Seit ich Bienen halte, gebe ich jedes Jahr Honigeditionen heraus.
Das schwarzweiße Etikett, das man hier noch sieht, habe ich selbst entworfen und
es kam mir immer als Notlösung vor.
Dieses Foto entstand im Jahr 1998. Damals ließ ich mir von einem
Freund, der mit mir studiert hatte und später als Grafiker
arbeitete, endlich Honigetiketten entwerfen und sie wurden gedruckt.
Ab dem Jahr 2000 setzte ich sie ein und benutze sie noch heute. Ein
Schwung hält etwa acht Jahre, je nachdem, wie hoch die Ernten
ausfallen. Dann lasse ich sie nachdrucken. Vielen übrigens gefällt
das Motiv auf den Etiketten nicht. Ich arbeitete damit bereits einige Jahre früher. Ich habe vergessen, wann es zum ersten mal auftauchte, aber beispielsweise bei der Einladungskarte zum Honigladen kam es zum Einsatz.
Bei den selbst entworfenen, provisorischen Etiketten begann ich ab
dem Jahr 1997, als ich besser imkern konnte und die Erntemengen
anwuchsen, den Monat, in dem die Tracht stattgefunden hatte, auf das
Etikett zu stempeln. Später, ab dem Jahr 2011, stieg ich auf Schreibmaschine um. Die Vorgehensweise, mithilfe des Etiketts auf die Pflanzen zu verweisen, behielt ich bei. Viele Imker mühen sich, um Sortenhonig ausweisen zu können, da er sich teurer verkaufen lässt. Soweit ich mich erinnere, müssen dafür 70 % einer jeweiligen Tracht im Honig enthalten sein. Aber das ist mir nicht wichtig.
Foto zwei Gläser Stadthonig nebeneinander 1993/Mai 1998
Die meisten Menschen haben unbewusst
im Sinn, dass der Honig als Nahrungsmittel nahe an der Arznei liegt.
(Bei Propolis ist es über dessen antibiotische Wirkung direkt der
Fall.) Daher sind sie zunächst befremdet, wenn sie das Wort
Stadthonig hören. Zwar leben sie in der Stadt, identifizieren diese
aber dennoch mit schädlichen Umwelteinflüssen. Allerdings ist die
Diskussion um den Begriff Stadthonig komplex. Beispielsweise gibt es
in der Stadt schädliche Emission, jedoch sind die Gifte nicht direkt
auf die Pflanzen zugeschnitten, während die Pflanzen wiederum
hervorragende Filtereigenschaften besitzen. Bäume machen einen Großteil
der Tracht in der Stadt aus. Entlang befahrener Straßen sind sie auf
Hochstamm geschnitten. Das bedeutet in ihrem Fall, dass die Krone
erst ab einer Höhe von fünf Metern beginnt. Die Bienen kommen
folglich mit den Abgasen, die nach unten sinken, kaum in
Berührung. Ein weiterer Aspekt ist der Standort der Bienenstöcke.
Sind sie entfernt von befahrenen Straßen mitten in einem Grünbereich
aufgestellt? Das hielt ich für wichtig. In der Stadt München, die
als besonders grün gilt, lassen sich solche Stellen finden. Der
Städtische Rosengarten am Schyrenbad ist so ein Ort.
Auf dem Land, dem man das Gesunde
zuordnete, hört man von Seiten der Imker immer häufiger Klagen über
den Einsatz von Spritzmitteln auf der Basis von Neonicotinoiden oder Glyphosat. Erstere beeinträchtigen den Orientierungssinn der Bienen. Sie sind ein
Nervengift und verursachen höchstwahrscheinlich, dass die Bienen
nicht mehr nach hause finden. Manchmal sterben aufgrund von
sogenannten Fehlern der Pharmakonzerne die Bienenvölker einer ganzen
Region aus. Als maximales Beispiel wird das Jahr 2008 heran gezogen.
Damals wurden die Maissaat ausgebracht. Das geschieht, indem eine
gigantischer Traktor über die Äcker holpert und
die Maiskörner mit Druckluft in den Boden schießt. Sie landen
dadurch in einer perfekten Tiefe, um zu wurzeln. Die Körner waren
damals unvollständig mit einem Neonicotinoid umhüllt, das den
sogenannten Maiswurzelbohrer abwehren sollte. Dieser Schädling
frisst die Wurzeln des Mais. Das Gift war teilweise abgeplatzt und
deshalb größtenteils unwirksam. Die Abluft der Traktoren wurde in die Höhe geblasen und vom Wind in die
Oberrheinebene getragen. Dort brachte das Gift zehntausende von Bienenvölkern um.
Die Herstellerfirma nahm das Mittel darauf vom Markt und stellte im
Jahr drauf ein neues her, das für Bienen angeblich unschädlich sein
sollte. Der erste Stoff war einfach falsch designt.
