Bienen
gewinnen Honig einerseits aus Nektar. Ich finde, das Wort hat einen
biblischen Klang und man denkt dabei an das Land, in dem Milch und
Honig fließen. Chemisch ist Nektar eine wässrige Zuckerlösung, die
eine Pflanze hergestellt hat. Viele Pflanzen haben Nektardrüsen.
Häufig
liegen sie am Grund der Blüte, an der unteren Seite des Stempels.
Manchmal werden sie von den Bienen mit ihren Rüsseln nur mühsam
erreicht. Die Bienen kriechen dazu tief in die Blüte und der weitere
Zweck ist, dass an ihren haarigen Körpern eine Menge Blütenstaub
hängen bleibt, womit
sie die Bestäubung sichern.
Sie kehren ihn mit ihren Beinen, die auf der einen Seite wie Bürsten
aussehen, zusammen und verkneten ihn zu kleinen Kugeln, den
sogenannten Höschen. Pollen ist der Samen, das männliche Element
der Blüte. (Erste Stunde in Sexualkundeunterricht.) Spurenelemente
von Pollen finden sich auch im Honig. Der Nektar wird aufgesaugt und
in einen Honigmagen geschluckt. Dort wird er fermentiert. Das
Handbuch sagt: Bei großem Trachtaufkommen wird der Nektar nicht so
ausgiebig fermentiert, weil es schnell gehen muss. Deshalb ist
Rapshonig anscheinend
weniger gesund als Mischblütenhonig, für den die Bienen sich Zeit
lassen können.
Die
Muskulatur entlang der Speiseröhre ist so konstruiert, dass sie den
Inhalt auch in die andere Richtung befördern kann. Also ein
umgekehrtes Schlucken. Vom Honigmagen gibt es noch eine zweite
Öffnung, die in den Verdauungstrakt führt und eine Einbahnstraße
ist. Wie beim Menschen. Ein Pförtner regelt den Durchgang. Was die
Bienen an Energie verbrauchen, vor allem zum Fliegen, decken sie
durch vorverdauten Nektar.
Zweitens
gibt es Honigtau. Er nimmt zuerst
den Weg durch Blattläuse. Sie bohren Pflanzen an, vor allem Bäume,
und saugen den Siebröhrensaft, ebenfalls eine wässrige
Zuckerlösung. Es gibt einige Arten davon, im Grunde hat fast jeder
Baum eine eigens auf ihn zugeschnittene Blattlaus. Was sie durch den
Darm ausscheidet, setzt sich als Honigtau auf den Blättern ab. Vor
allem im Juli, wenn der Wald honigt. Die Bienen schlecken die
Zuckerlösung von den Blättern auf. Honigtau-Honig besteht
vorwiegend aus einer Zuckersorte,
wird sehr schnell in der Wabe fest und hat den Spitznamen
Zementhonig. Wenn es im Juli häufig regnet, wird der Honigtau von
Blättern und Nadeln gewaschen, bevor die Bienen ihn sammeln können.
Die Tracht fällt aus. Als Imker in der Stadt ist man dagegen
weitgehend gefeit.
Nach
der Rückkehr in den Stock,
manchmal schon auf dem Flugbrett,
wird der vorverdaute, erstmals
fermentierte Honig den Stockbienen übertragen. Sie verarbeiten ihn
weiter und lagern ihn in die Zellen ein. Zu diesem Zeitpunkt ist der
Wassergehalt noch zu hoch. Die Feuchtigkeit wird durch Verdunstung
entzogen. Deshalb sieht man auf herausgezogenen Waben oder
am Eingang zum Stock
oft Bienen, die durch eifriges Flügelfächeln einen Luftstrom
erzeugen. Im Sommer, wenn man seine Nase direkt vors Flugloch hält,
kommt einem ein richtiger Honigwind entgegen. Reifer Honig wird mit
einem Wachsdeckel verschlossen. Es gibt Sonden, mit denen
professionelle Großimker den Wassergehalt des Honigs messen. Für
den einfachen Imker gilt als Faustregel: Wenn dreiviertel einer Wabe
verdeckelt sind, ist der Honig reif. Man kann dann noch eine
Schüttelprobe machen, indem man die Wabe waagrecht hält, und wenn
nichts heraustropft, ist alles ok. Die Schüttelprobe ist aber
unzuverlässig. Denn wie gesagt, es kann sich ja auch um Zementhonig
handeln.
Honig
gilt in Deutschland als landwirtschaftliches Nebenprodukt. Das
ermöglicht dem Imker, ohne umfangreiche Gesetzesauflagen Honig zu
produzieren und ihn zu verkaufen. (...) Die bisherige Handhabung
bedeutet gleichermaßen Freiheit und Verantwortung. Jedoch ist
erstaunlich, dass in einem Land, das für seine umfangreichen
Reglementierungen berüchtigt ist, eine solche Nische bleiben konnte.
