Killerbienen


Gelegentlich wird in den Medien über die sogenannten Killerbienen berichtet. Das Phänomen geht zurück auf afrikanische Bienenstämme, die man im Jahr 1955 aus Johannesburg nach Brasilien brachte und den dortigen, europäischen (!) Bienen einkreuzte. Ihre Volkseigenschaften sind jedoch dominant vererblich und die Königinnen schlüpfen etwa einen Tag früher als die anderen, wodurch sie im Vorteil sind. Während unsere Bienen das Interesse am Stechen verlieren, wenn man etwa fünfzehn Meter wegrennt, verfolgt einen dort fast das gesamte Volk und ist hartnäckig über lange Strecken. In beiden Fällen handelt es sich wohl zunächst um die Wächterbienen, vermute ich. Sie sind abgestellt, am Flugloch zu sitzen und Unbefugte nicht einzulassen oder ihnen nachzufliegen und sie über eine Schutzgrenze hinaus zu vertreiben. In unseren Regionen genügen dafür wenige Meter. Nachdem man in Brasilien Kreuzungen der afrikanischen Bienen mit europäischen Rassen durchgeführt hatte, besaß man eine neue, leistungsstarke Biene. Jedoch stellte sich deren agressives Verhalten heraus und es ließ sich durch weiteres Züchten nicht beseitigen. Dann ließ ein Angestellter, der in der Zuchtstation arbeitete, doch wieder das Türchen auf, wodurch einige Stämme entkamen. Sie vermehrten sich und breiteten sich flugs aus. Soweit ich weiß, ist die afrikanische Biene überaus flugstark. Die afrikanisierten Stämme drangen jedes Jahr um mehrere hundert Kilometer in alle Richtungen vor und landeten in Texas. Dort nisten sie beispielsweise in Felsvorsprüngen. Eine Reihe von Imkern halten sie im Geheimen. Sie wollen die Angst der Leute vor den sogenannten Killerbienen nicht befeuern. Die Imker brauchen grundsätzlich Schutzanzüge. Das erfährt man in dem Film More Than Honey. Einer der Imker erwähnt, dass man vorher pinkeln gehen sollte, denn der Schutzanzug kann, je nach Arbeitsaufwand, womöglich stundenlang nicht mehr abgelegt werden. Der Honig, den diese Bienen liefern, entspricht den Pflanzen, die dort blühen. Das ist wie bei uns. Nur tragen die afrikanisierten Völker viel ein. In der Region des südlichen Texas, nahe der mexikanischen Grenze, erntet man einen mittelbraunen, würzigen Honig, dessen Nektar unter anderem von Kakteenblüten stammt. Die afrikanisierten Bienenstämme können nicht beliebig weit nach Norden vordringen, da ihnen nach unten hin Temperaturgrenzen gesetzt sind. Klimata, die zu kalt sind, bremsen sie aus.

Palmkätzchen


(Mittlerweile ist es gesetzlich verboten, fürs Osterfest Palmkätzchen zu schneiden. Die Wichtigkeit des ersten Pollens für bestäubende Insekten wurde in den Vordergrund gestellt.)







Dies war eine kleine zeichnerische Erklärung, die ich meiner Tochter lieferte. Sie war noch fünf Jahre alt und die "Kätzchen in den Palmen" hatten es ihr angetan. Es war kurz vor Ostern und wir waren überein gekommen, dass es wichtiger ist, sie blühen zu lassen, als sie abzuschneiden und zuhause in die Vase zu stellen.

no ants land


Im Januar 2010 in der Artothek München mit Michael von Brentano


Blick in den Hauptraum der Ausstellung
Im Vordergrund die Installation von Michael von Brentano.
Im Hintergrund ringsum an der Wand meine Arbeit, ein Konvolut aus etwa 30 Zeichnungen mit dem Titel siren call.











