Propolis ist ein Baumharz, das die Bienen nicht im Honigmagen
umarbeiten wie den Nektar, sondern kneten wie Bildhauer. Sie
versetzen es mit einem wechselnd hohen Anteil an Wachs. Wie
ich lese, soll es sich um eine ungefähre Menge von etwa 30 % Wachs handeln,
dazu 5 % Pollen. Propolis wirkt antibiotisch und findet daher
Verwendung in der Naturheilkunde. Manche Menschen lutschen es, wenn
sie erkältet sind und schwören darauf. Ich sammle es beim Imkern
nebenher und knete es zu Kugeln, die etwa so groß sind, dass sie in
eine Hand passen. Später lege ich die Knödel ins Eisfach. Dort
steht auch ein Mörser aus Granit. Damit stampfe und mahle ich es zu
Pulver und Krümeln. Daraus bereite ich eine Tinktur, indem ich es
mit Weingeist ansetze. Die pulvrige Form beschleunigt das Auflösen.
Um die Flüssigkeit zu sättigen, muss sie möglichst oft geschüttelt
werden. Früher legte ich ein Fläschchen davon ins Handschuhfach des
Autos. Heute reist es einige Wochen in der Umhängetasche mit.
Es gibt Rezepte, mit deren Hilfe man eine dickflüssige, aber durchscheinende Lösung
herstellt, um hölzerne Bienenkästen außenseitig anzustreichen.
Anscheinend ist sie mit Alkohol und mit Leinöl versetzt.
Von den Bienen wird Propolis als Kleber und Kitt und als
Antibiotikum verwendet. Sie formen es mit ihren Kauwerkzeugen. Die
Wabenrähmchen werden an die Auflageschienen geheftet, die Zargen
aneinander geklebt, Ritzen in der Wand verkittet. Die Innenwände der Zellen werden
mit einem hauchdünnen Film davon überzogen. Am Eingang soll ein
antibiotischer Fußabstreifer die Beinchen der eintretenden Bienen
reinigen. Davon hatte ich im Winter davor noch einmal gelesen
und fand diese Schwelle am Eingang der eigenen Kästen vor. Es ist
der Ort, an dem sich die Wächterbienen aufhalten. Sie entscheiden,
ob eine ankommende Biene in den Stock gelassen wird.
Vor einigen Jahren war es der Wissenschaft unklar, ob die heran fliegenden
Bienen eine geruchliche Signatur an sich tragen und diese von den
Wächterinnen identifiziert wird. Spätestens, wenn die
Flugbienen auf dem für sie vor dem Stock angebrachten Brettchen
gelandet sind und bevor sie sich anschicken, in den Stock zu
schlüpfen, müssen die Wächterbienen entscheiden. Ich beobachtete
immer wieder, wie die Bienen der beiden Klassen sich zueinander
verhielten, und das legte für mich den Schluss nahe, dass die
Kennung unter anderem über den Geruch funktionieren muss.
Die Idee der Schwelle verleitete mich natürlich sofort, mir
darüber Gedanken zu machen und sie in eine künstlerische Arbeit
umzusetzen. Das brachte mich auf den Einfall zu der Plastik
Propolisschwelle. Ich
realisierte sie nicht, beschrieb sie mithilfe von Zeichnungen jedoch
so genau, dass sie zu den sogenannten Schubladenarbeiten gehört. Man muss sie
nur heraus ziehen und besitzt den Bauplan. Das große Papier färbte
ich mit Propolistinktur, was zunächst einen hellen Braunton erzeugt
und später erheblich nachdunkelt, und schnitt die endgültige Form
im Maßstab 1:1 aus.
Ähnlich verfuhr ich übrigens mit dem Plan zur Skulptur il sussurro´oro.
Der Zweck ist, dass Kinder das Gerät an einer Schnur über
ihren Köpfen sausen lassen wie einen Propeller, und dadurch entsteht
ein surrender Ton. Im Alltag besteht sie aus einem halbrunden, handgroßen Stück Pappe, das farbig mit Bienen bedruckt ist, hölzernen Klötzchen, die links und rechts liegen, mit einem Gummi, der um die Klötzchen gespannt ist, und einer etwa einen Meter langen Schnur. Die italienische Bezeichnung ist, wie man sagt, lautmalerisch. Die Skulptur ist natürlich ohne den Gummi und die lange Schnur geplant. In der Ausführung soll sie etwa zwei Meter
lang sein und in Brusthöhe enden. Die runden seitlichen Klötze
bestünden aus Wachs, die halbrunde Platte aus Aluminium. Natürlich
baute ich sie ebenfalls als Modell nach, finde es aber nicht mehr ...
Nach der Arbeit an den Bienen klebt Propolis an den Händen des
Imkers. Es lässt sich mit Seife kaum oder nur mühsam abwaschen.
Obwohl Propolis von den Bäumen stammt und weitgehend so belassen
ist, wie vorgefunden, wirkt es dennoch wie ein bieneneigener Stoff.
(Anders als Honig, darf der gemeine Imker selbst hergestellte Tinktur nicht
verkaufen, da sie unter das Arzneimittelgesetz fällt. Der Verkauf geschieht unter der Ladentheke.) Wahrscheinlich
lässt sich der Geschmack am besten so beschreiben, dass man im
hinteren Bereich der Zunge und im Rachen eine herbe, leicht scharfe
Note schmeckt.
Propolisschwelle