talk show


Eine Bekannte ist eine Berliner Stadtimkerin, die aus der Oberpfalz stammt, und auf dem Dach einer ehemaligen Fabrik einige Völker hielt. Sie hatte auch einen Imkerpaten gefunden, einen alten Mann, der sie mit Bienen versorgte und ihr beibrachte, was er wusste. Von ihr stammt das unglaublich lustige Etikett mit dem Titel „Tresorhonig“, das mich sofort an Dagobert Duck erinnerte. Ich weiß nicht mehr genau, wie sie auf meinen Namen gekommen war oder ich auf ihren, jedenfalls schrieben wir uns eine Weile hin und her. Dann schlief die Konversation ein. Sie war mehrfach im Fernsehen und ich fand die Art, wie sie die Imkerei betrieb, ziemlich erfrischend. Etwa Anfang des Jahres 2013 beispielsweise war sie in eine Talkshow eingeladen. Mit in der Runde von Gästen, die alle gemütlich zurückgelehnt auf Sofas und Sesseln fläzten, war ein nicht besonders bekannter Schauspieler, der in einer Fernsehserie einen Polizisten aus dem Ruhrpott spielt. Ich verstand nicht, welchen Zusammenhang es zwischen den Gästen gab, jedenfalls war er nicht politisch. Die Bekannte, als sie zu Wort kam, stand auf und stülpte dem Moderator einen Schleier und das zugehörige, mit einem Reißverschluss daran befestigte Hemd über. Sie sagte ihm sinngemäß, er solle das mal anprobieren. Dann verteilte sie Plastiklöffel, die sie mitgebracht hatte, und öffnete einige ihrer Honiggläser. Sie ließ die Gäste der Runde probieren und forderte sie auf, zu ergründen, welche Pflanzen sich aus dem Honig heraus schmecken ließen. Der Schauspieler lag nahe dran. Der Moderator war indessen völlig außer Betrieb, da er einige Minuten nicht mehr aus dem Schleier und dem Oberteil heraus fand. Er zappelte und wand sich. Als er dann wieder zur Gruppe zurück gefunden hatte, war das Ereignis bereits gelaufen.




Die Bekannte erzählte von einem Berliner Imker, der sich für eine eigene Zuchtlinie eingesetzt hatte, eine Biene, die sanftmütig und leistungsstark sein soll. Die war vor geraumer Zeit bis nach Polen exportiert worden. Man hatte sie matka berlinska genannt.

"I welcome whatever happens next." (Cage)



Die auf dem Boden liegenden Pendeltürenplatten hingen im Jahr 1992 bei meiner ersten Ausstellung zum Bienenthema in einem doppelten, durch ein halbes Geschoß auseinander liegenden Raum. Sie waren von unten in ein umlaufendes Aluminiumprofil gesteckt. Zwischen jeweils zwei der gelblichen Platten sind Zeichnungen eingelegt. Damals sprach ich von dem Prinzip Vorratshaltung, das auch die Bienen betreiben. Die schweren Platten waren seit geraumer Zeit bei einem Freund auf dem Speicher gelagert. Er wohnt in Neustadt an der Weinstraße und dort fand die Ausstellung statt. Kurz vor meiner Abreise dorthin hatte sich der hundertste Geburtstag von John Cage gejährt. Im entsprechenden Zeitungsartikel hatte ich einen umwerfenden Satz gelesen. Als John Cage zum Thema Zukunft befragt wurde, antwortete er: „I welcome whatever happens next.“

Mein Plan, das Ganze auf dem Boden zu präsentieren, bestand lange. Die Jahre 1992 und 2012 sind miteinander durch zwei Jubiläen verbunden. Das erste ist mit der Ausstellung abgehandelt. Das zweite folgt in dieser kleinen Präsentation.