Zu Michael von Brentanos Arbeit selbst etwas erklären zu wollen, mit meinem begrenzten Sprachschatz in dieser Richtung, ist keine gute Idee. Der Kulturwissenschaftler Stefan Hirsch hielt eine ausführliche Eröffnungsrede. Er verfolgte einige Spuren in Michaels künstlerischen Arbeiten. Klar scheint mir in erster Linie, dass wir uns von einem ähnlichen Grundimpuls bewegen lassen. Im Hintergrund steht ein Naturzusammenhang, wobei ich bei mir gleich sagen kann, dass meistens damit die Bienen und die von ihnen berührten Themen gemeint sind. Doch die Ergebnisse unserer Beschäftigung sind sehr verschieden.
Bei meinen Arbeiten dachte ich eines Tages, während ich im Zug saß und am Rosengarten, wo meine Bienen stehen, vorbeiflitzte, dass viele meiner Arbeiten einem überaus einfachen, vielleicht allzu simplen Prinzip folgen. Die eigentliche Akteurin, kann man sagen, ist die Hand. Um es mit einem banalen Wortspiel zu sagen: Sie ist die Handelnde. Was die Maschine abliefert, greift die Hand auf. Ihre Unvollkommenheit ist es, die der maschinellen Perfektion so überlegen ist.

Michael sagt: „Unsere Arbeiten gehen gut zusammen.“ Und ich denke: Das stimmt. Aber wenn es nicht so wäre, könnten wir trotzdem gut miteinander ausstellen.

Der Titel no ants land bezieht sich auf den leeren Korridor, den man zwischen riesigen südamerikanischen Ameisenvölkern entdeckt hat. Kämen sich die Völker zu nahe, würden sie gegeneinander kämpfen, bis kaum noch eine Ameise übrig wäre. Das kann bei Bienen auch geschehen. Dort nennt man es Räuberei und sie ist an den Ständen unachtsamer Imker im Herbst zu beobachten. Bienen versuchen, an den Wächterbienen vorbei, in fremde Stöcke einzudringen und Honig zu erbeuten. Treffen etwa gleich große Völker aufeinander, stechen sich die Bienen gegenseitig tot und machen weiter bis zum Schluss. Von Siegern kann man nicht sprechen. Denn jene Hand voll, die übrig bleibt, schafft es kaum über den Winter. Die klugen Ameisen haben sozusagen eine demilitarisierte Zone zwischen einander errichtet.














Im Nebenraum stand meine Vitrine mit dem Titel sweetland on sick call, einem Satzfragment, das aus den Pisaner Cantos von Ezra Pound stammt. Zur Unterstützung hängte ich eine Papierarbeit mit dem Titel Blick durchs Insektenauge






Im Anschluss sind Auszüge aus der Eröffnungsrede von Stefan Hirsch zu lesen:
Die Eröffnungsrede von Stefan Hirsch, einem Kulturwissenschaftler ist hier im Anschluss zu lesen:

Einführung am 14.1.2010 in der Artothek München
von Stefan Hirsch, Kulturwissenschaftler, München