Vielen Menschen fällt es zunächst
schwer, zu verstehen, dass in der Stadt mehr Pflanzen blühen und
somit der Honigertrag um beinahe das Dreifache höher ist. Zwar gibt
es keinen Raps, dafür erntet man hier erstaunlich viele
Baumtrachten.
Bild neues Etikett unbeschriftet
Etiketten Stadthonig
Wabenbau
Die Zellen der Waben sind in unterschiedlichen Winkeln leicht nach
oben geneigt. Bei Honigwaben können bis zu 20° erreicht werden.
Gewöhnliche Brutwaben im unteren Teil erreichen 5°. Das ist so
eingerichtet, damit etwaige Befüllungen, beispielsweise durch Honig,
zunächst nicht heraus rinnen. Beim Schleudern stellt man die Wabe
daher senkrecht und bewegt sie sozusagen rückwärts. Die
vorgegebenen Mittelwände haben ein sechseckiges Muster eingeprägt. Es entspricht den später darauf gezogenen Zellen. Geht man von ebensolchen Zellen aus, die zwar dazu senkrecht, aber leicht schräg stehen, ergeben sich unterschiedliche Winkel,
Flächenwinkel und Rhombenwinkel. Diesen Fragen und der Bestimmung
der Winkel ging ich zeichnerisch nach. Es überforderte mich aber,
die einzelnen Winkel genau zu errechnen.
Die Zellwände sind auf halber Höhe sehr dünn, werden aber oben, in der
Draufsicht, von einem fast runden, stabilisierenden Wulst
abgeschlossen. Um festzustellen,
ob die geringe Wandstärke in der Mitte erreicht ist, las ich, drücken die Bienen mit
dem Unterkiefer dagegen und messen mit den Fühlern, die
Tastsinnesorgane enthalten, den Rückstoß. Schwingt die Wand nicht
ausreichend, tragen sie weiter Wachs ab. Die Wandstärke beträgt
an den dünnsten Stellen 72 Tausendstel Millimeter. Beim Bau einer
DeutschNormal-Wabe, heißt es, setzen die Bienen insgesamt etwa 40 Gramm Wachs auf die Mittelwand und die Wabe könne etwa zwei Kilo Honig fassen.
In jedem Volk gibt es eine Anzahl von Bienen, die zum Bauen abgestellt sind. Sie schwitzen Wachs aus Drüsen an der Unterseiten ihres Hinterleibs. Die Baubienen hängen mit den Gliedmaßen ineinander verklammert in sogenannten Klettertrauben. Waben werden stets oben festgeheftet. Sie hängen wie Taschen und wachsen schnell nach unten, aber langsamer zur Seite hin. Bienen können in nullkommanichts die fertigen Bauten umarbeiten. Das kann beispielsweise erforderlich werden, wenn übermäßig viele Drohnen im Anmarsch sind und für sie entsprechend Zellen benötigt werden. Dann erstellen jene Biene inmitten des bisherigen Baus für weibliche Bienen große Felder für männliche. Und sie werkeln stets gemeinsam. Die einzeln in den Stock gehängten Drohnenwaben haben bei mir keine Mittelwände. Dort sieht man deutlich die ursprüngliche Form.
Im Jahr 1998 bereitete ich eine Ausstellung mit Wachsschüppchen
vor, realisierte sie aber nicht. Ich erwärmte das Wachs leicht und drückte versuchsweise kleine Plättchen zwischen Daumen und Zeigefinger. Ich beabsichtigte, eine raue Menge davon herzustellen und sie in einer riesigen Form auszulegen. Allerdings
ergab sich bisher keine Gelegenheit. Diese Einfälle, die nicht
verwirklicht wurden, sind ein Lager. Ich führe darüber Buch,
erstelle so etwas wie eine Inventarliste und darin sind die möglichen Ausstellungen, die nur auf den geeigneten Raum warten, enthalten.
(Foto Wachsschuppen: Pfeil nach Norden) "magnetischer Nordpol"
Papierarbeiten 2
Im
Herbst des Jahres 1999 befand ich mich an einem Punkt des
Stillstandes. Das heißt, es kam mir so vor, als stünde alles
unbewegt im Regal, während sich unter der Oberfläche die größten
Umwälzungen vollzogen. Ich fühlte mich, als sei ich ein
vulkanisches Gestein, das sich an der Oberfläche verhältnismäßig
ruhig dahin schiebt, während es unterirdisch um und um wirbelt.
