more than honey


Mitte Januar 2013 fanden in Neustadt an der Weinstraße insgesamt drei Filmvorführungen statt. Es ging um „more than honey“. Zu dem Film gibt es auch ein Buch. Die Organisatoren waren der Kinobesitzer und der BUND für Naturschutz. Nach einer Vorführung um 20 Uhr sollten mein Freund Yonas und ich auf der Bühne vor der geschlossenen Leinwand stehen und Fragen aus dem Publikum beantworten. Zunächst sprach ich von dem klassischen „Gute Nachricht“ - „schlechte Nachricht“ - Spiel. Die schlechte ist, dass jährlich etwa 20 % der Bienen in Deutschland sterben. Die gute Nachricht ist, dass es mehr Nachwuchsimker gibt. Vor einigen Jahren las ich statistische Erhebungen über das durchschnittliche Alter der Imker. Es lag in astronomischer Höhe. Damals kamen die hohen Verluste zustande, da alte Imker ihre wenigen Völker durch ungünstige Winter ganz einbüßten und sich nicht mehr aufraffen konnten, mit neuen in den Sommer zu gehen. Die meisten von ihnen sind steinalte, in sich selbst verschraubte Bastler. Man bekommt gelegentlich mit ihnen zu tun und Franz hatte mich vorgewarnt. Sie versuchen sofort, einem ihre Meinung und ihr System aufzuzwingen und alle übrigen Ansätze auszuschließen. Zunächst sprach ich von der besseren Vernetzung der jungen Imker untereinander. Dann beantwortete Yonas einige Fragen. Er hatte vor geraumer Zeit selbst Bienen gehalten. Sein Themenschwerpunkt waren mittlerweile jedoch das Anlegen von Gärten und die entsprechenden Pflanzen. Dadurch kam eine gute Ergänzung zustande, da der Film naturgemäß beide Themen berührt und das Interesse des Publikums in die doppelte Richtung ging.
Tatsächlich saß einer dieser oben beschriebenen Imker in der vorletzten Reihe und sagte in einem stillen Moment laut zu seiner Frau: „Der hat ja keine Ahnung, der da vorne steht.“ Damit meinte er mich. Die Bemerkung war vermutlich für die Ohren seiner Frau bestimmt, aber beinahe alle im Raum hörten sie und hielten die Luft an. Der Mann lief nach und nach zu ganzer Form auf und entwickelte sich von einer Person, die anderer Ansicht ist zu einem richtiggehenden Störer. Er riss Teile des Gesprächs an sich, verhaspelte sich und seine Beiträge versandeten. Sobald ich etwas gesagt hatte, widersprach er sofort. Schließlich tat er seine entgegen gesetzte Auffassung bereits kund, bevor ich überhaupt angesetzt hatte, zu sprechen, sobald sich aber das ungefähre Thema abzeichnete. Oder er beantwortete eine neue Frage, die jemand gestellt hatte, besser selbst, da sie ihm dadurch schlüssiger erklärt schien. Er sprach über Hummeln und fragte provozierend, warum die denn keine Varroamilben auf sich sitzen hätten. Richtig, sagte er überdeutlich, richtig. Dann wollte er etwas nachschieben, stellte aber verwirrt fest, dass er sich ins Aus manövriert hatte. Es wurde lustig. Ich meldete mich, als bräuchte ich seine Erlaubnis zu sprechen. Vielleicht, dachte ich, bemerkte jemand im Publikum meine Geste. Schließlich kam ich doch dran und sagte, dass die Hummeln sehr wohl von Milben befallen seien, wenngleich, soweit ich wusste, nicht von der Varroa. Andererseits könne man unseren Bienen schwerlich die Erlaubnis entziehen, ab März in Brut zu gehen. Das Publikum lachte.
(Bienen, sagte Yonas später, sind der bessere Wirt, und damit hatte er natürlich Recht.)
Zwischenzeitlich ging es um die Gruppe der Neonicotinoide, wie sie in den meisten Pflanzenschutzmitteln vorkommen. In Frankreich war dafür ein Verbot erwirkt worden. Doch bei uns ist die Lobby, die hinter diesen bienengefährlichen Mitteln steht, beinahe übermächtig. Es ist nicht mein Thema, musste ich zugeben, da Stadtimker damit nicht zu tun haben. Doch begrüßte ich natürlich den Vorstoß Frankreichs. Ob er auf unsere Verhältnisse übertragbar ist, bezweifelte ich. Vor kurzem hatte ein deutscher Konzern den Monsanto-Konzern übernommen.
Schließlich ging es um Melezitosehonig. Er kommt zum überwiegenden Teil im Wald vor und wird von Blattläusen, die Äste anbohren und den Phloemsaft der Bäume saugen, ausgeschieden. Die Bienen nehmen diese Ausscheidungen auf und tragen sie ein. Belässt man ihn als Winterfutter im Stock, bekommen die Bienen Durchfall, da er schwer verdaulich für ihren Magen ist. Melezitose ist ein Dreifachzucker, der vom Wabengrund her schnell kristallisiert, oftmals bevor ein Imker ihn ernten kann. Den daraus entstandenen Honig nennt man deshalb Zementhonig. Der verbohrte alte Mann schaltete sich sofort erbost ein, indem er sagte, dieses ganze Pipapo mit dem Zucker sei Quatsch. Der sogenannte Melezitosehonig kristallisiere wegen der Ballaststoffe darin.
Später bezeichneten die meisten, mit denen ich sprach, den Mann als alten Deppen. Aber genau mit denen hat man es häufig zu tun, wenn man Bienen hält. Leider rutschten wichtige Fragen, die gern diskutiert worden wären, in die zweite Reihe, da er sich derart nach vorne gedrängt hatte.