Sehr geehrte Damen und Herren,

was hier - umgeben von intarsierten und damit elementar reduzierten Abbildern urtümlicher Meerestiere, die unter einen Cutter Christoph Scheuereckers gerieten - in der Mitte des Raumes zu sehen und auch zu hören ist, bedürfte eigentlich keiner besonderen Erklärung. Akustisch handelt es sich um ein Intervall etwa einer Terz, hervorgerufen durch Wasserstrahlen, die an die Wände ziemlich kitschiger Kristallvasen prallen und diese zur Erzeugung glasharfenartiger Frequenzen anregt, unterlegt mit einem gewissen Brummen eines Pumpentransformators. Die Wasserstrahlen entspringen der Brust zweier hohler, kopfloser, stummelschwänziger schwarzer Hunde, gegossen aus einer Polyurethan-Masse, in die Granitmehl gemischt ist. Die Gussform ist exakt bildhauerisch nach der Natur durchgeformt, an solchen Perfektionen, die gerne mit dem Abstraktum „Perfektion“ bis hin zum Spiegelbild des Kitsches spielt, ist der Bildhauer Michael von Brentano erkennbar. Der Rest dieser Installation stammt - ich weiß es nicht genau - von Hornbach yippie, yippie jey, OBI das kann nur die Nummer 1, Praktiker geht nicht gibts nicht - jedenfalls aus westeuropäischer Baumarkthochkultur aus dem Anfang des 21. Jh., etwas ergänzt durch künstlerische Podeste, erinnernd an glückselige Kindertage der Nierentisch-Epoche. Die Teichfolie gar ist in schwungvollem, fast ekstatisch-barock-wolkigem Faltenwurf ausgelegt. Das, was einst Himmlisches oder Himmlische wie Berninis Theresa umgab, ist hier eher als erdhafter, dunkler, schwarzglänzender Schleier vor dem Unterweltlichen aufgefasst. Die Hunde verbreiten eine sphinxartige, rätselhafte, fast altägyptische Stimmung. Aus ihren Seitenwunden quillt recyceltes Wasser. Es empfiehlt sich, aus hygienischen Gründen nicht davon zu trinken. Außerhalb der Öffnungszeiten ist die Pumpe abgeschaltet und es gibt keinen Keramikfilter im Kreislauf. Es handelt sich also nicht um Paradiesströme, nicht um den Lebensquellbrunnen der Evangelisten, nicht um einen merkurialen Brunnen der Alchemisten, und noch weniger um eine Werbeanlage für Adelholzen. Trotzdem gehen wir nicht fehl, in dieser Installation etwas verdeckt Religiöses zu vermuten. Thomas Steinfeld von der SZ, der mehrfach sehr sensibel dem Zusammenhang des heutigen Kunstbetriebs mit religiösen Phänomenen auf den Grund gegangen ist, würde dies wohl ähnlich sehen. Und die grafischen Paraphrasen von Nick Cares Mond-, Planeten- und Sterne-Jesus gehen ja auch in diese Richtung.

Das Motiv des götterversöhnenden oder erlösenden Opferblutes, das aus der Seitenwunde eines Opfertieres, ab unserer Zeitrechnung schließlich aus der Seitenwunde Jesu „des Gesalbten“ dringt, ist eine geradezu anthropologische Grundkonstante im Evolutionsweg vom Instinktverhalten über das schamanistische Welterleben bis zu den rituellen Kulturstufen. Es blieb dem westlichen frühen Mittelalter vorbehalten, das Motiv im 10. Jh. zu konfessionellen Propagandazwecken umzugestalten. In der Buchmalerei dieser Zeit steht bereits anstatt der Gottesmutter die personifizierte Ecclesia unter dem Kreuz und empfängt in einem Kelch das erlösende Opferblut, während sich die personifizierte Synagoge, von Blindheit geschlagen, abwendet. Wenn wir aus den Irrwegen der abrahamitischen Religionen herausfinden wollen, die uns derzeit so viel zu schaffen machen, müssen wir zu jenem Punkt reflektierend zurück, als in 1 Samuel 6,20 und in der Genesis die Bewusstseinsspaltung zwischen heilig und profan zementiert wurde, jene Bewusstseinsspaltung, die in der Folge über Scholastik, Renaissance, Aufklärung und technische Zivilisation als folgerichtige Weiterentwicklung des abrahamitischen Programms dazu geführt hat, dass die Natur, da ihr das Profane zugewiesen wurde, das Opfer unserer Technik geworden ist. Und sie ist auch vielfach Opfer der Kunst geworden, starb darin in der Metamorphose von der Natürlichkeit zur Künstlichkeit.

Ich denke, dass dieser bildnerische Aufschrei dagegen, dass wir Natur als Nutzobjekt verstehen und uns selbst nicht mehr als Teil der Natur, als mit den Tieren verwandt empfinden und uns damit in ein kollektives Selbstmordprogramm hineinziehen haben lassen, letztlich die thematische Klammer der beiden Künstler Michael von Brentano und Christoph Scheuerecker darstellt.