Ganz anders übrigens Propolis, das Kittharz der Bienen, das sehr
ausgeprägte antibiotische Wirkung hat. Die Bienen verschließen alle
Ritzen im Stock damit und kleben fest, was nicht niet- und nagelfest
ist. Außerdem modellieren sie aus Propolis eine Schwelle am Eingang
des Stockes, quasi einen antibiotischen Fußabstreifer, mit dem sie
ihre kleinen Füße desinfizieren, bevor sie in den Stock schlüpfen.
Propolis gilt als Arzneimittel, es darf nur von besonderen Imkern,
die sich arzneimitteltechnischer Überwachung unterziehen, gewonnen
werden. Und nicht jeder darf es verkaufen. Natürlich wird es
trotzdem getan, auf Wochenmärkten, mehr oder weniger unter der Hand.
Dass Honig so eingestuft wird und dabei durch alle gesetzlichen
Gitter rutscht, liegt daran, wie
gesagt,
dass die Bienenhaltung von Bauern früher nebenher ausgeübt wurde.
Neuerdings
liest man in der Imkerzeitung, dass (...) Verordnungen erlassen
worden sind. Es wäre auch zu verwunderlich, wenn ausgerechnet die
Bienen ohne Gesetze auskommen könnten. Vor zwei, drei Jahren wurde
eine Meldepflicht eingeführt. Jeder Imker muss angeben, wo seine
Bienen stehen, wieviele Völker er hält und welche Medikamente er
verwendet. Das Ereignis wurde (...) kontrovers diskutiert, und ich
vermute, viele Imker hielten sich nicht daran. Ein Formular tauchte
auf, das ganz offensichtlich ein trockener Verwaltungsbeamter
entworfen hatte. Ich füllte es (...) nicht aus. Franz war dagegen,
aber er füllte es trotzdem aus. Ich glaube, man sollte es ins
Landwirtschaftsministerium schicken. Damit der nächste
Verwaltungsbeamter den Zettel abheften konnte.
Im
Winter 2003/2004 rief Herr Hölzl, damals Vorsitzender des
Imkervereins, mich an:
„Hier
ist Hölzl. Wieviele Bienenvölker haben sie eingewintert?“,
fragte er.
„Sieben“,
antwortete ich.
„Auf
Wiedersehn“, sagte er.
(...)
Problematisch
ist eine neue europäische Verordnung. Danach ist es erlaubt, den
Pollen aus dem Honig zu filtern. Das mag auf den ersten Blick
unbedeutend erscheinen. Die Menge an Pollen, die sich im Honig
befindet, ist ziemlich gering und höchstens von homöopathischem
Nutzen. Allerdings ermöglicht Pollen eine genaue Bestimmung der
Erntezeit und
der Herkunft. Denn für eine Reihe von Ländern besteht
Einfuhrverbot. Meistens wegen starker Verunreinigungen, die man
regelmäßig im Honig gefunden hat. China gehörte zu diesen Ländern.
Oder wegen der Verbreitung der bösartigen Faulbrut. (...) Für ein
Bienenvolk bedeutet sie das komplette Aus und
macht für alle Imker eine Quarantänezone im Flugradius um das
Bienenvolk erforderlich.
Man hatte sich angewöhnt, Honig umzuetikettieren und über
Drittstaaten einzuführen. Ein gängiger Trick, der mit Hilfe der
Pollenanalyse nachweisbar blieb, auch wenn sie
teuer war und
nicht allzu oft praktiziert wurde. Die neue Verordnung aber
untergräbt alles. Auf europäischer Ebene fällt die nationale
Beschränkung.
Honig
ist in begrenztem Umfang Gegenstand von Rechtsfragen. Schon
600 v. C., belehrt uns das Lexikon, wurde die Biene in Griechenland
zum Rechtsgegenstand. Man regelte Fragen der Wanderung und der
Aufstellung, was ein relativ präzises Wissen voraussetzt.
In der Honigverordnung des Jahres 1976 wird speziell
der Ursprung des Honigs unter die Lupe genommen und eine scharfe
Grenze zur Panscherei gezogen. Es heißt darin wörtlich in der
Anlage 1 zu § 1:
Honig
flüssiges,
dickflüssiges oder kristallines Lebensmittel, das von Bienen erzeugt
wird, indem sie Blütennektar, andere Sekrete von lebenden
Pflanzenteilen oder auf lebenden Pflanzen befindliche Sekrete von
Insekten aufnehmen, durch körpereigene Sekrete bereichern und
verändern, in Waben speichern und dort reifen lassen; ...
