Es gab eine Reihe von Hindernissen, die zu der Ausstellung sagoma führten. Eines davon, nicht unbedeutend, war, dass mir eine der beiden Hummeln fehlte, die ich, auf einen Silberbarren gelegt, zeigen wollte. Es ist gar nicht so leicht, jemanden zu finden, der eine Hummel zu bieten hat. Mein Freund Uli Panick beispielsweise sagte sinngemäß: Das Bild mit der toten Hummel auf dem Fensterbrett steht mir klar vor Augen. Aber jedesmal, wenn ich hinschaue, ist sie nicht da.
Später lernte ich eine argentinische Goldschmiedin kennen, die in einem Restaurant arbeitete. Sie sammelte Insekten und wollte ihre Hummeln mit mir tauschen. Gegen Honig. Also brachte ich einige Gläser Honig in das Restaurant und sie stellte mir in einer Plastikfilmdose Hummeln auf den Tresen. Fair Trade. Wir unterhielten uns eine Weile, dann musste sie weiter arbeiten.
Neben mir am Tresen thronte eine dunkel gekleidete Frau mit starkem, schwarzem Haar und einer kostbaren Tasche, die sie auf den Knien balanzierte. Sie ist Italienerin, auch der Wirt ist aus Italien und ferner der Koch. Der Koch kam aus der Küche gewetzt, ließ sich einen Espresso aus der Maschine und schimpfte, weil jemand den Löffel in der Milchkanne vergessen hatte. Dann sprintete er zurück in die Küche. "In Italien ein schwerer Fehler", äußerte die Frau und deutete auf den Löffel. Ich kann nicht sagen, dass sie sympathisch aussah, aber ich dachte, vielleicht ließen sich Informationen, die ich noch brauchte, über das Wort sagoma einholen. Überraschend war, dass sie kaum eine Bedeutung bestätigte, die ich im Lexikon gefunden hatte. Stattdessen berichtete sie, dass das Wort für einen toten Körper verwendet werde. Zur Unterstützung wiederholte sie häufig eine waagrechte Handbewegung. Ob sie einen menschlichen Körper meine, fragte ich nicht. Vielleicht ist es die Hummel, dachte ich, und ich freundete mich mit dem Gedanken an, dass auf diese Weise eine weitere Übereinstimmung zustande gekommen war.
Im Lexikon ist sagoma übersetzt mit:
1. Gestalt. Profil, Form, Kontur und Umriss
2. (Zeichen-)Schablone
3. Zielscheibe
4. in figurativer Bedeutung: komischer Kauz, Komiker
Den komischen Kauz habe ich zwar in verschiedenen Lexika gefunden, aber es ist ein sehr deutsches Wort. Neben der Gestalt ist die Schablone, die in der Architekturzeichnung verwendet wird, eine geläufige Bedeutung.
Beim googeln des Wortes sagoma wird man von einer weiteren Fülle an unerwarteter Information überrascht. Zum Beispiel finden sich die Seiten von Konzernen wie Sagoma-Industries, deren Gebiet mir schleierhaft geblieben ist. Es gibt diese und jene schrullige Seite, viele auf italienisch, und schließlich blättert sich nach und nach der hitzige Diskurs über einen "Vorfall" auf, der den verstorbenen Papst betrifft. Am 2. April des Jahres 2007 fand in Beskid Zywiecki, das in der Nähe des Geburtsortes von Karol Woytyla liegt, eine religiöse Feier statt, und man muss gleich erfahren, dass es sich um den Todestag von Johannes Paul II handelte. Eine Gruppe von Gläubigen stand im Freien, wahrscheinlich wurde gesungen, eine Menge Menschen war anwesend und es wurde ein in der Folge hoch loderndes Feuer angezündet. Die Flammen züngelten mehrere Meter empor und ein polnischer Arbeiter fotografierte nebenbei mit seiner Digitalkamera, nichts Ungewöhnliches bis dahin. Dann durchstreifte die Uhrzeit den exakten Todeszeitpunkt des Pontifex und die Flammen verwandelten sich für einen Augenblick in einen großen, geisterhaften Schemen. Und man kann sagen: In diesem