Bleiben wir noch kurz bei der Installation von Michael von Brentano. Das Hohle und Kopflose der Hunde mit einer Art technischem Infusionsschlauch und Kabelbinder darinnen zeigt uns unmissverständlich, dass wir nicht mehr in der Lage sind, in der Bildhaftigkeit von Mythemen zu denken. Derartige Denkschemata sind für uns schon lange hohl geworden. Es wäre uns fremd, das Durchstehen einer Dürreperiode als Kampf eines schwarzen Hundes namens Anubis mit Seth, der Figuration der Dürre, aufzufassen und die Wunden und das geflossene Blut des Anubis als Lebenselixier für einen Horusknaben, das ihn so stark macht, dass er Seth überwinden kann. Unsere eigene Kulturgeschichte berührt uns in dieser Weise höchstens noch literarisch-bildungskanonisch. Dass das Wasser aus der Seitenwunde der Brentano’schen Hunde die Kelche der Kristallvasen gerade nicht trifft, scheint in diesem Zusammenhang bedeutsam zu sein. Nicht nur, dass das Opferblut der schwarzen Hunde kein frisches, sich erneuerndes Wasser ist, es geht auch noch daneben, die Botschaft wird nicht aufgefangen, Hinweis darauf, dass uns etwa spätmittelalterliche oder frühbarocke Ikonographien wie Christus am Kreuz im Lebensbrunnen, der aus seiner Seitenwunde gespeist wird, für uns keine unmittelbar spirituell-meditative Folie religiösen Erlebens mehr darstellen können. Wer begeistert sich in der Epoche der coolness noch enthusiastisch für irgendetwas. Enthusiastisch heisst wörtlich „im Gott, im Göttlichen, im Transzendenten unmittelbar drinnen sein“ und das sich begeistern heisst nichts anderes als sich vom Geist - vom Geistigen - unmittelbar erfassen lassen. Dass die einstigen spirituellen Angebote der Religion heute weitgehend auf die scheinbar profane Kunst, auf den Kunstbetrieb übergegangen sind, ist eine Binsenweisheit, aber es ist die Chance der Kunst heute, ohne Umwege in die Mitte der Seele des Menschen treffen zu können. Insofern könnte man natürlich auch an unsere Kunstwerke hier tiefenpsychologisch herangehen, was aber leicht in einen - wie es einmal in der SZ zu lesen war - „gängigen Tiefsinn“ ausarten könnte, wenn man dabei nur in den oberflächlichen Gewässerschichten herumpaddelt. Dass natürlich eine so ausgebreitete schwarze Teichfolie und selbst der banale Baumarktteich mit einer Verbildlichung eines Einstiegs in die Tiefenregression zu tun haben, liegt auf der Hand, ebenso wie die Fotografien und Blaupausen von Seekühen und ihren Innereien und das unzugängliche hohle Innere der beiden an der Wand nebenan hängenden Kunststoff-Ameisenhaufen etwas zu tun haben. Wir müssten versuchen, uns ins Innere der Naturseelen, der Säugetierseelen, der Insektenseelen, ins Innere der Sozialisationsfähigkeit der Ameisenseelen, der Bienenseelen hineinfallen zu lassen und zwar gerade nicht auf eine esoterische Weise, sondern in der Klarheit einer ungetrübten Selbsterkenntnis. Unsere eigene Sozialisationsfähigkeit ist zwingend auf den Naturzusammenhang angewiesen, wir haben Mühe, dies zu akzeptieren. Dass zwei Ameisenvölker wohlweislich ein gewisses Niemandsland, das von beiden nicht betreten wird, respektieren, um kriegerische Konflikte zu vermeiden, könnte dabei ein nützlicher Hinweis für uns Menschen sein, mit Nähe und Distanz sorgsam umzugehen. Das vergrösserte Bild eines Bienenauges, dessen Netzstruktur keinen für uns verständlichen emotionalen Ausdruck vermitteln kann, weist uns auf unsere eigene Wahrnehmungsbeschränktheit hin, die wir nur mühsam intellektuell ausgleichen können. Wenigstens sagt uns aber unser naturwissenschaftlicher Verstand, dass ein Aussterben der Bienen als quasi merkuriale Bestäubungsboten auch das Ende der Überlebensmöglichkeit des Menschen auf diesem Planeten unmittelbar zur Folge hätte.

