Orientalische Mörtelwespe



Der Blog namens Wilder Meter (www.wildermeter.de) erschien seit geraumer Zeit, aber es wurde Herbst 2017, als ich über eine Freundin davon erfuhr. Die Redakteurin des Blogs beschreibt in ihren Beiträgen, was man auf einem städtischen Balkon anstellen kann und was auf ihrem speziellen Balkon im fünften Stock in der Nähe des Arnulfparks gerade passiert. Sie sagt auch, welche gärtnerischen Arbeiten gerade geboten sind, um Pflanzen zu kultivieren, deren Nektar für bestäubende Insekten schmackhaft ist. Begeistert hat mich das Angebot von verschiedensten Nisthilfen. Viele Insekten bilden keine Völker, nicht einmal Sommervölker wie die Hummeln, sondern leben einzeln, als Solitärbienen, Schmetterlinge, besondere Wespen und so weiter. Sie erbauen ein je nach Art spezielles Nest, legen darin die Brut fürs nächste Jahr ab und sterben zum Winter hin. Im Sommer, während sie Nektar sammeln, bestäuben sie. Man unterschätzt ihre Effektivität.

Im Jahr 2013 gab es einen milden Sommer und ich hatte wochenlang das Fenster geöffnet. Während dieser Zeit baute ein mir unbekanntes Insekt so etwas Ähnliches wie Amphoren aus hartem, leicht porösem Lehm. Sie waren oben wie unten gleich geformt und ähnelten zwei aufeinander gestülpten Töpfen mit nach außen geschrägtem Rand. Sie waren an der Innenseite einer ledernen Fototasche befestigt. Darin befand sich eine veraltete analoge Kamera, mit der ich früher fotografiert hatte. Ich öffnete die Tasche nie und holte sie nie vom Schrank, wollte sie aber auch nicht weggeben, fragte mich jedoch, wie das Insekt das gewusst haben konnte. Vielleicht war ich mitsamt meinen Gewohnheiten ausgekundschaftet worden. Später im Jahr wurde es kälter und einmal, als ich das Fenster geschlossen hatte, flog das Insekt von innen gegen die Scheibe und landete auf dem unteren Falz des Fensters. Es hatte wohl nach seiner Brut sehen wollen. Meine Tochter war gerade da und wir machten Fotos und versuchten, seine Gattung zu bestimmen, wir wollten wenigstens den Namen erfahren. Erst Jahre später, nachdem die Redakteurin der Seite Wilder Meter die Bilder ins Netz gestellt hatte und Spezialisten sich darüber hermachten, erfuhr ich, was für eine Art es war. Es handelte sich um die Orientalische Mörtelwespe, die eigentlich aus Indien und Nepal stammt. Ihr Hinterleib ist schwarzgelb gestreift, die Einschnürung lang, die Beine leicht rötlich. Wir ließen sie gleich hinausfliegen und sie ließ sich dafür nicht mehr blicken. Sie ist eigentliche eine harmlose Wespenart, betäubt Spinnen und legt sie ihrer Brut als Nahrung bei. Aus den ägyptischen Lehmgefäßen schlüpfte später jedoch keine Brut. Wir wollten sie nicht aufbrechen, sondern bewunderten ihre hermetische Form von außen. Ich weiß nicht mehr, wie ich auf die Tasche gekommen war. Manchmal versetzt man sich in etwas hinein, und sei es eine seltene Wespe und denkt sich den unmöglichsten Platz aus.

Kurz drauf kaufte ich ein Fachbuch, das ein Freund mir empfohlen hatte. Darin ging es um Nisthilfen. Dort stand jedoch nicht, wie man sie erbaute, sondern was man auf keinen Fall machen durfte. Später durchstreifte ich mit detektivisch zusammen gekniffenen Augen einen Baumarkt oder blickte bei Bekannten auf deren winzige Nisthilfe mit einem Dächlein oben drauf. In fast allen lag mindestens ein ganzer Ziegelstein nach DIN Norm, mit viel zu großen Löchern, völlig nutzlos.
Als dann die Mitteilungen des Blogs Wilder Meter eintrafen, war ich froh, dass nicht schon wieder jemand dem Hype folgte und zwanghaft Bienen in einem ans Balkongestänge gehängten Kasten halten musste. Endlich geschah etwas Vernünftiges. Jemand kümmerte sich um den riesigen Rest. Die Betreiberin des Blogs interviewte zusätzlich Insektenforscher, forderte zum Kauf von Insektenweiden auf und machte auf Vorträge aufmerksam. Man spürte, wie sie der neuen Saison der schlüpfenden Brut mit Freude entgegen sah. Mir ist das von den langen Jahren der Haltung und Pflege der Bienen bekannt. Wie bereits erzählt, las ich mir anfangs im Winter die Kenntnisse an, die ich im Frühjahr hoffentlich einsetzen würde. Vielleicht würde es auch wieder nichts werden, beispielsweise mit der vereinfachten Form, Ableger zu bilden. Dann würde ich auf meinem alten Stiefel sitzen bleiben und hoffen, dass im Folgejahr etwas daraus werden könnte. Ich fieberte den ersten Schneeglöckchen und Märzenbechern entgegen, im Januar sah ich bereits den Hamamelisstrauch blühen und machte mich an die Erkundung der verschiedenen Sorten des Winterschneeballs. Der Anfang des Frühjahrs, solang man die ersten Pflanzen an den Fingern abzählen kann, ist mir fast die liebste Zeit.