Anstrich in Gold


Eines Tages kam die Zeitung auf mich zu, ich glaube, es war die Abendzeitung. Sie baten um ein Interview, zusätzlich versehen mit einem Foto, und ich gewährte ihnen den Wunsch natürlich gerne. Allerdings dachte ich, der Bienenstand sollte vorher ein wenig auf Vordermann gebracht werden, das Zeitungsbild sollte etwas hermachen. Vor allem, dachte ich, müssten die Stöcke noch einmal gestrichen werden. Denn bisher hatte ich sie mit hellbrauner Abtönfarbe angepinselt, so wie Franz es mir gezeigt hatte. Ohnehin bestanden sie aus Styropor, weswegen man draufschmieren konnte, was man wollte. Man hätte sie auch teeren und federn können, ohne dass die Bienen daran Anstoß genommen hätten. Ich dachte ein paar Tage nach und wählte aus den möglichen Farben: Gold. Ich fuhr zu dem Farbenbedarf in München. Ich wusste davon aus der Akademiezeit, zahlreiche Maler gingen dort hin. In dem schmalen, hohen, länglichen Laden stehen Regale bis an die Decke und alles ist angefüllt mit klarsichtigen Plastiksäckchen voller Pigmente in unterschiedlichen Farbtönen. Das überforderte mich völlig. Natürlich waren auch mehrere Goldtöne vorrätig und ich schnürte unentschieden in und vor dem Geschäft herum. Wie sollte ich, da ich die Welt plastisch sah, in dem vielfarbigen Wust eine Auswahl treffen? Schließlich entschied ich mich für Pigmente in einem verhältnismäßig dunklen Goldton. Im Anschluss diskutierte ich ewig mit dem Verkäufer herum, welches Bindemittel draußen Bestand haben könnte. Bald hatte ich den Eindruck, er nehme so lebhaft Anteil, dass er sich so umständliche Gedanken machte wie ich. Schlussendlich kamen wir überein, dass ein farbloser Binder auf Acrylbasis, wie er anfangs bereits vorgeschlagen hatte, am geeignetsten sei.
Den Schriftblock APICULTURA, der auf dem Foto zu sehen ist, ließ ich aus einer hellblauen Klebefolie ausschneiden.

Die Fotografin der AZ wollte mich dabei zeigen, wie ich eine Wabe aus dem Stock zog. Das sei das allerabgedroschenste Motiv, entgegnete ich, und käme daher überhaupt nicht in Frage. Sie wurde ziemlich wütend, doch ich gab nicht nach. Ich würde die Stöcke nicht einmal öffnen, sagte ich. Es blieb bei einer Gesamtansicht, wobei ich mich, um ihr doch einen Gefallen zu tun, mit auf die Paletten stellte und väterlich die Hand auf einen Kasten legte. Wie das Bild aussehen würde, wusste ich also. Auf den Text hatte ich keinen Einfluss. Leider entsprach er in wenigen Punkten dem, was ich gesagt hatte. Ich lernte wahrscheinlich zum ersten mal, wie die Medien sich Ereignisse aneignen und sie so lange kneten und ummodeln, bis sie in ihre Sprache passen. Zieht man den Umkehrschluss, müssen sich zahlreiche Vorfälle anders abgespielt haben, als von ihnen berichtet wird.

Zeichnung: Imker mit Hand auf Stock, schwarze Tusche auf weißem Papier