum ein drittes (noch unabhängigeres) Gutachten in Auftrag gegeben wurde. Jedoch schien damit die Sache
nicht zum Ende zu kommen. Im Grunde wurde in der Zeitung, wenn man etwas über den Münchner Westen las, nur über eine neue Volte in dem Fall berichtet.
Die eingeladenen Künstler ließ man Entwürfe und Modelle anfertigen. Meiner sah vor, dass etwa fünf bis zehn Bienenwanderwägen für Bienenhalter bereit gestellt würden. Ein Imker, sobald er sich meldete, bekäme einen Wagen zugeteilt. Im Gegenzug sollten die Imker dazu verpflichtet werden, mit ihren Bienen entlang des Kanalverlaufs zu wandern, was übers Jahr hinweg eine Reihe verschiedener Trachten einschloss. Um die Einstiegsstellen herum ließen sich leicht Standplätze anlegen, beziehungsweise mussten sie nur ausgewiesen werden.
Die Wanderwägen bestanden aus einem Teil, in dem die Bienen standen, etwa fünf bis acht Völker, und einem getrennten Raum, in dem Gerätschaften gelagert werden konnten und in dem geschleudert werden sollte. Im Grunde handelte es sich um teilweise ausrangierte Bauwägen der Stadt, die ohnehin beim Bau des Kanals ihren Dienst getan hatten. Sie sollten runderneuert und für die Bienenhaltung hergerichtet werden. Es steckte, sozusagen als Schmankerl, eine Recyclingidee darin. Die Vorbereitung würde keine allzu massiven Eingriffe erfordern und schon gar keine in die Grundkonstruktion der Wägen. Außen schließlich würden sie mit Aluminiumblech beschlagen, damit sie glänzten und für das Auge sofort kenntlich wären. Das war eigentlich schon alles.
Nachdem man uns Künstler bemüht hatte und die Ideen gesammelt worden waren, versickerte das Projekt, da kein Geld für uns zur Verfügung gestellt wurde. Der Bau des Kanals hatte mehr als 200 Millionen Euro verschlungen. Doch nach seiner Fertigstellung wurde über fünfzehn Jahre lang daran herumgeflickt und samt der Gutachten aufwendigst prozessiert. Da kein Ende abzusehen war, konnte man sich vorzeitig kaum mit Künstlern schmücken. Selbst für unsere Entwürfe und Modelle gab man kein Geld mehr aus.
Ich hatte auf dem Flohmarkt eine Reihe von Automodellen erstanden. Darunter waren eine rosafarbne Ente und ein hellblauer Trabi. Von einem weiteren Fahrzeug montierte ich die vorderen Räder ab. Sie waren frei beweglich und mit einer dünnen Eisenstange verbunden. Die steckte ich durch zwei Löcher, die ich in den Unterboden meines Modells gebohrt hatte und klebte die Räder seitlich wieder auf. Und auf einer massiven Grundplatte errichtete ich aus Aluminiumblech das Modell eines der geplanten Bienenwanderwägen. Die Verbindungen sind genietet.