Der Goldene Faden

Die Arbeit besteht aus dreieinhalb Räumen mit vier Themen und ich präsentierte sie anlässlich der Ausstellung Tage mit erhöhter Schwerkraft, gemeinsam mit Michael von Brentano in Bruckmühl.

Natürlich ist der Titel eine Anspielung auf den „roten Faden“, nur auf sehr direkte Weise. Bereits in frühen Zeichnungen zum Bienenzusammenhang hatte ich einen zwei Zentimeter breiten goldenen Streifen, der sich am oberen Blattrand entlangzieht, eingesetzt. Er besteht, wie bei der Arbeit in Mailand, aus sogenanntem joss-paper, einem einfachen chinesischen Andachtspapier. Im Kapitel „Gold“ der Honiggeschichten wird davon ausführlich erzählt. Der Streifen entspringt der Beobachtung, dass Bienen ihre Produkte in hängenden, taschenförmigen Bauten unterbringen. Auch die Traube des Bienenschwarms hängt an einem Ast nach unten. Hat man den Schwarm nicht sofort, sondern vielleicht erst nach einem Tag gefangen, erkennt man bereits feine Spuren von Wachs, die an der Unterseite des Astes angetragen worden sind. Der Beginn einer Wabe.
Im Bienenstock begann die imkerliche Revolution mit dem Einsatz des beweglichen rechtwinkligen Holzrähmchens, in das die Bienen ihre Wabentaschen hängen. Im Übertrag ist das Papier die Plattform der Bienenthemen und der goldene Streifen die Anspielung auf hängende Einlagerung.



Die Arbeit „der goldene Faden“ war in Bruckmühl über ein Stockwerk ausgebreitet: drei Räume und ein Flur. Die goldene Linie lief in derselben Höhe dahin, einmal rundum. Als ich in der Vorbereitungsphase aus einem Plan die Gesamtlänge aller Wände addierte, kam ich ich auf etwa 50 Meter. Natürlich täuscht diese Zahl, denn man quetscht nicht in jeden Winkel ein Blatt. Ursprünglich hatte ich sogar vorgehabt, immer wieder Strecken leer zu lassen. Aber bei der Hängung stellte ich fest, dass dafür die Räume zu verschachtelt waren, und es wurde mir stattdessen wichtig, den Eindruck von Fülle auszulösen.



Für den ersten und größten Raum bemühte ich die Arbeit zur Bienenanatomie, die im Jahr 2000 teilweise in der Offenen Galerie im Gasteig in München ausgestellt gewesen war. Damals hatte ich nur einen kleinen Teil der Blätter zeigen können. Auch diesmal reichte der Platz nicht im mindesten, und ich beschränkte mich auf einige Leitmotive: die Samenblase der Königin, die Wahrnehmungsorgane einschließlich der Ganglien, verschiedene Muskulaturen und so weiter. Zwischen diese schwarzweißen Blätter voll ausgefallener, üppiger Formen montierte ich Geschenkpapiere mit Blumenmotiven.



Der zweite Raum war still und zurückgenommen. Dort behandelte ich verschiedene Formen der Beute, beziehungsweise deren Entwicklung vom Baumstamm zum Magazin, sowie diverse Arten von Körben. Meine Aufarbeitung dieses Themas ist nicht abgeschlossen, sie ist weder systhematisch noch erschöpfend, aber die Anzahl der Blätter sprengte bereits den Rahmen. Es war mein Lieblingsraum. Die Formate sind kleiner und die Aufnahmen schwarzweiß, jedoch auf dem Farbkopierer vervielfältigt, wodurch eine latente, schwache Farbigkeit entsteht. Neben die überbordenden Naturformen war die orthogonale Schlichtheit der menschlichen Formensprache gesetzt. Allerdings brach ich die Kälte des rechten Winkels, indem ich vorwiegend alte Kisten aus Holz zeigte.



In den dritten Raum gelangte man durch den zweiten, und er war der pure Gegensatz. Hier verwendete ich mit dem Rasterelektronenmikroskop aufgenommene und bunt eingefärbte Blütenpollen in gigantischer Vergrößerung. Meine Hauptarbeit war die Komposition der vielzahligen Anordnungen innerhalb jedes Blattes. Die Motive sind wie meistens in umgebende Träger eingelassen. Diesmal jedoch ist es Transparentpapier, das beidseitig mit klarsichtiger Klebefolie versiegelt ist. Nach dem hermetisch stillen Raum kam also ein überaus bunter mit großen Formaten und spiegelnden Oberflächen.



Da das Rasterelektronenmikroskop nur schwarzweiße Bilder liefert, erarbeitet eine Person am Rechner eigens die Einfärbungen. Die tatsächlichen Farben lassen sich wegen der Winzigkeit der Partikel nicht erkennen. Betreffs der Färbung gibt es national unterschiedliche Auffassungen. Die Amerikaner, wie ich las, kolorieren die gleichen Aufnahmen in den schrillsten Farben. Bei uns spürt man dem Wahrscheinlichen nach. Dennoch ist das Buch, aus dem ich die Aufnahmen habe, ein einziger Farbrausch.



In dem schmalen Flur übrigens hingen drei Variationen von Ambrosiusfiguren. Er ist unter anderem Schutzpatron der Imker. Vor allem in Osteuropa ist die Tradition der Figurenbeute verbreitet. Oft lebensgroße, geschnitzte Holzfiguren waren Bienenbehausungen. Sie wurden von der Rückseite bestellt, während die Bienen vorne durch Öffnungen wie beispielsweise den Mund
aus- und einflogen.