Doch nähern wir uns den Kunstwerken wieder klassisch kunsthistorisch. Die Bilder, die Christoph Scheuerecker entlang einer durchgehenden gestrichelten Bleistiftlinie drunter und drüber, aber eben flächenproportional gekonnt drunter und drüber aufgehängt hat, sind zum einen Papierintarsien und zum anderen Zeichnungen mit Kopierstiften, wie sie vor der massenhaften Verbreitung der Kugelschreiber noch gerne als dokumentenechte Stifte in alten Schulzeiten verwendet wurden. Sie ergeben im Strich eine graubläuliche Farbe, die den Eindruck einer Aufschlüsselung, einer Enträtselung eines Geheimnisses, der Findung einer Formel vermittelt, weil man mit dieser Farbe den Begriff einer Blaupause assoziiert, wenn auch die Blaupause auf einem ganz anderen technischen Verfahren beruht. Die gestrichelte Bleistiftlinie an der Wand wird - umgeformt - teilweise in den Bildern selbst als grafisches Element mit Anspielung auf wissenschaftlich-naturkundliche Lehrbücher wieder aufgenommen und verstärkt den Eindruck, das es sich hier um Geheimnisse der Natur handelt, die es zu interpretieren gilt.
Die Papierintarsien entstehen, wenn eine Bildvorlage, z.B. eine gerasterte Fotokopie aus irgendeiner Publikation, zusammen mit dem wie auch immer getönten Flächenpapier mit einem feinen Cutter ausgeschnitten wird. Die umgebende Fläche und das eigentliche Bild kommen so bündig in eine Ebene zu liegen. Damit wird jede Bedeutungs- oder Wirkungsveränderung oder -erweiterung eines Bildes verhindert, die normalerweise durch Paspartout oder Rahmen entsteht. Es geht Scheuerecker also um eine direkte, unmittelbare Bildlichkeit. Das sind sie, so sind sie, so sehen sie aus, so ist ihr Wesen - durch das Herausschneiden oder Skizzieren werden sie auch besonders deutlich. Und doch ist da noch eine zweite Ebene, die gerade durch diese direkte Bildlichkeit hervorgerufen wird. Im Nebenraum ist eine Vitrine, in der man Kanister, Gerätschaften und Instrumente sieht, mit denen man die Varroa-Milbe bei den Bienen mittels genau zu dosierender Ameisensäure bekämpft. Ein Glas mit Kunsthonig finden wir darin nicht. Das Arrangement ist Kunst genug für Scheuerecker, der selbst Imker ist und wohl zu unterscheiden weiß zwischen natura morta als Stillleben-Kategorie der Kunst und Natur, deren Bewusstsein um sie es nicht zuletzt mit Mitteln der Kunst dringend zu retten gilt. Denn es gibt ja berechtigte Zweifel am IQ der Gentechnokraten, die blauäugig nicht einberechnet haben, welche Radien Bienen zu befliegen imstande sind. Dass dagegen Papst Gelasius I. im 5. Jh. noch keine näheren naturwissenschaftlichen Kenntnisse zumindest über die Fortpflanzung der Bienen haben konnte, kann man ihm nicht verübeln, wenn er im Bienenwachs als Lichtspender Reinheit und Keuschheit per se zu erkennen glaubte.