Zum einen ließ ich hier zwischen den Platten fußbreite Abstände, zum anderen sollten die Zeichnungen nicht nur von einer Seite gelesen werden. Wer sich alles näher ansehen oder die klein gestempelten Texte entziffern wollte, musste sich entscheiden, ob er auf eine der Platten treten wollte oder seinen Schuh auf den dazwischen frei gelassen Boden setzte. In die Zwischenräume zu steigen, erforderte Akrobatik, wenngleich nicht besonders anspruchsvolle. Das Betreten der Platten und insofern der Kunst, spielte mit dem Übertreten einer Hemmschwelle. Einige sagten: „Das macht mir gar nix aus, da steig ich gleich extra drauf.“ Doch ich vermute, dass so die wenigsten reagierten. Die Legung geschah meinerseits nicht als Test, wie unverfroren oder sensibel die Besucher bei der Betrachtung handeln würden. Sie liest sich zwar so, doch tatsächlich war mein Antrieb, die Platten einmal auf dem Boden sehen zu wollen und sie nicht vorzuenthalten. Sollte eine spätere Ausstellung folgen, wüsste ich, wie ich sie zu präsentieren hätte. 







Ein Fotograf, der im vergangenen Winter einige Aufnahmen zu einem Artikel in einem Begleitheft einer Tageszeitung gefertigt hatte, kontaktierte mich. Er suchte für ein bekanntes Journal Menschen zwischen vierzig und sechzig Jahren, für jedes Jahr einen. Diese Personen sollten ungewöhnliche Tätigkeiten ausüben. Zudem sei gefragt, dass sie einige prägnante Sätze über das Thema Zukunft aussagten. Es schien ihm peinlich zu sein, doch er musste mich nach meinem Alter fragen. Das Bienenthema hatte er bereits im Kasten. Ich schrieb zurück, dass ich 49 Jahre alt sei und mir unter Zukunft die sich in der jeweiligen Zukunft ereignende Gegenwart vorstelle. Für die Bienen kann ich mir eine Zukunft ausdenken. Mein Weltbild ist weder optimistisch noch pessimistisch. Als Antwort kam zurück, dass es ihm unangenehm sei, mich aufgescheucht zu haben, aber jemanden, der 49 Jahre alt sei, habe man bereits. Sie brauchten aber noch Personen beispielsweise im Alter von 59 Jahren. Als ich zurückschrieb, ein guter Freund sei genau 59 Jahre alt, engagiere sich für alternative Energien, Gartenbau, Landschaftsbau und sei staatlich anerkannter Spielplatzprüfer, wohne jedoch in Neustadt an der Weinstraße, also etwa 350 km entfernt, kam keine Rückantwort.





In den Zeichnungen sind das Figurale und das Modellieren thematisiert. Anfänglich zeichnete ich auf eine Weise, die ich mittlerweile aufgegeben habe. Damals entstanden absolute Unikate. Heute lässt jede Zeichnung, auch wenn sie nur einmal besteht und das sogar beabsichtigt ist, die Möglichkeit offen, dass sie mehrmals hergestellt werden könnte. Selbst wenn Vervielfältigung und Kopie nur als Konjunktive bestehen, sind sie im Bild anwesend.


Bienen sind reine Energie. Gelegentlich verglich ich den offenen Bienenstock provokativ mit einem Atomreaktor, was viele Menschen dazu verleitete, zurück zu zucken, entweder vor dem ungültigen Vergleich oder vor den Bienen.







In diesem Jahr schnitt ich eine Drohnenwabe aus, die an den Rändern voll mit frischem, stockwarmem Honig war. Dabei hatte ich übersehen, dass auf der Rückseite eine tote Biene klebte. Als ich hineinbiss, konnte ich den Honig, die Wabe und die Biene unterscheiden. Ich konzentrierte mich auf die Biene, da in ihr sozusagen eine Premiere lag. So stellte ich fest, dass eine tote Biene nach Papier schmeckt.

Bienen sind die Popstars der Zukunft


Jubiläumsausstellung in der werkschau.galerie
20 Jahre apicultura
Eröffnung am Mittwoch, den 23. Mai



Was hier als Bild erscheint, gibt es mit derselben Einstellung auch als Film.


Während wir uns bezüglich der Biene mit unseren germanischen Wurzeln herumschlagen, mit Imme und Bien, bezeichnen die Italiener die Imkerei geschmeidig als Bienenkultur. Das hielt ich für ausbaubar, da der Kulturbegriff darin so mühelos zum Einsatz kommt. Was ist in diesem Fall Kultur, fragt sich ein Bienenlexikon und gibt sich selbst die Antwort: Haltung und Pflege. Kultur beinhaltet allerdings viel mehr, das weiß man. Der Kulturbegriff ist so weit, dass man seine Ränder nur unscharf sieht. Das übergeordnete Label für meine Aktivitäten auf diesem Sektor ist vom ersten Tag an apicultura gewesen. So und nicht anders muss es heißen, dachte ich sofort. Besondere Spaßvögel fragten mich anlässlich des achtzehnten Geburtstags von apicultura, ob die Bienen jetzt einen Führerschein machen dürften. Ha ha.
„Ja“, antwortete ich, „aber nur für die Ape.“






Hier sitzt der Stock auf einem Hocker. Das Flugloch, heißt es, soll etwa 30 Zentimeter vom Erdboden entfernt sein.