Viele Arbeiten hatte ich noch nicht ausgeführt, sie kündigten sich
aber bereits an. Häufig entstanden zunächst projektive Zeichnungen,
die ich später als plastische Arbeiten ausführte. Daneben kam es zu jeder Menge Arbeiten auf Papier, die nicht darauf ausgelegt waren, etwas nach sich zu ziehen. Sie ließen sich nicht anders oder in
größeren Dimensionen verwirklichen.
Wegen der zahlreichen Zäsuren führte ich die sichtbare Gliederung der Papierarbeiten ein. Die ersten bienenkundlichen Zeichnungen lagen ja bereits im Jahr 1992. Vermutlich umkreisten sie ihr Thema eher, als dass sie direkt auf sie zustießen, wie das später der Fall war.
So unwahrscheinlich es klingen mag, Karl von Frisch war mir zunächst kein Begriff. Zwar wurde ich nach ihm gefragt, wusste aber nichts zu antworten. Der Grund fiel mir später ein. Ich musste in der Bienenhaltung zunächst das Praktische bewältigen. Damit hatte ich die größten Schwierigkeiten und es war noch lange nicht Zeit, aufzuatmen. Daher las ich mir im Winter theoretische Kenntnisse an und versuchte im Sommer, das Gelesene, sofern ich es nicht vergessen hatte oder es zu kompliziert gewesen war (oder die Bienen sich weigerten), in die Praxis zu übertragen.
Karl von Frisch rückte wenig später in meinen Gesichtskreis. Da beschäftigte mich die Farbwahrnehmung der Bienen. Sie ist gelegentlich Gegenstand der zweiten Papierarbeiten.
Ab dem Sommer des Jahres 1999 verbrachte ich mehrere Monate allein im Hunsrück, in einem uralten Haus. Einerseits war ich froh, einen grauenhaften Lebensabschnitt hinter mir gelassen zu haben, andererseits wusste ich nicht so recht, wie es weiter gehen sollte. Vergil hätte mich sicher mit einem Wanderer verglichen, der sich noch durch den dichten Wald kämpft. Die weite, offene Ebene war mir zwar in Aussicht gestellt und auf geografischen Karten verzeichnet. Aber augenblicklich sah es nur düster aus.
Sie sagte trocken: „Halte durch.“
Der Geist des Honigs
Eines Abends vor Jahren, als wir am Tisch saßen, sagte ein Freund
unvermittelt: „apicultura ist der Geist des Honigs.“ Natürlich
hatte er das aus einer Schnapswerbung, die damals dauernd im
Fernsehen lief. „ ... ist der Geist des Weines.“ Daher war ich
nicht besonders erbaut, vielleicht sogar mehr verärgert, als
geschmeichelt. Und der Satz musste sich im Lauf der Jahre erst
entschlacken und mir schließlich wieder einfallen, bevor er
verwendbar wurde. Das Ereignis, habe ich ausgerechnet, liegt
mittlerweile etwa 18 Jahre zurück. Deshalb kann ich nicht mehr
ergründen, wieviel er selbst von dem verstanden hatte, was er gerade
vom Stapel gelassen hatte. Vielleicht wollte er mir in erster Linie
einen Gefallen tun.
Dobrudscha
Bienenwanderwägen
Um das Jahr 1999 wurde ich zu einem Wettbewerb eingeladen, er war
ausgeschrieben worden, damit Künstler Ideen und Entwürfe zum sogenannten
Nordwestsammelkanal ablieferten. Das war damals ein weitgehend fertig
gestellter Kanal, der süd-westlich beginnend, dann nördlich um
München herum reichte, um künftig Abwässer aufzunehmen. Die
gedachte man schließlich durch eine Kläranlage im Norden Münchens,
bei Eching, zu schicken und dann in die Isar zu leiten.
Damit einher
ging ein riesiges Bauprojekt und eine gewaltige Stadterweiterung nach
Westen, etwa 60.000 Wohnungen, die den menschlichen Zustrom aufnehmen und den
Abwasserbedarf regeln sollte. Um das Gut Freiham herum, das dort seit dem
zwölften Jahrhundert steht, mit einer altbackenen Wirtschaft, einem
Biergarten und Stallungen, wollten die Stadtplaner Hochhäuser
errichten und auf den nördlich davon gelegenen Äckern ein Industriegebiet anlegen.
Im Norden der Stadt ließ sich hingegen nicht viel ändern, zumindest vorerst, da der
Kanal nördlich vom Hasenbergl und der Panzerwiese, nördlich des
Autobahnrings sogar, jedoch südlich der Schleißheimer Flugwerft
erst durch das Ackerland um Hochmutting, dann durch Mischwald und schließlich durch eine karge Heide,
die eine geschützte Landschaft ist, führen würde. Jedoch war der
Kanal von vorne herein so groß ausgelegt, dass er auch Abwässer,
die man nördlich aus der Stadt heraus leiten würde, aufnehmen
können sollte.