Also
die deutliche Betonung des Lebenden, womit eine Abgrenzung zur
Zufütterung von Zuckerwasser geschieht, die immer wieder vorgenommen
wird in der Absicht, den Ertrag zu steigern. Bienen machen aus
Zuckerlösung wieder Honig. In vielen sogenannten
Billigproduktionsländern werden auf diese Weise große Mengen von
Honig hergestellt und exportiert. Reiner Zuckerfütterungshonig kann
leicht chemisch nachgewiesen werden, ein Gemisch von natürlichem und
Zufütterungshonig macht es schwer. Manchmal wird auch braune
Lebensmittelfarbe beigemischt, da der dunkle Waldhonig sich teurer
verkaufen lässt als Blütenhonig. Und sogar das Strecken von Honig
mit Mehl kommt vor.
Franz
war in der Zuckerfrage sehr penibel. Zuckerwasser, sagte er, hat im
Honig nichts zu suchen. Auch das Umhängen von alten Waben, das die
Bienen veranlasst, Futterhonig,
der auf
eine
zuckrige Lösung
zurückgeht, in den Honigraum umzutragen, ist zu vermeiden. (...)
Was
die Honigverordnung nicht ausreichend erfasste, weil das Thema damals
noch nicht virulent war, sind die Rückstände von nicht
biologischen
Schädlingsbekämpfungsmitteln. Die Varroamilbe ist heute eines
der wichtigsten Themen
in der Imkerei. Die Rückstände lagern sich dauerhaft im Wachs an
und geraten so in den Honig.
Zu
früh geschleuderter Honig, der zu viel Wasser enthält, kann schon
im Eimer anfangen zu gären. Kein Spaß zwar, aber Franz, der ohnehin
mehr Honig hatte, als er verkaufen konnte, (...) machte Met. In
großen Gärballons mit aufgesetzten, gezwirbelten Glasröhrchen. Er
stellte jedes Jahr eine ziemliche Menge davon her und füllte das
fertige Produkt in Cola/Fanta-Einliterflaschen ab. Die mit den roten
festen Plastikschraubverschlüssen. (...) Verwandte,
Freunde und Bekannte
wurden angehalten, sie zu sammeln, und manchmal brachte ich ihm einen
Karton voll. Natürlich bekam ich im
Gegenzug
fertigen Honigwein geschenkt. Ohne Etikett. Das Zeug schmeckte
grauenhaft. Außerdem sah es nicht sehr vertrauenswürdig aus. Später
entwickelte Franz ein kleines Etikett, indem er verschiedenste
Anzeigen aus der Imkerzeitung zusammenschnipselte. Bezeichnungen und
Bienenmotive. Er kopierte sie und fügte mithilfe eines Stempels
seinen Namen hinzu. Und jedes Jahr gelang es ihm, seine Produktion
loszuwerden. Einmal erzählte er von einem Bekannten im Rumänien der
Fünfziger Jahre. Der Bekannte hatte aus Militärbeständen einen
riesigen Posten vergammelter Marmelade übernommen. Sie sollte
eigentlich weggeworfen werden, und jetzt brannte er in seiner Wohnung
im fünften Stock daraus Schnaps. Mit Franz war es ähnlich. Es gab
wenige solcher Sachen, die er nicht schon selbst gemacht hatte. Und
wenn nicht er, dann Bekannte. Und wenn nicht Bekannte, dann wusste er
genau, wie es geht. Und begann sofort auf der Rückseite von
Blättern, die er nicht mehr brauchte, ausführliche Anleitungen zu
zeichnen, die einen befähigten, alles nachzubauen. Und wenn wirklich
etwas zugekauft werden musste, kannte er den Laden, der das billigste
Angebot hatte.
Man
kann an Honig herangehen wie an Wein. Das Handbuch unterscheidet bei
den „grobsinnlich wahrnehmbaren Eigentümlichkeiten des Honigs“:
Farbe, Konstistenz, Geschmack, Geruch. Die Farbe wird hoch bewertet,
„da der Käufer im Laden den Honig im Glas nur mit dem Auge prüfen
kann.“ Im Allgemeinen ist Frühjahrshonig heller als Herbsthonig,
Blütenhonige sind heller als Honigtauhonige. „Ferner erscheint der
Honig in flüssigem Zustande immer dunkler als in kristallisiertem.“
Truderinger Honig ist übrigens heller, als der aus dem Rosengarten,
aber
auch etwas zu süß, beinahe zuckrig. Anscheinend
sind (...) würzige Honige, besondere Sorten aus Südeuropa, am
beliebtesten. Stadthonig wird zunächst ablehnend wahrgenommen, Stadt
und Honig, sagt man, passen nicht zusammen. Meine Erfahrung ist, dass
das Bekenntnis zu einem Makel, der offensichtlich ist, zumal,
wie sich mittlerweile zeigt, zu einem scheinbaren,
eher anziehend wirkt.