Bienensummen


Es war das Jahr 2000 als ich eine Menge frischer Ideen für den künstlerischen Umgang mit Bienen entwickelte. Mit dazu gehörte der Klang des Bienensummens. Natürlich hatte ich vorher schon mit diesen aggressiven Geräuschen gearbeitet, sie waren sogar Teil einer Radiosendung gewesen, aber diesmal wollte ich hochwertige Aufnahmen machen. Ein Freund kam mit einem ziemlich kleinen, leistungsfähigen Mikrofon, gerade so groß, dass es zwischen den Wabengassen baumeln konnte, und wir nahmen verschiedene Aufnahmen. Der Freund arbeitete die Funde später in eine Komposition ein. Für mich allerdings war der reine Klang ohne absichtliches Zutun wirklicher.





Vermittels des Hochleistungsmikrofons machten wir kurz hintereinander zwei Aufnahmen. Die eine in einem hölzernen Stock, den ich zuhause in Pasing stehen hatte, die andere in einem Styroporstock im Rosengarten. Bei der ersten Aufnahme beachtete ich nicht, dass die Bienen nicht nur unablässig gegen ein ungeschütztes Mikrofon stoßen würden, sondern augenblicklich beginnen würden, es mit Wachs an die nächste Wabe zu heften. Es wäre danach mit einer feinen Wachs- und Propolisschicht konserviert wie eine ägyptische Mumie. Daher misslang die Aufnahme im Holzstock. Man hörte alle paar Sekunden einen Knall, der einen zurückschrecken ließ. Die Bienen stießen laufend gegen das Mikrofon. Das übertönte den klaren Klang und es fiel schwer, sich auf das Hintergrundgeräusch zu konzentrieren. Immerhin war ich überrascht, da ich mir bisher nicht das tatsächliche Gedränge in einem sommerlichen Bienenstock vorgestellt hatte.
Im zweiten Fall modellierte ich einen kleinen Käfig aus Draht, mit dem ich das Mikrofon umhüllte. So kam es zu einer gleichmäßigen, feinen Aufnahme. Wie sich zeigte, waren diese Stöcke die idealen Resonanzkörper. Sie fingen zusätzlich zum Bienensummen jeden noch so leisen Umgebungsklang ein. Daher konnte man unterscheiden, ob auf dem nahen Bahndamm einer der schweren, langen Güterzüge vorbeirollte oder ein schneller Personenzug entlang rauschte. Der Freund, der das Mikrofon mitgebracht hatte, trat einige Meter zurück, ich stellte mich zu ihm und wir begannen eine gedämpfte Unterhaltung. Zunächst hörte es sich an, wie ein entfernt rauschender Wasserfall, doch bei genauerem Hinhören stellte ich fest, dass es unser schleppender Dialog war. Richtete man die Aufmerksamkeit ganz aus, ließen sich die gesprochenen Worte verstehen. Leider fehlte mir der hölzerne Bienenstock im Vergleich.
Diese Resonanzeigenschaft beeindruckte mich am meisten. Das Geräusch der Bienen hört sich keineswegs freundlich oder beschaulich an, sondern wie eine Gruppe warm laufender Formel-1-Motoren. Der Bienenstock ergab eine natürliche Klanginstallation.
Ich fragte mich, was es bedeutet, dass die Bienen einen maximalen Klangkörper bewohnen. Forschungen hatten ergeben, dass die Biene für ihre Umgebung akustisch aufmerksam ist. Sie verständigen sich untereinander über Laute. Als ich letztes mal einen wissenschaftlichen Text darüber las, war es noch unklar, ob die Biene hört oder die Vibrationen wahrnimmt, die der Schall auslöst. In der Zelle heranreifende junge Königinnen beispielsweise tuten, ich glaube, ab dem fünfzehnten Tag ihrer Entwicklung, aus ihren Wachswiegen heraus und zeigen damit der alten Königin an, dass es endgültig geboten ist, den Stock zu verlassen.


Allerdings ist es für mich zweifelhaft, ob das Sprechen zu den Bienen, wozu fast jeder Imker neigt, sich dadurch begründen lässt. Der Grund liegt wohl in einem persönlichen Verhältnis, das man entwickelt. Man erkundigt sich nach der Laune oder fragt, ob ihnen auch so heiß ist. Manchmal sitzen einzelne Bienen genau an einer Stelle, wo sie zerquetscht würden, an einer Stelle beispielsweise, wo eine Wabe eingehängt oder die nächste Zarge aufgesetzt werden soll. Von dort kann man sie mit dem Finger wegschubsen, mit der dringenden Aufforderung, aus dem Weg zu gehen. Möglicherweise vermittelt sich ihnen etwas von der Gestimmtheit des Imkers.
Übrigens wurde den Bienen früher, wenn der Imker gestorben war, vermittels eines Blattes, auf dem der Sachverhalt zu lesen stand, dessen Tod angezeigt. Jemand heftete das Blatt dann an den Bienenstand.