Jemand, der mir ein Kompliment machen wollte, sagte, ich sei sozusagen Materialist in einem frühen Bedeutungssinn. Ich forsche nach allem, was sich aus dem Boden herausholen lässt.
Tatsächlich halte ich mich ans sinnlich Erlebbare.
Früher, auf Spaziergängen, formte ich aus feuchter Erde, die ich aus Pfützen geholt hatte, kleine Statuen, setzte sie auf Bänke und überließ sie dem nächsten Regen.

Die Zucht ist für mich völlig undurchschaubar und ich habe ihr den Rücken gekehrt. (Schon das Wort befremdet mich.) Es geht darin beispielsweise um Inzuchtreihen, die zur Reinzucht notwendig sind.
Übrigens gibt es eine ganz abscheuliche Art der Befruchtung. Das ist die künstliche Besamung. Die Königin wird festgeschnallt und ein Röhrchen wird ihr in den Hinterleib gerammt. Durch das pumpt man ausgesuchten Drohnensamen in sie hinein. Diese Methode wurde in den Siebziger Jahren häufig angewandt.

(Bild: Künstliche Besamung)



(Bild: Hand: Hier anwenden)















Ein Nachbau eines mittelschweren B 25-Bombers, wie ihn die Amerikaner im zweiten Weltkrieg verwendeten. Dieser hier ist aus lauter Einladungskarten für apicultura-Ausstellungen zusammen geklebt. Der B-25 war anscheinend nicht einfach zu landen. Er kommt in dem Buch catch-22 vor.




Modell für einen Anhänger. Beim Entwurf hatte ich kleine Wohnwagenanhänger aus Aluminium im Sinn. In den USA sieht man gelegentlich aluminische Anhänger, die wie Zigarren geformt sind.

Viele unterschätzen die Schieflage der Natur und denken: Das geht schon noch. Diese taube, unbeugsame Haltung verschafft ihnen die Möglichkeit, so weiter zu machen, wie bisher. Doch jeder, der sein Ohr an die Natur legt, weiß seit einem Jahrzehnt, dass es nicht weiter gehen kann, wie bisher. Am meisten wird uns sinnfällig, was wir am eigenen Leib erfahren. Es häufen sich die extremen Unwetter, die manchmal zu Katastrophen führen. Ein Beispiel ist der Tsunami vor Japan im Jahr 2011.
Besehen wir die Pflanzen, können wir sagen: Alles blüht um zwei bis drei Wochen früher. Seit einigen Jahren verlängern sich außerdem die Blühzeiten. Einzelne Pflanzen überschneiden sich in ihrer Blüte, während sie früher aufeinander abgestimmt waren. Vor Jahrzehnten funktionierten das alles wie ein Uhrwerk, während die Pflanzen heute ungeordnet dahin schlingern. Das bringt die Bienen zwar noch nicht in Bedrängnis, doch möglicherweise werden bestimmte Pflanzen ungenügend bestäubt, was ihr allmähliches Verschwinden einläutet. Vormals kleine Erscheinungen steigern sich in extreme.
Im Jahr 2012 war es nachts lang kalt, meistens drei bis fünf Grad C°. Als es am 25. Februar von einem Tag auf den anderen warm wurde, tagsüber 29 C°, blühten die meisten Pflanzen, die bis vor wenigen Jahren hintereinander angeordnet waren, gleichzeitig auf. Die Bienen waren in den Kirschbäumen zu hören. Auf dem Löwenzahn sah man kaum eine. Die Traubenkirsche, die als Großbaum neben meinen Bienen steht, verlor nach zwei Tagen ihre Blütenblätter. Sie regneten weiß herunter wie Schneeflocken. Und kurz darauf begann der Sommer. Dem Jahr 2012 fehlte der Frühling.



