Die Formulare


Franz entwarf komplizierte Formblätter, in die viele verschiedene Werte eigetragen wurden. Das Geringste war, daß er jeden Tag zur selben Zeit seine metereologische Station im Schatten des Balkons ablas. Er war sehr gewissenhaft in seinen Aufzeichnungen. `Es geht bei ihm zu wie bei einer Behörde´, dachte ich manchmal. Die Formulare waren auf DIN A4 Blättern untergebracht. In der Entwurfsphase waren sie mit Bleistift vorskizziert und häufig verbessert worden. Richtig augeklügelt. Dann wurden sie mit Kugelschreiber oder Fineliner reingezeichnet und schließlich kopiert. Zunächst bekam jeder Monat ein Blatt. Manchmal verbesserte er sie später noch, weshalb er nie zu viele kopierte. In Leitz-Ordnern, den großen mit den breiten Rücken, war jeweils ein Jahr abgeheftet. Die Jahreszahl hatte er in seiner an Sütterlin orientierten Handschrift auf den Rücken des Ordners notiert. (…) Die Ordner mit seinen Aufzeichnungen standen in einem Regal im Wohnzimmer (…). Am Bienenstand hatte Franz ebenfalls Formulare, sie waren mit einer Federklammer auf eine blaue Plastikunterlage gespannt. Darin trug er ein, was bei dem jeweiligen Eingriff geschehen war. Zur Erleichterung gibt es in der Imkerfachschreibweise eine Reihe von Kürzeln. Die Königin ist dem Frauenzeichen angelehnt, ein Kreis mit einem Kreuz darunter plus einem kleinen, halbrunden Häkchen obenauf. Ich glaube, wenn die Königin schon geschlüpft ist, aber noch nicht befruchtet, fehlt das Häkchen. Es gibt jede Menge imkerliche Sachverhalte, die sich so codieren lassen. Soviel ich weiß, nahm Franz die Formulare aus dem Bienenstand am Ende des Monats mit nach Hause und trug sie um in die anderen. Hinzu kamen Jahresabrechnungen, die einzelnen Völker im Vergleich. So konnte man beispielsweise ablesen, daß im Jahre 1993 Volk 5 mehr Honig erwirtschaftet hatte als Volk 9, daß Volk 7 eine neue Königin bekommen hatte, während Volk 15 im nächsten Jahr unbedingt eine neue brauchte, und daß Volk 12 am 23. Mai geschwärmt war. Dazu kamen wiederum Jahresvergleiche. Die Gesamthonigernte beispielsweise von 1998 im Vergleich zu 1997, plus die Verhältnisse zu anderen Daten, den Regentagen, den Durchschnittstemperaturen.
Und und und.

aus den Honiggeschichten