Augenblick begannen die Probleme. Denn die einen deuteten die Flammenform sofort als Figur, in der der verstorbene Papst ihnen erschienen war. Folglich: ein Wunder. Folglich: Es ist höchste Zeit, den Mann heilig zu sprechen. Keine Umwege mehr über Seligsprechung, keine Zeitvergeudung durch bislang kirchlich gebotenes Abwarten, sofort Nägel mit Köpfen machen. Die Flammenerscheinung, die auf dem Foto zu sehen ist, wird im Italienischen als sagoma bezeichnet. Der Corriere della Sera übrigens druckte das Bild wenige Tage später ab, was vielen als Bestätigung galt. Der Vatikan allerdings zauderte, und ich kann mir vorstellen, dass den hohen kirchlichen Herren eine Erscheinung wie diese alles andere als angenehm ist. Da kommt ein Haufen unliebsame Arbeit auf sie zu. Es muss beispielsweise die Echtheit der Aufnahme geprüft werden, was im Zeitalter der digitalen Bildmanipulation äußerst schwierig ist. Ferner muss geklärt werden, ob die Erscheinung, la sagoma, wirklich als päpstlicher Auftritt zu deuten ist. Hier melden sich sarkastische Stimmen aus der italienischen Bloggerszene. Einer witzelt, die Flamme sei wohl die Folge eines Ozonlochs über Polen. Ein anderer antwortet, die Flamme sehe eher aus wie Obi Wan Kenobi, und man solle lieber den heilig sprechen. Das ist ein Witz, über den man mitten in der Nacht, wenn man plötzlich aufwacht, noch lachen kann. Denn Obi Wan Kenobi aus dem Filmmonument Star-Wars erteilt aus dem Jedi-Ritter-Jenseits als halbdurchsichtiger Schemen dem jungen Luke Skywalker teuflisch weise Ratschläge. Auf einer weiteren Seite wird die tausendmal gesehene Tanzpose von John Travolta aus Saturday-Night-Fever in die Flamme hinein interpretiert. Auch das passt wie ein Maßanzug. Viele sahen in dem verstorbenen Papst sowieso einen Popstar.
Auf der Originalseite, in der es um die Flammenerscheinung geht, sind die aufgeregten Beteiligten zu sehen, zuvorderst natürlich der Arbeiter, und wie er seine Kamera, auf der wiederum das Feuerfoto abgebildet ist, ins Bild hält. Dazu der Bürgermeister, der Priester, allerlei wichtige Gäste und stolze Honoratioren.
Für das Verfahren der künstlerischen Aneignung, das auch in Bezug auf sagoma gültig ist, hat Manfred Ellerieder vor einigen Jahren den Begriff "Originalkopie" geprägt. Soweit ich das verstanden habe, bezeichnet er damit sowohl die Auswahl als auch die Umwandlung von vorgefundenem Material. Man balanziere dabei auf einer Kippe, sagt er sinngemäß: links die Fremdheit des Materials, rechts das Verhängnis der Autorenschaft.
Als ich das Buch Honiggeschichten herausgebracht hatte und es einer befreundeten Dichterin schenkte, sagte sie vorwurfsvoll: "Du machst ja alles." Sie meinte: erst den Honig, dann die Gussobjekte, die Zeichnungen, die Intarsien, das Stempeln und zu allem Überfluss noch ein Buch. Sie hatte natürlich recht, und vielleicht sagte sie dasselbe auch diesmal beim Betreten der Galerie. Zumindest waren die Arbeiten thematisch gebündelt. Alles drehte sich um Insekten, genauer um Hummeln und Bienen.
In der Ausstellung lag unter anderem eine (tote) Hummel auf einem Silberbarren.
Letztlich war die Arbeit unverkäuflich. Doch zwischen einem Freund und mir entspannte sich ein verwickeltes Gespräch, als wir auf den imaginären Preis zu sprechen kamen, den der Künstler dafür verlangen müsste, sofern man vom gegenwärtigen Silberpreis ausgeht und die Galerie (wie gewöhnlich) die Hälfte beansprucht. Das Ganze kam mir vor wie ein Gordischer Knoten.
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