Warum Gold, apicultura?


Hinweis auf eine Sendung
von Wilhelm Warning
in Bayern2Radio.

Soweit ich mich erinnere, führten Wilhelm und ich das Gespräch, das er später in die Sendung einbaute, im Rosengarten, im Fliederquartier gleich hinter den Bienen. Es war Sommer, die Sonne schien. Wir hatten uns zwei Stühle herangezogen und während wir plauderten und dann ernsthafter über die Bienen sprachen, zog er das kleine Diktaphon aus seiner Tasche und machte die Aufnahme. Ich war erstaunt über die Selbstverständlichkeit dieser Geste.
Die Frage, die die Überschrift des Kapitels bildet, war mir acht Jahre zuvor eingefallen, aber ich hatte sie nie verwendet. Es war mir nicht gelungen, etwas daraus zu machen. Jetzt fügte sie sich wie selbstverständlich ein.


26. Juli 2008, 8.05 - 9.00 Uhr
Laboratorium der Kreativität
Die Akademie der bildenden Künste in München
Von Wilhelm Warning

Es war immerhin Friedrich Wilhelm Joseph von Schelling, der 1808 mitwirkte bei der Gründung der Akademie der Bildenden Künste in München. Er war auch ihr Sekretär und hatte in seiner legendären Schrift „Über das Verhältnis der Bildenden Künste zur Natur" zum ersten Mal die besondere Rolle der Kunst betont. Entsprechend mit Traditionen aufgeladen ist die Akademie: berühmt im 19. Jahrhundert, dann, nach 1918, in der Ordnungszelle Bayern Hort des Konservativen, in der Nazizeit ganz auf der Linie der „Braunen Kunst" mit Adolf Ziegler als Professor, eher restaurativ in den Jahren nach 1945.
Wie geht ein Institut mit diesen Traditionen um? Welches Selbstverständnis haben heute die Studentinnen und Studenten? Ist die Akademie, 200 Jahre nach ihrer Gründung, ein „Laboratorium der Kreativität"? Das Feature versucht das zu ergründen - in Streifzügen durch das Haus, durch die Werkstätten, in Gesprächen mit Studierenden und Lehrenden, in Besuchen von Klassen und Vorlesungen. So soll ein Bild dieser Institution entstehen, das auch zeigt, was die akademische Ausbildung wert ist, nicht nur für die bildenden Künste, sondern auch für Schmuck und Architektur. Ob ein geschütztes Laboratorium wirklich der richtige Weg ist, um später auf dem freien Kunstmarkt zu bestehen? Und wie wichtig und ergänzend ist die gemeinsame Ausbildung der freien Künstler und der Kunsterziehenden?