Meine Vorschläge an die ländlichen Imker sind im Grunde radikal. Blühen Raps oder Mais, die häufig gespritzt werden, sollten Bienen nicht in der Nähe stehen. Man könnte in Städten mit ausgeprägten Grünflächen, von denen es in Deutschland eine gute Hand voll gibt, durchaus groß angelegte Ausweichquartiere anlegen. Später könnten die Bienen zurück zu ihren ländlichen Standorten wandern. Genau genommen sollten Bienen immer dann, wenn der Verdacht aufkommt, dass schädliche Spritzgifte eingesetzt werden, nicht in der Nähe sein. Denn meistens verläuft die Berührung für die Bienen tödlich. Imkern, die dennoch ihre Bienen dort postieren, kann man vorwerfen, dass sie die Gefährdung der ihnen anvertrauten Lebewesen und die Verunreinigung des von ihnen in Umlauf gebrachten Honigs vorsätzlich in Kauf nehmen. Die Obstblüte müsste geprüft werden, geht aber in der Regel durch. Eine Aufnahme in den Städten würde sich außerdem günstig auf den Ertrag auswirken. Die Imker müssten nicht jährlich darum bangen. Durch die zahlreichen blühenden Bäume lässt sich in der Stadt dreimal soviel Honig erwirtschaften wie auf dem Land.

Bei der Veranstaltung trat noch ein Mann auf, der Werbung für EM machte. Ich habe vergessen, wofür das genau steht. Er saß in der ersten Reihe, fragte, ob man nicht die natürlichen Resourcen verstärkt bemühen könne (womit er meinte, Medikamente wegzulassen), und er habe dazu eine Informationsbroschüre mitgebracht.

Über den Film ließ sich selbstverständlich wenig sagen, da die Bilder für sich sprechen. Es war nicht unser Anliegen, weitere Kommentare hinzu zu fügen. Nur ein inhaltlicher Fehler fiel mir spät abends ein. Da der Filmemacher Schweizer ist, kommen die schweizer Imker, die sich im Hochgebirge um die Erhaltung einer eigenen Bienenrasse mühen, nicht besonders gut weg. Das fand ich ein wenig bemüht. Es kommt einem vor, als sei es so etwas wie Ehrensache für ihn, auch kritisch zu beleuchten, wie im eigenen Land mit den Bienen umgesprungen wird. Die gezeigte gebirgstaugliche Rasse, das fiel mir später ein, ist die gelegentlich erwähnte apis nigra. Der alte Schweizer Imker, der sich ausschließlich in mittelhohen Gebirgslagen bewegt, zerdrückt im Film nachhaltig mit dem Fingernagel eine seiner Königinnen und sagt dazu in etwa: „So, das ist der Preis fürs Fremdgehen.“ Damit meint er, dass diese sich mit den Drohnen einer anderen Rasse drunten im Tal gepaart haben muss. Diese Geste überdachte ich und schließlich fiel mir auf, dass der Mann gar nicht gewusst haben konnte, dass die Königin sich mit einer anderen Rasse gekreuzt hatte. Er hätte das erst an der schlüpfenden Brut gesehen und dann wäre es zu spät gewesen. Die Nahaufnahme des riesigen Daumennagels, der die Königin zerquetscht und auf einem Brettchen zurück lässt, wonach aufgeregte Bienen herbei eilen, ist zwar unstimmig, aber bildmächtig.





Das Photo eines amerikanischen Berufsimkers aus dem Film more than honey. Der Mann sitzt in seinem Auto, einem Truck und lässt das Fenster herunter. Er sagt: „Listen!“ Man spitzt die Ohren und hört zigtausend Bienen summen. Der Mann wandert mit Größenordnungen von Bienenkästen, die uns völlig utopisch vorkommen. Ebenso verrückt scheinen aber seine Verluste, die während der Fahrt auftreten. Die Bienen verbrausen. Sie gehen daran ein, dass ihnen zu heiß wird und sie verrecken elendiglich in ihren Kästen, weil sie nicht genug belüftet sind. Nach einer Kunstpause, die der Mann gemacht hat, ein Herr Miller, sagt er: „This is the sound of money.“ Money reimt sich auf Honey.




More than honey
Hermann Scherrer, Vorsitzender der Neustadter Kreisgruppe von BUND für Umwelt und Naturschutz sowie Christoph Scheuerecker, seit über 20 Jahren Stadtimker aus München, werden nach der 20.00-Uhr-Vorstellung als Gäste anwesend sein und für Fachfragen und Diskussion zur Verfügung stehen.