Bucky

Es begann mit ein paar Texten, die ich beinahe aus Langeweile, weil gerade nicht allzu viel im Atelier zu tun war, dort las. Es ging um Buckminster Fuller. Der Einstieg fiel mir schwer. Das Buch, in dem ich las, ist schwer zu bekommen, es heißt "Your Private Sky". Neuerdings werden wieder ein paar Exemplare davon auf ZVAB angeboten. Aber vor etwa zwanzig Jahren sah es damit schlecht aus. Damals telefonierte ich endlos herum und fand schließlich ein neues Exemplar in einer schweizer Museumsbuchhandlung. (Ich schenkte es dem Vater zum Geburtstag, da ich es für etwas Besonderes hielt. Als er dann gestorben war, entdeckte ich es in seinem Regal und es war so gut wie ungelesen.) YPS (wie ich es mittlerweile aus Platzgründen abkürze) ist voller Abbildungen und nach kurzer Zeit war ich von den geodätischen Kuppeln, die den meisten, wenn sie an Fuller denken, als erste einfallen, reichlich angeödet. In dem Begleitbuch "Diskurs" geht es dann um theoretische Texte, die gelegentlich so blutarm sind, dass ich das Buch schweigend weglegte. Erst nach und nach wurde daraus eine Recherche. Bucky wurde Fuller offenbar von seinen Freunden liebevoll genannt. Cage gehörte dazu. Wahrscheinlich hat sogar diese Affinität mich bewogen. Es gibt ein Foto, auf dem Cage links abgebildet ist, rechts der hoch aufgeschossene Merce Cunningham und mittig halten sie den kleinen Bucky. Alle drei lachen. Cage lachte ohnehin gerne, das sieht man seinem Gesicht an. Cunnigham lacht wie ein Lausbub. Und Bucky. Es kommt mir fast so vor, als wüsste er gar nicht so recht, ob lachen angebracht ist.
Später fand ich den Einstieg zu Fuller und begann voranzukommen, indem ich einfach alles ausließ, was mir zu trocken schien (also sehr sehr viel). Es wurde eine Recherche daraus, die nun bereits bis in den Winter anhält. Ich unterstreiche Texte in Büchern und tippe sie auf Karteikarten und stecke sie in einen der hölzernen Kästen, die ich vor ein paar Jahren aus anderem Anlass, aber auch für Karteikarten (DIN A6), gebaut habe.

"Die Intelligenz der Pflanzen"

Bis weit ins Jahr 2020 hinein beschäftigte mich die Idee der Kommunikation. Pflanzen und Tiere, natürlich ging ich da von Blüten und Bienen aus, sprechen sich unablässig untereinander ab. Zwar fand ich immer wieder einzelne Ansätze, aber der eine große zeigte sich nicht. Mir fiel nur auf, dass offenbar viele Menschen da so eine Hybris am Laufen haben. Nur weil sie miteinander telefonieren, lauthals schreiend in der U-Bahn mit Masken, die unterm Kinn liegen, oder weil sie Emails schreiben oder sich am Küchentisch anfeinden, sehen sich als die Einzigen. Dabei strömen die Informationen an ihnen vorbei durch den Raum. Mit einem Freund sprach ich über die Gefühle der Pflanzen. Er sagte: "Tja, da wird es eng für die Veganer." Ein anderer hingegen bezweifelte, dass Fische Gefühle haben.

Näheres

Der Katalog wurde Anfang des Jahres 2020 gedruckt, gebunden und ausgeliefert. Während der Druck stattfand, was sich über zwei Tage hinzog, wurde ich sogar nach Bozen mitgenommen. Also konnte ich zusehen und stellte fest, dass die Drucker weitaus genauer hinsahen, eher eine winzige Unregelmäßigkeit bemerkten und nicht für tolerierbar hielten, als ich. Lustigerweise holten sie mich auch, wenn eine neue Runde begann, also ein neues Druckblech eingespannt wurde, und breiteten einzelne Andruckbögen vor mir zur Unterschrift aus. Ansonsten saß ich meistens in einem Aufenthaltsraum und trank Cafè. Dort lernte ich auch einen der beiden Chefs kennen, einen freundlichen älteren Herrn, und ich dachte, dass er genau so mit seinen Mitarbeitern umgeht, wie es nötig ist. Denn er weiß – entgegen dem üblichen Klischee, – dass er sie genauso dringend braucht, wie sie ihn. Das Prozedere schien mir ein wenig absurd, da ich ja am folgenden Tag nicht mehr vor Ort sein würde, sie also ohne die Unterschrift ebenso drucken würden. Aber wahrscheinlich zählt die Geste. Nachdem der erste Schwung des Katalogs geliefert war, nicht am folgenden Tag, aber bald darauf, begann die Corona-Krise. Wie seltsam, dachte ich. Denn ich hatte mich fast zweieinhalb Jahre bemüht, um ihn zuwege zu bringen, entgegen aller Widerstände, und schon wieder wurde er ausgebremst. Frau Metzel von der edition metzel erzählte, dass kaum jemand Geld für Kunst ausgebe. Zu Anfang der Krise machten sich viele darüber lustig, wie rücksichtslos und egoistisch die Leute in die Supermärkte stürzten und die Regale leerkauften, als müssten sie sich jahrelang in Atombunkern einschließen. Vor allem natürlich ist den meisten die gähnende Leere in den Fächern mit Klopapier in Erinnerung – fast jeder kann eine persönliche Geschichte dazu erzählen. (Nun ist die Frage, ob sich die Krise- oder noch mehr der Virus – sich wirklich gewandelt haben oder nur die öffentliche Wahrnehmung und der Umgang damit. Doch das führt hier zu weit.) Mein persönliches Leben hat sich kaum geändert. Weder arbeite ich im HomeOffice, noch muss ich viele Videokonferenzen abhalten. Ich radle zu meinen Bienen und wir sind diesen Sommer gut miteinander ausgekommen. Im Atelier geht es etwas zu zäh vorwärts.