Die Sendung war als Podcast verfügbar


Das Schleudern


Das Schleudern des Honigs ist mir von allen imkerlichen Tätigkeiten die lästigste. Neulinge umgekehrt finden gerade das besonders aufregend. „Oh wie gut das riecht“, sagen sie. Ich halte sie an vom frischen Honig zu naschen, der anders schmeckt als der im Glas nachgereifte. Da sind sie erst recht aufgeregt. Während mir die Menge Süßigkeit schnell zuviel wird. Wenn ich mit Tine schleudere, haben wir uns angewöhnt salzige Fischrogenpaste vom Griechen zu holen und Kaffee zu trinken. Als Kontrastprogramm. Ich denke mir oft: `Das Schleudern ist mir zu viel Arbeit. Es steht im falschen Verhältnis zur Spannung.´ Wenn man einem Schwarm nachjagt und durch fremde Gärten flitzt oder auf Bäumen herumturnt, ist der Spaß am größten. Franz ging es ähnlich. Er war schon 70, als er immer noch auf Bäume kletterte.
Sobald der Honig in einer Zelle reif ist, verschließen die Bienen sie mit einem Wachsdeckel. Ein Wassergehalt von etwa 20 % muß erreicht werden. Was durch Flügelfächeln geschieht, Verdunstung. Für den Imker ist die Erkennung der Reife sehr einfach. Zum Schleudern entnimmt man den Bienenstöcken nur die überwiegend verdeckelten Waben. Zwei Drittel der Fläche, sagt die Faustregel, sollten bedeckt sein. An den anderen Waben muß noch weiter gearbeitet werden. Zum Schleudern löst man die Deckel von den Zellen, in denen der Honig sitzt. Es gibt ein einfaches Gerät dazu, das aussieht wie eine Gabel, nur mit vielen dünnen Zinken, die vorne spitz sind wie Nadeln. Während des Entdeckelns fängt der Honig meistens an aus der Wabe zu rinnen. Er läuft auf die Hände, die Kleidung, den Fußboden. Wenn man nicht aufpaßt. Die Waben stellt man in eine Zentrifuge aus rostfreiem Stahl. Und dreht die Kurbel. Bis der Honig an den Wänden herunterläuft. Anschließend wendet man die Waben und schleudert ihre andere Seite. Unten an der Zentrifuge ist ein Zapfhahn, durch den läuft der Honig in abgestufte Siebe. Sie filtern erst die groben, dann die feineren Wachspartikel. Und schließlich füllt der Honig die Eimer. Die Waben sollten warm sein, je näher an der Innentemperatur des Stockes, etwa 35° C, desto besser. Ist der Honig flüssiger, läßt er sich leichter ausschleudern.
Seit geraumer Zeit hat sich auf Honigetiketten der Begriff kaltgeschleudert eingeschlichen. Franz konnte sich darüber maßlos aufregen. „Das ist der größte Schmarrn“, sagte er. Und ich bereute bereits, das Thema wieder angeschnitten zu haben. „Kaltgeschleudert gibt es nicht!“, sagte er, „wie soll das gehen, kaltgeschleudert? Das istder größte Blödsinn.“ Heute wird man alle Nase lang danach gefragt. „Ist dieser Honig denn auch wirklich kaltgeschleudert?“, fragen die Leute mit dem strengen Unterton des qualitätsbewußten Käufers. Sie ziehen die Augenbrauen hoch und drehen das Glas zweifelnd in der Hand. Als suchten sie irgendwo noch den kleinen Zusatzaufkleber, der es ihnen verspricht. Manchmal tue ich ganz unschuldig und sage: „Aha, kaltgeschleudert. Interessant. Und was ist das?“ Aber niemand weiß, was es bedeuten soll. Ich vermute, der Begriff wurde vom Olivenöl abgeleitet, wo kaltgepresst ein Gütesiegel ist. Außerdem gibt es ja diese Firmen, deren Honig ultrahocherhitzt wird, damit er flüssig bleibt. Bei Honig gibt es große Unterschiede in der Konsistenz, Rapshonig wird oft schon in der Wabe fest, ebenso Waldhonig. Dann hat man es schwer, weil die Waben beim Schleudern brechen. Franz benutzte in den letzten Jahren für seine Honigwaben nur noch Plastikmittelwände. Jede Wabe ist so aufgebaut, daß die Bienen auf einer vorgegebenen Mittelwand, die eine beidseitig aufgeprägte Sechseck-Struktur hat ihre Zellen errichten. Die Wand sitzt in einem Rahmen. Traditionell sind die Rähmchen aus Holz und die Mittelwände aus gepresstem Wachs, durch Draht gehalten. Aber seit einigen Jahren benutzen Imker auch Mittelwände aus Plastik. Die Oberfläche wird beidseitig fein mit Wachs eingewalzt, und die Bienen ziehen darauf ebenso exakt ihre Zellen hoch. Vor einigen Jahren kaufte ich mir einen Bund von zehn solcher Rähmchen. Es funktioniert erstaunlich gut, sie lassen sich gut reinigen, sind leicht und sehr stabil. Die Stabilität macht sich vor allem beim Schleudern bemerkbar, weil man die Zentrifuge so schnell drehen kann wie man will. Man bekommt fast jeden Honig aus der Wabe. Dennoch machte es mir keinen Spaß diese Rähmchen im Stock zu haben. Nach und nach, immer wenn eine Wabenerneuerung anstand, schenkte ich sie an Franz weiter.
Als ich mit den Bienen in den Rosengarten umgezogen war, hatte ich keinen Raum mehr in der Nähe, in dem sich Schleudern ließ. Man kann nicht im Freien schleudern, da die Bienen sofort vom Geruch des offenen Honigs angelockt werden. Vor allem im Juli. Sie haben dann ihren Wintervorrat angelegt und die Honigentnahme erscheint ihnen als existentielle Bedrohung. Wir benutzten deshalb ein Zelt, das ich aus Dachlatten und durchsichtiger Abdeckplane gebastelt hatte. Zur Belüftung waren große Gazefenster eingesetzt. In dem Zelt wurde ein Klapptisch aufgestellt, ein paar Eimer mit Wasser, das Entdeckelungsgeschirr, die Siebe, die Eimer und die Schleuder. Babette, meine damalige Freundin, stand im Zelt und schleuderte. Ich arbeitete an den Bienen, entnahm die vollen Waben und schaffte sie ins Zelt. Manchmal kamen Freunde, um zu helfen, oder um zu schauen. Mit den Besuchern des Rosengartens bildete sich langsam eine Menschentraube, die das Geschehen umstand. Das war anstrengend, denn ständig kamen aus dem Off irgendwelche Fragen: „Was ist denn das da links an dem Brett (gemeint war die Wabe), das Längliche?“ Es ist aufreibend vor dem offenen Stock mit wütenden Bienen zu stehen und über die Schulter Fragen zu beantworten. Gelegentlich kam sogar Franz zu Besuch, der nicht weit entfernt wohnte. Aber wenn er all die Leute sah, flüchtete er wieder. Später wurde mir das Aufbauen des Zeltes zu umständlich. Außerdem mißfiel mir, daß das Gras an der Stelle, wo das Zelt gestanden hatte, zertrampelt war. Ich lud stattdessen die Kästen mit vollen Waben direkt ins Auto. Zwischen den Fliederbäumen hindurch kann man bis an den Bienenstand fahren. Sobald ich alles eingeladen hatte fuhr ich nach Hause, etwa 20 Minuten durch die Stadt, während derer die Waben kaum abkühlten.
Es war einfacher in der Küche zu schleudern. Fließendes Wasser ist beim Schleudern von großem Vorteil. Denn letztlich ist es viel Putzarbeit, die dabei anfällt, bis dahin, daß man anschließend mindestens dreimal den Boden wischen muß, um alle Wachs- und Honigreste zu entfernen. Abends brachte ich den Bienen die leeren, honigfeuchten Waben zurück.


aus den Honiggeschichten