Ein weiteres öffentliches Projekt, das fehl schlug. Ich entwarf Türme aus Beton, und oben saßen Schießscharten. Dahinter sollte sich Raum für je ein Bienenvolk bieten. Die Türme hätte ich in öffentlichen Gärten aufstellen wollen. Die Besiedelung mit Bienen oder anderen Insekten hätte ich weitgehend der Natur überlassen.

Die Bienen in der Stadt konnten sich bisher auf die meisten Unwägbarkeiten einstellen. Bei den Bienen ist es nicht so, dass eine launische Königin weniger Eier legt oder die beleidigten Damen kaum Nektar heran schaffen oder eine allgemeine Mentalität des schlaffen Herumlungerns eintritt. Falls ein Bienenvolk in die Knie geht, geschieht das nicht langsam, sondern wie bei einem Händeklatschen. Die Bienen haben sich in ihrem straff organisierten System weitgehend von der Umwelt unabhängig gemacht. Sie regulieren die für sie wichtigen Faktoren wie beispielsweise den Wabenbau, die Stocktemperatur, die Brut oder den Feuchtigkeitsgehalt des Honigs unabhängig von äußeren Faktoren.
Die Bienen konnten, wie ich las, ohne Mutation überleben. Das bedeutet aber: Ihr System war von Anfang an perfekt. Die ersten bestäubenden Insekten wurden für die Kreidezeit nachgewiesen, vor 100 Millionen Jahren. Die heutigen Bienen sind insofern den Bienen von vor beispielsweise einer Million Jahren absolut ähnlich. Wir indessen haben eine Menge geändert: Wir haben alle ehemaligen, natürlichen Lebensräume der Bienen zerstört und ihr Leben damit ganz in unsere Hände gelegt. Wir haben die Varroamilbe, die häufig mutiert, um unseren Giften ein Schnippchen zu schlagen, frühzeitig in ihre Stöcke gebracht und bekämpfen sie seither erfolglos. Die Milbe greift dort an, wo die Biene am verletzlichsten ist: im Inneren ihres Systems. Unsere Wertschätzung der Bienenarbeit innerhalb der Stadt hat sich gesteigert.



Soweit ich weiß: eine slowenische Münze. Es gibt eine andere Arbeit, außerhalb des Bienenuniversums, für die ich Münzen sammelte. Diese hier ist die einzige Münze weit und breit, die eine Biene zeigt.




Filmstreifen: Propolis


Fernsehbeitrag ZDF


Als mir der griffige Spruch mit den Bienen und den Popstars eingefallen war, wusste ich zwar, dass er Potential hatte, aber nicht, dass sogar ein popkultureller Fernsehbeitrag im Zweiten Deutschen Fernsehen heraus springen würde.
Während das Fernsehen bei mir am Bienenstand drehte, wurden mir aus dem Off Fragen gestellt, die mich zu spontanen Aussagen verleiten sollten. Vielleicht ist es gut, wenn man die Fragen vorher nicht kennt, denn man legt sich sonst etwas zurecht, das zu kompliziert ist. Vielleicht ist es andererseits nicht gut, da man unvermutet den größten Blödsinn schwafelt.

Vor der Kamera machte ich mich für den Ansatz stark, für die Bienenforschung mehr Geld zur Verfügung zu stellen. Inzwischen wird unablässig betont, dass die Biene das drittwichtigste Nutztier der Erde ist. Insofern, sagte ich, müsse die Forschung in die Lage gebracht werden, ein haltbares Mittel gegen die Varroamilbe zu finden. Aus dem riesigen Staatshaushalt könnte mehr für diesen Belang abgezweigt werden. Meine Forderung als Bienenhalter ging exakt auf die Bekämpfung der Milbe, denn in ihr sehe ich den Bienenschädling Nummer eins. Von dieser Seuche ist heutzutage jedes Bienenvolk infiziert. Man muss sich dringend daran setzen und Abhilfe schaffen.
Im Grunde habe ich nicht mehr zu sagen. Ob ich das jedoch wirklich so knapp ausdrückte und ob es im Fernsehen wirklich zu verstehen war, weiß ich nicht mehr. Ich habe den Verdacht, dass ich sehr weitschweifig argumentierte. Vermutlich verglich ich die Geldmittel, die für andere Arten von Popstar-Belangen zur Verfügung stehen, mit denen für die Bienen. Denn ständig wird ja mit dem Auffinden von tatsächlichen oder vermeintlichen Superstars ein ungeheuerer Aufwand betrieben. Doch der Vergleich bedingte, dass große Teile meiner Aussage heraus geschnitten werden mussten. Und vielleicht waren das gerade die falschen.