Der Bau war rechteckig, mit Außenmaßen von 5,60
Metern Höhe und 3,60 Metern Breite, und er war Anfang der Neunziger
Jahre gebaut und im Jahr 1999 fertig gestellt worden. Als ich ihn mit
anderen Künstlern zusammen besichtigte und über eine der
Einstiegsstellen in der Fröttmanniger Heide hinab kletterte, war ich
beeindruckt von seinem Ausmaß. Diese Heide liegt innerhalb eines
ehemaligen Bundeswehrgeländes, die Pflanzen dort sind teilweise selten und geschützt und sie siedeln sich nur spröde und über Jahre hinweg an, da der
Boden völlig karg ist. Es ist ein Landschaftsschutzgebiet.
Anlässlich eines Hochwassers im Jahr 2010 gab es eine immense
Welle Beschwerden von Anwohnern, da ihre Keller überschwemmt worden
waren. Ein unabhängiges Gutachten der Technischen Universität
München bestätigte, dass beim Bau Fehler gemacht worden waren. Man
fand heraus, dass der Kanal nicht nur Abwässer fort schaffte,
sondern wegen baulicher Mängel bei starkem Regen wie ein Damm
wirkte. Das Grundwasser konnte
den Kanal nicht umströmen, denn das drum herum eingearbeitete Material war
nicht ausreichend durchlässig. So zog sich diese ganze Geschichte
hin, mit gerichtlichen Klagen, in denen die Anwohner Schadenersatz
forderten. Und im Jahr 2013 wurde der Kanal wiederum saniert. Ein
Bewohner gab ein zweites Gutachten in Auftrag. Letzte Berichte im
Internet fand ich bis ins Jahr 2015, als wiederum ein drittes (noch unabhängigeres) Gutachten in Auftrag gegeben wurde. Jedoch schien damit die Sache
nicht zum Ende zu kommen. Im Grunde wurde in der Zeitung, wenn man etwas über den Münchner Westen las, nur über eine neue Volte in dem Fall berichtet.
Die eingeladenen Künstler ließ man Entwürfe und Modelle anfertigen. Meiner sah vor, dass etwa fünf bis zehn Bienenwanderwägen für Bienenhalter bereit gestellt würden. Ein Imker, sobald er sich meldete, bekäme einen Wagen zugeteilt. Im Gegenzug sollten die Imker dazu verpflichtet werden, mit ihren Bienen entlang des Kanalverlaufs zu wandern, was übers Jahr hinweg eine Reihe verschiedener Trachten einschloss. Um die Einstiegsstellen herum ließen sich leicht Standplätze anlegen, beziehungsweise mussten sie nur ausgewiesen werden.
Die Wanderwägen bestanden aus einem Teil, in dem die Bienen standen, etwa fünf bis acht Völker, und einem getrennten Raum, in dem Gerätschaften gelagert werden konnten und in dem geschleudert werden sollte. Im Grunde handelte es sich um teilweise ausrangierte Bauwägen der Stadt, die ohnehin beim Bau des Kanals ihren Dienst getan hatten. Sie sollten runderneuert und für die Bienenhaltung hergerichtet werden. Es steckte, sozusagen als Schmankerl, eine Recyclingidee darin. Die Vorbereitung würde keine allzu massiven Eingriffe erfordern und schon gar keine in die Grundkonstruktion der Wägen. Außen schließlich würden sie mit Aluminiumblech beschlagen, damit sie glänzten und für das Auge sofort kenntlich wären. Das war eigentlich schon alles.
Nachdem man uns Künstler bemüht hatte und die Ideen gesammelt worden waren, versickerte das Projekt, da kein Geld für uns zur Verfügung gestellt wurde. Der Bau des Kanals hatte mehr als 200 Millionen Euro verschlungen. Doch nach seiner Fertigstellung wurde über fünfzehn Jahre lang daran herumgeflickt und samt der Gutachten aufwendigst prozessiert. Da kein Ende abzusehen war, konnte man sich vorzeitig kaum mit Künstlern schmücken. Selbst für unsere Entwürfe und Modelle gab man kein Geld mehr aus.
Ich hatte auf dem Flohmarkt eine Reihe von Automodellen erstanden. Darunter waren eine rosafarbne Ente und ein hellblauer Trabi. Von einem weiteren Fahrzeug montierte ich die vorderen Räder ab. Sie waren frei beweglich und mit einer dünnen Eisenstange verbunden. Die steckte ich durch zwei Löcher, die ich in den Unterboden meines Modells gebohrt hatte und klebte die Räder seitlich wieder auf. Und auf einer massiven Grundplatte errichtete ich aus Aluminiumblech das Modell eines der geplanten Bienenwanderwägen. Die Verbindungen sind genietet.