Was verbindet nun aber einen Imker-Künstler ausgerechnet mit Seekühen? Wieder scheint es um die Verbindung, die Kommunikation zwischen Mensch und Tier zu gehen, korrekter müsste man formulieren zwischen den Tieren Mensch und Seekuh. Verhaltensweisen und Wesen von Seekühen sind nun insofern für den Menschen anrührend, als sie - genauso wie ihre unmittelbaren Verwandten, die Elefanten - zugänglich, gesellig, kommunikativ, und, sofern sie nicht bedroht werden, auch sehr gemütlich sind. Man kann mit ihnen zusammen baden und sie lassen sich ohne Ängste zu entwickeln abschrubben, ja scheinen dies sogar zu genießen. Darüber hinaus entwickeln Seekühe offensichtlich eine besonders wohlige Lebensfreude, wenn nur das Wasser genügend warm ist. Deshalb lieben sie im Unterschied zum Menschen auch die Abwärme von Atomkraftwerken. Als Grenzgänger zwischen Wasser und Land erinnern sie uns an sehr frühe Epochen der Evolution und appellieren somit in besonderer Weise an unsere seelischen Tiefenschichten, in denen ja bekanntlich weit, weit zurückliegende Weltwahrnehmungsmuster schlummern.
Auf Seekühe ist Christoph Scheuerecker offensichtlich über ein Buch über Sirenen gestoßen, das vor einigen Jahrzehnten publiziert worden ist. Die Texte aus James Joyce, aus der Odyssee und aus anderen historisch-mythologischen Quellen, die sie neben den Bildern an der Wand finden, haben mit Sirenen zu tun, die in der Evolutionsgeschichte der Mythen einen ebenfalls interessanten Wandel von Vögeln mit riesigen Krallen über Mischwesen mit menschlichem Frauen-, seltener Männeroberkörper und doppelschwänzigem Fisch bis hin zu seekuhartigen Wesen erfahren haben, wobei Evolutionsprozesse von Mythemen natürlich wesentlich schneller als erdgeschichtliche ablaufen, aber dennoch Jahrhunderte und Jahrtausende in Anspruch nehmen können.
Diese Texte möchte ich nun ergänzen mit Texten aus der Zeit der Aufklärung. Der teilweise kuriose und altartige Sprachduktus im Bemühen um genaue Deskription und Erkenntnis verwickelt uns in ein nahezu unlösbares Dilemma, wie wir mit unserem beschränkten Einfühlungsvermögen für Bewusstseinszustände anderer Zeiten, anderer Kulturen, anderer Lebewesen, anderer Kunstauffassungen umgehen sollen. Da verspüren wir einerseits eine weitgehende begriffliche Übereinstimmung mit unserem heutigen Fühlen und Denken und gleichzeitig eine riesige Distanz zu den Gedanken, weil sie uns ein Viertel Jahrtausend später unnatürlich und gekünstelt formuliert vorkommen. Noch dazu beißen wir an einem Kunstverständnis, das damals wie folgt definiert war: „Kunst heißt auch zuweilen das durch Kunst zuwegen gebrachte Werck selbst“. Diese Logik muss man sich erst auf der Zunge zergehen lassen. Sie ist so nichts- und vielsagend wie Wittgensteins Behauptung, dass die Welt aus Tatsachen bestünde, um in seinen „vermischten Bemerkungen“ hinzuzufügen: „In der Kunst ist es schwer etwas zu sagen, was so gut ist wie: nichts zu sagen“.
Deshalb ziehe ich mich als Kulturhistoriker - denn Kunstkritiker bin ich nicht - so gerne auf historische Texte zurück, weil sie unsere Auffassungsgabe von Kunstphänomenen der Gegenwart auf eigenartige, teilweise ironische Weise zu brechen imstande sind und gerade dadurch der Intention Brentanos und Scheuereckers, Kunst und Natur nicht nur in Beziehung zu setzen, sondern vor allem ihre Rückpolung ins Leben einzufordern, nahezukommen scheinen.