Bienen fliegen nie im geraden Weg von einem Ort zum anderen, beispielsweise von der Blüte zum Stock. Sie ziehen lange, gewundene Schleifen durch den Raum.

Der Beitrag hatte natürlich keinen Makel. Er war perfekt in der Reihung von einprägsamen Bildern, unterschiedlichen Blickwinkeln, in Unschärfe, die langsam ins Scharfe gezoomt wurde, in schnellem Vorlauf und einer perfekten Taktung. Aber die makellose Oberfläche, kann man umgekehrt folgern, ist der Makel.

Lehrbienenstand


Ab dem Frühjahr 2006 begleitete Ursula, die jüngere Schwester eines Freundes und Studienkollegen, mich an meinem Stand und stellte im Jahr drauf ihren eigenen Kasten dazu. Ich kannte sie schon lange, im Grunde, seit sie vielleicht zwanzig Jahre alt gewesen war. Sie kam in eine Lage, in der sie mehr Zeit hatte und wollte die Bienenhaltung erlernen. Sie ist Ärztin und konnte sich alles viel schneller merken als ich, was mir oft Mühe bereitete, nicht nur weil sie flugs vorwärts kam, obwohl sie genauso bockig (wie ich früher) alles hinterfragte, sondern auch, weil ich oft nicht wusste, was ich bereits erklärt hatte. Auf manche Tatsachen oder Beobachtungen musste ich andererseits ein zweites oder drittes mal hinweisen, damit sie Gewicht bekamen. Sie neigte, wie viele Beginner, dazu, ihre Bienen im Herbst zu überfüttern, aus Sorge, sie könnten im Winter verhungern. Doch das Ergebnis war, dass die Königinnen im Frühjahr zu wenig Platz fanden, um ihre Eier abzulegen. Also mussten wir Anfang April mindestens vier Futterwaben aus ihrem Stock ziehen und gegen leere tauschen, damit dieser offene Raum wieder entstand.

Sie hatte sich einen Holzstock aus gezinkten Tannenbrettern, die etwa drei Zentimeter dick waren, bei einer Behindertenwerkstatt gekauft. Später kaufte ich bei derselben Werkstatt ebenfalls einen Stock. Dort brannten sie gewöhnlich ein verschrobenes Logo in jede Zarge. Doch wir bestanden darauf, sie ohne das Brandzeichen zu bekommen. Der ganze Stock, denn davon fand ich kürzlich beim Aufräumen eine Rechnung, kostete samt Boden, Deckel und drei Zargen 115.- €. Das Problem dieser Beute liegt auf der Hand. Ihr Falz senkt sich, wenn man draufsieht, nach innen und, obwohl die Zargen dicht aufeinander sitzen, läuft Wasser hinein. Die Rähmchen waren im Frühjahr an den Rändern komplett verschimmelt, dort stand das Wasser, und die Randwaben überzog ein blaugrüner Flor. Zwar benutzte Ursula auch das Zandermaß, aber ihre Zargen passten nicht auf meine. Das führte dauernd zu Verwicklungen und ihre Etagen waren teuflisch schwer. Im Sommer, wenn die obersten Räume voll Honig staken, bekam man sie kaum herunter.
Ursula hatte den Vorteil, keinen eigenen Stand eröffnen zu müssen, sondern konnte sich langsam an die Bienenhaltung heran tasten. Brauchte sie ein Volk, machte ich einen Ableger von einem der meinen und sie sah zu. Im Jahr 2012 bekam sie ihr erstes Kind, so dass sie die Imkerei wieder aufgeben musste. Doch immerhin hatte sie einige Jahre lang gelernt und wusste Bescheid. Genau genommen hatte ich nichts anderes getan, als ihr einen Teil dessen zu übertragen, das Franz mir gesagt hatte. Später dachte ich, dass darin der Auftrag besteht.
Eines Tages, nachdem Ursula einige Jahre an meinem Stand gelernt hatte, war sie im Begriff, bei ihren Bienen etwas grundlegend falsch zu machen. Ich wollte ihr das Werkzeug aus der Hand nehmen, doch sie hielt es zurück und sagte:
„Ich will jetzt meine eigenen Fehler machen.“