Magnetfeldorientierung



Im Lauf der Zeit entwickelte ich besonderes Interesse an der Orientierung der Bienen. In Bezug auf die außergewöhnlichen Sinnesleistungen, dachte ich, kann die Orientierung am Sonnenlicht beziehungsweise auch am polarisierten Sonnenlicht, die ihnen seit geraumer Zeit explizit zuschrieben wird, nicht die einzige Möglichkeit sein, die ihnen bei der Bewegung durch den offenen Raum behilflich ist. Es wurde nachgewiesen, dass Bienen nichts hören, jedoch das Zittern ihrer Härchen den Schall wahrnehmen. Im Flug orientieren sie sich zudem an Farben und an landschaftlichen Besonderheiten, die sie sich gemerkt haben. Sie sind nicht nur blütentreu, was bedeutet, dass sie die Blüten einer Pflanzenart so lange anfliegen, bis diese gänzlich verblüht ist. Sie besuchen die entsprechenden Pflanzen jeweils um eine bestimmte Uhrzeit, dann, wenn am meisten Nektar ausgeschieden wird. Das lässt natürlich auf einen Zeitsinn schließen. Weiter sind sie in der Lage, bei gänzlich bedecktem Himmel auszufliegen. Sie orientieren sich am Magnetfeld.

Der geografische Nordpol und dessen Gegenüber, der Südpol, richten sich nach der Achse, um die sich die Erde dreht. Von dort gehen die Linien aus, die als Gitter über die Erdkugel gelegt werden und Ortsbestimmungen in Länge und Breite zulassen. Der magnetische Nordpol jedoch liegt vom geografischen entfernt, teilweise um die 1000 km. Es heißt, ginge man der Kompassnadel nach Richtung Norden, käme man unweigerlich zu diesem Pol, jedoch nicht auf dem kürzesten Weg. Das magnetische Gitter, soweit man davon sprechen kann, liegt seitlich verzogen über dem Erdball. Nahe der Pole beispielsweise macht es noch eine starke Krümmung. Es gibt zusätzlich innerhalb des Feldes eine Reihe von örtlichen Abweichungen, beispielsweise wenn man über einem Flöz aus Magnetit steht oder wenn man die Kompassnadel einfach durch einen starken Magneten, den man in deren Nähe bringt, ablenkt. Mitunter wird behauptet, Überlandleitungen erzeugten eine weithin spürbare magnetische Abweichung, ebenso Handies. Die Deklinatination ist übrigens nicht statisch. Im November des Jahres 2016 betrug sie in München genau 3°. Das gesamte Magnetfeld wandert im Laufe der Jahrhunderte Richtung Osten.
Zu diesem Feld gibt es Forschung seit dem Jahr 400, das geschah in China. Besonders die europäischen Seefahrer des Fünfzehnten und Sechzehnten Jahrhunderts, die diverse Karten anlegten und sich auf deren Genauigkeit verlassen mussten, waren auf die Messungen angewiesen. Im Übrigen sieht das Feld beiderseits, wie man heute weiß, völlig chaotisch aus, wie ein Hund mit strubbeligen, zu langen Haaren. Der magnetische Strom tritt nicht nur am Ende der Kugelenden aus, sondern weit vorher, als handle es sich um einen stark verkürzten Stabmagneten, der im Inneren der Erde stecke.
Die entsprechenden Sinnesorgane der Tiere begann man erst ab den Sechziger Jahren zu erforschen, und das geschah, obwohl sich Züchter von Brieftauben längst über die Navigationsleistungen ihrer Schützlinge im Klaren waren. Bei den Zugvögeln, den Fischen, den Walen, den Honigbienen und so weiter, bei den meisten Tieren, die sich ohne Sonnenlicht orientieren können, entdeckte man nach allen Seiten hin beweglich gelagerte Plättchen, die sich am Ermagnetfeld ausrichten. Deren Stellung wird vermutlich durch Nervenenden aufgespürt und umgerechnet. (Übrigens sind auch bestimmte Bakterien zur Orientierung am Magnetfeld in der Lage.) Als ich letztes mal darüber las, konnte ich nicht heraus bekommen, wie weit die Forschung bezüglich der Rezeptoren gelangt war. Bei Tauben beispielsweise, dachte man, liege das Sinnesorgan oberhalb des Schnabels. Bei Bienen wurde seine Lage in dem schmalen Steg zwischen dem mittleren und dem hinteren Körperteil vermutet.

Über Näheres war ich nicht informiert, bezüglich zahlreicher Informationen bin ich nicht auf dem neuesten Stand. Jedoch lag ich im Frühling abends nach der Dämmerung im Bett und hörte den Singvögeln zu, wie sie einen gewaltigen akustischen Raum aufspannten. Meine Gedanken gelangten zur klassischen Skulptur, die man betrachtet, indem man sie umschreitet. Und von dort kam ich zur Fortbewegung im Raum. und über welche Orientierungshilfen beispielsweise die Bienen verfügen.