„Meer-Kuh, vacca marina. Ist ein grosser Fisch an der Americanischen See, funffzehn bis sechzehn Fuß breit: von greulichem Anblick. Sein Kopff sieht wie ein Kalbs-Kopff aus: allein seine Schnautze ist nicht so dicke, hingegen das Kinn desto stärker. Seine Augen sind klein und sehen als wie Hunds-Augen: sie helffen ihm auch nicht gar viel, denn sein Gesicht ist gar sehr schwach. Die Ohren sind nichts anders, als zwey kleine Löcher; darein man kaum den kleinen Finger stecken kan. Sein Gehör ist überaus scharff, und darff man nur ein klein Geräusche machen, entweder reden, oder auch das Wasser ganz gelind bewegen, so gehet er gleich durch. Unter denen Schultern gegen den Bauch hinzu, hat er als wie zwey kleine Hände, die dienen ihm statt derer Floß-Federn. An einer jeden hat es wie vier Finger, an deren Spitzen Nägel zu befinden. Vom Nabel an bis auf den Schwantz wird es auf einmahl schmähler. Sein Schwantz hat die Gestalt wie eine Ofen-Gabel; ist anderthalben Schuh breit und fünff bis sechs Zoll dicke, voll Sennen oder Nerven und etwas fett. Die Haut ist dicker, als wie eine Ochsen-Haut, mit Haaren überstreuet, die als wie Schiefer, oder schwärzlicht aussehen. Das Weiblein bringet insgemein zwey Junge, die folgen ihm überall nach. Es säuget sie mit denen zwey Eutern, die es unter seinem Bauche hat...Dieser Fisch kommt offt aufs Land und weidet sich mit einem Kraute, das am See-Strande wächst: wann es sich dann gesättigt hat, so träncket es sich in süßen Wasser-Strömen. Wann es sich satt gefressen und gesoffen hat, so schläfft es öfter drüber ein und hält alsdann die Schnautze auf die Hälffte übers Wasser...Manati ist ein Nahme, der von denen Spaniern ist diesem Fisch gegeben worden, und soll so viel bedeuten, als mit Händen versehen...weil seine Pfoten als wie Hände formiret sind...“


Sirenen. Zunächst wird der Name von dem Griechischen sýrein, trahere, hergeleitet, weil die Sirenen mit ihrem Gesange die Menschen an sich zogen ... . Sie waren anfangs Jungfrauen und Gespielinnen der Proserpina, weil sie aber dieser nicht "zu Hülfe getreten waren, als sie Pluto entführet, ... verwandelte Ceres sie in Monstra mit Flügeln wie Vögel ... Als sie sich aber von der Juno verleiten ließen, es mit den Musen auf einen Wettkampf im Singen zu wagen, verspielten sie - und verlohren dabey ... ihre Flügel wieder, als sie ihnen die Musen ausrupfeten und sich Kränze von deren Federn machten. Sie hatten ihren Aufenthalt in den Inseln bey dem Pelorischen Vorgebürge an Sicilien, oder auch an der tyrrhenischen Küste in Italien. Als aber Orpheus mit den Argonauten da vorbey paßirte, und durch seine Music machte, daß man sie nicht hören konnte, oder aber nach andern Odysseus auf der Circe Rath seinen Leuten die Ohren mit Wachs zustopfen, sich aber selbst an den Mastbaum fest anbinden ließ, stürzeten sich solche Sirenen aus Verzweifelung selbst ins Meer, worauf sie insgesamt in harte Felsen verwandelt wurden ... Sie werden abgebildet als Jungfern mit schönen Gesichtern, langen fliegenden Haaren ...Vogel-Leibern und großen Hahnen-Füssen, da denn die eine singt, die andere pfeifft, und die dritte auf der Leyer drein spielet ... . Daß aber selbige auch von unten her halbe Fische gewesen, und sich also im Meer aufgehalten haben, wie sie vielfältig auch gebildet werden, hat keinen Grund in dem Alterthume. Manche wollen bald besondere Vögel in Indien, bald besondere gefährliche Felsen im Meer, an welche das Wasser anschlage und den Klang einer besonderen Music mache, bald würckliche See-Monstra aus ihnen machen, doch aber hat noch kein glaubwürdiger Mensch dergleichen See-Monstra gesehen ... Am glaublichsten fället es fast, daß es berühmte Huren gewesen, welche die Vorbayreisenden an sich gelocket und hernach ausgezogen .... so dergleichen verführete Leute erlitten ...

Danke für Ihre Geduld und dass Sie sich hierher locken haben lassen.