Schwarmfang
Anruf im Bienenstock
Die Idee zu diesem Konzept war einfach und überragend. Ich hatte einem Freund, der das Bienenprojekt vom Anfang her kennt, von meinen Schwierigkeiten erzählt, mir eine zündende Idee für das städtische Projektstipendium einfallen zu lassen. Im Jahr zuvor hatte ich es mit einer livecam vor dem Bienenstock versucht und war ohne Fördermittel ausgegangen. Im Jahr 1996 schien es dann plötzlich so, dass die große Zeit der livecam vorbei war. Vermutlich wurde sie noch in der Pornoindustrie gebraucht oder bei der Umwandlung von privatem in öffentlichen Sex.
Wir steckten die Köpfe zusammen. Es gab neu auf dem Markt Handys mit sogenannter Babyruf-Funktion. Tatsächlich funktionierte das nicht anders als ein Babyfon. Man wählt die betreffende Nummer, das Telefon hebt selbsttätig ab und man hört die Geräusche, ohne selber sprechen zu können. Genau das wollte ich im Bienenstock veranstalten, und es war natürlich eine in jeder Hinsicht riesige Idee.
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bot die Möglichkeit, tatsächlich in einem Bienenstock anzurufen,
einen poetischen Aspekt. Viele Leute hätten das schon aus Neugier
getan und wären überrascht gewesen, wirklich dort gelandet zu sein. Die archaische und überzeitliche Welt der Bienen, für die
viele einen unbestimmten Respekt empfinden, sollte mit gegenwärtigen
Medien verbunden werden. Der Gesangsvortrag der Bienen hätte dann
beispielsweise Auskunft über die Temperatur, das Wetter, den Wind
oder die tageszeitliche Laune gegeben, es wäre ein Umweltbarometer entstanden.
Das Telefon selber empfand ich nicht als finanzielle oder technische Hürde. In meiner Ausführung der Kästen befindet sich im Boden ein rechteckiger Schacht, an den man von unten und außen herankommt. Mich hätte man gelegentlich gebraucht, um den Akku frisch aufzuladen. Das Projekt sollte von Anfang April bis Ende Oktober laufen. Das ist jener Zeitraum, der einem das Öffnen des Stockes erlaubt. Alles keine Sache. Allerdings wäre eine auf unterschiedliche Medien gefächerte Kampagne nötig gewesen. Die Telefonnummer musste verbreitet und unterschiedliche Zielgruppen sollten erreicht werden. Das war der Punkt, denn in dieser Hinsicht hätte sich nicht knausern lassen. Mir schwebte zunächst Gedrucktes in der Zeitung und in Anzeigenheften vor. Die Abendzeitung war an mich herangetreten, über das Prokjekt Stadtimker etwas in ihrer Stadtteilseite zu bringen. Damals kamen auch die Bildschirmwerbungen in den U-Bahnstationen auf (info-screen). Zusätzlich dachte ich an Kinowerbung, doch das wurde in der Summe zu teuer. Alles in allem ging es nicht ohne Fördermittel. Und ich bekam sie nicht. Eine Frau, die an der Jury für das städtische Projektstipendium teilgenommen hatte, erzählte mir später, mein Name sei auf Platz vier festgesessen. Nummer eins bis drei bekommen Geld. Babette, meine damalige Freundin sagte: „Zum Teufel. Diese Platz-Vier-Geschichte ist genau das, was einem noch den Rest gibt.“